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ARAG: Rechtsschutzversicherung – aber kein Rechtsschutz?

Die Anwälte Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH/Lahr fahren großes Geschütz auf gegen den Düsseldorfer Rechtsschutzversicherer ARAG in Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal und deren Deckungsverweigerungen gegenüber eigenen Mandanten: "Die ARAG hat den Bogen derart überspannt, dass Strafanzeigen u. a. gegen den Vorstand der ARAG wegen Betruges erstattet werden mussten. So verhält sich keine seriöse Versicherung, weshalb wir die ARAG als einzigen Rechtsschutzversicherer auch nicht mehr anerkennen", erklärt Rechtsanwalt Ralph Sauer. Von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat 'k-mi' auf Nachfrage keine Auskunft zu einem möglichen Aktenzeichen bzw. Einschätzung zu den erhobenen Betrugsvorwürfen erhalten. Deshalb verweisen wir hier auch ausdrücklich auf die in Deutschland geltende Unschuldsvermutung, solange nichts Gegenteiliges durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt ist. Doch auch die zivilrechtlichen Vorwürfe in der Sache sind in ihrer vorgetragenen Deutlichkeit derart ungewöhnlich, weshalb wir hierzu beiden Seiten Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen. Zunächst zur Sichtweise der ARAG. Verweigert der Düsseldorfer Rechtsschutzversicherer im VW-Abgasskandal die Kostendeckung seinen Kunden in über-durchschnittlicher Markthöhe? 

"Klares Nein. Wir betreuen derzeit 2.000 Kunden in dieser Sache und haben in 770 Fällen die Kosten übernommen. Unter dem Strich sehen wir bei 480 Fällen derzeit mangelnde Erfolgsaussichten. Wir beobachten die Situation sehr genau und stellen fest, dass es den Werkstätten in vielen Fällen nicht gelungen ist, zeitnah nachzubessern. Daher können VW-Kunden nun vermehrt von Kaufverträgen zurücktreten. Sollte aufgrund aktueller Rechtsprechung die Beurteilung im Einzelfall nachträglich günstiger ausfallen, korrigieren wir unsere Entscheidung zugunsten unseres Kunden selbstverständlich. Dies haben wir auch im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal bereits in vielen Fällen zum Vorteil unserer Kunden so gehandhabt. Die Zahl der abgelehnten Fälle wird daher abschmelzen", teilt uns Klaus Heiermann, Generalbevollmächtigter der ARAG SE, mit. Als Gründe für abgelehnte Kostenübernahmen führt der Generalbevollmächtigte u. a. an  ++ keine versicherte Leistung  ++ vor- oder nachvertraglicher Schadensfall bzw.  ++ mangelnde Erfolgsaussichten, sofern das Gewährleistungsrecht zunächst eine Mängelbeseitigung und keinen Neuwagen vorsieht. Doch liegt es überhaupt im Interesse der ARAG, dass vom Abgasskandal betroffene Rechtsschutzversicherte in möglichst zahlreicher Fallzahl ihre Rechtsposition gegenüber VW bzw. den Händlern wahrnehmen? Heiermann erklärt: "Unsere Kunden sollen ihre Rechte wahrnehmen und ihre Ansprüche geltend machen, wie es ihnen zusteht. Unser Interesse ist es, dass sie dabei anwaltlich so gut betreut werden, dass sie ihre Ansprüche erfolgreich verfolgen können. Da gibt es nur mit ganz vereinzelten Kanzleien Zielkonflikte, die auch oft genug ausgeräumt werden können." 

Das klingt also eher danach, als sei bei der ARAG und im Verhältnis zu den Beratern der Kunden nahezu alles in Butter. Als Verhaltensrat empfiehlt Heiermann die folgende Vorgehensweise für Betroffene, um die Rechtsansprüche zu wahren und zeitnah durchzusetzen: "Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, sollte sich direkt an seinen Versicherer wenden, um das Vorgehen zu besprechen. Jedem Kunden vermitteln wir eine anwaltliche Erstberatung, die er nicht gesondert bezahlen muss. Danach kann er sein weiteres Vorgehen planen. Zunächst aber ganz wichtig: Sofort den Ablauf der Gewährleistungsfrist hemmen. Hier hilft aber auch der Anwalt im Rahmen der Erstberatung." Zum Vorwurf, Anwälte würden selbst abseits des VW-Falles keine Kostenabrechnung mehr mit der ARAG vornehmen, begegnet der Generalbevollmächtigte mit Unverständnis: "Wir treten nicht auf die Kostenbremse. Zudem können wir kein anderes Abrechnungsverhalten feststellen. Wir haben gesehen, dass zumindest eine Kanzlei öffentlichkeitswirksam eine solche Erklärung abgegeben hat. Dennoch gibt es weiterhin Kostenanfragen für unsere Kunden durch diese Kanzlei. Anspruch und Wirklichkeit liegen da etwas auseinander." 

Kommen wir zur Gegenposition der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, die nicht nur deutschlandweit mit die meisten Geschädigten im VW-Debakel vertritt, sondern auch bei den erstinstanzlich obsiegenden Urteilen sicherlich eine Vorreiterrolle einnimmt. Das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 09.03.2017 (Az.: 9 O 113/16) in einer erfolgreichen Deckungsklage gegen ARAG beispielhaft ausgeführt: "Es besteht wegen der beabsichtigten Rechtsverfolgung gegen die VW-AG eine zumindest gleich große Wahrscheinlichkeit für einen positiven wie negativen Ausgang für die klagende Partei." Von einer mutwilligen Inanspruchnahme seiner Versicherung ist man folglich weit entfernt bei den manipulierten Fahrzeugen.  RA Ralph Sauer schätzt auf 'k-mi'-Nachfrage, dass die ARAG bei rund 200 seiner Mandaten keine Kostendeckung bislang übernommen hat. Inwieweit kann Sauer garantieren, dass seine Mandanten dem guten Geld kein schlechtes bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Rechtsschutzversicherern hinterherwerfen? "Bisher haben wir in allen Fällen für unsere Mandanten ein erfolgreiches Ergebnis erzielt. Da die versicherungsrechtliche Situation, bei grundsätzlich bestehendem Versicherungsschutz und dem Erwerb des Fahrzeugs vor dem Bekanntwerden der Manipulation, eindeutig ist, ist es nicht denkbar, dass ein solches Verfahren unter Anwendung der bestehenden Rechtsprechung und Gesetzgebung verloren werden kann. Dies wurde auch durch eine Vielzahl von landgerichtlichen und oberlandesgerichtlichen Entscheidungen bestätigt. Bereits zu Beginn des Abgasskandals haben die Oberlandesgerichte Hamm und Celle klargestellt, dass hinreichende Erfolgsaussichten bestünden und keine Mutwilligkeit vorläge. Dies alles ignoriert die ARAG beharrlich. Wir können im Regelfall aufgrund der derart eindeutigen Rechtslage meist garantieren, dass diese Fälle gegen die Rechtsschutzversicherung durch unsere Kanzlei gewonnen werden." 

RA Sauer verweist darauf, dass seine Kanzlei seit Beginn des VW-Abgasskandals einige hundert Deckungsklagen gegen die verschiedensten Rechtsschutzversicherer geführt habe. Mit dem Resultat: "Mir ist kein einziges Verfahren bekannt, in welchem wir verloren hätten. Die Gerichte weisen teilweise die ARAG bereits mit der Übersendung der Klage darauf hin, dass Deckungspflicht bestünde und anerkannt werden sollte. Das Landgericht Kiel hat in einer mündlichen Verhandlung der ARAG auf unseren Vortrag hin sogar mitgeteilt, dass diese bereits wegen unwirksamer Versicherungsbedingungen wohl nicht berechtigt wäre, die Deckung wegen Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit zu verweigern. Eine Garantie kann man als Anwalt normalerweise nie aussprechen. Die Frage der Deckungspflicht bei grundsätzlich bestehendem Versicherungsschutz ist aber in diesem Fall so eindeutig, dass man dies ausnahmsweise machen kann – natürlich nur, wenn man die Verfahren selbst führt."  Entsprechend kann der Anwalt das Verhalten der ARAG in Hinblick auf eine Vielzahl erstinstanzlicher gerichtlicher Entscheidungen gegen die ARAG bzw. VW oder Verkäufern der Fahrzeuge, samt den geschlossenen Vergleichen, nicht nachvollziehen: "Die ARAG lässt eine überwiegende Anzahl ihrer Versicherungsnehmer im Stich. Die Argumentation, die die Ablehnungen stützen sollen, sind abwegig und im Hinblick auf die zugrunde zu legende versicherungsrechtliche Fragestellung so weit entfernt von der tatsächlichen Sach- und Rechtslage, dass dies von uns und einer Vielzahl anderer Kanzleien nicht mehr als seriös angesehen werden kann. Nach unserer Erfahrung verhält sich keine andere Rechtsschutzversicherung in vergleichbarer Weise derart zuwider den Interessen der eigenen Kunden." Sauer versichert jedoch, auch weiterhin bei bereits übernommenen Mandatsverhältnissen mit der ARAG zu korrespondieren und die Interessen dieser Mandate gegenüber der ARAG zu vertreten: "Ergänzen möchte ich, dass die ARAG in einigen wenigen Fällen ohne Vorliegen einer für uns erkennbaren Besonderheit oder eines Zusammenhangs, Deckung erteilt. Wir gehen davon aus, dass dies deswegen geschah, damit nicht gesagt werden kann, die ARAG decke keine Fälle." 

Von vergleichbaren Erfahrungen mit der ARAG kann Prof. Dr. Marco Rogert, Rogert & Ulbrich Rechtsanwälte in Partnerschaft/Düsseldorf, berichten, der ebenfalls bei der ARAG rechtsschutzversicherte Mandate in dreistelliger Höhe vertritt: "Die ARAG Rechtsschutzversicherung hält sich meines Erachtens nicht an ihre vertraglichen Verpflichtungen. Deckungsanfragen für Geschädigte im VW-Abgasskandal werden in unseren Fällen wegen vermeintlich mangelnder Erfolgsaussichten zurückgewiesen, obwohl wir zum einen bereits eine Vielzahl klagestattgebender Urteile erwirkt haben und wir zum anderen auch bereits erfolgreich Deckungsklage gegen die ARAG Rechtsschutzversicherung eingereicht haben. Nachdem mittlerweile bis auf die DEVK alle anderen Rechtsschutzversicherer ihre Regulierungspraxis umgestellt haben und die Deckungszusagen in gleichgelagerten Fällen gewähren, ist uns das Verhalten der ARAG vollkommen unverständlich und gibt Anlass zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen." Der Frage nach Gründen für das Verhalten der ARAG geht Verkehrsrechtsexperte Rechtsanwalt Michael Winter, Kornwestheim nach: "Wer Böses denkt, könnte auf die Idee verfallen, dass hier durch sogenanntes 'kollusives Zusammenwirken' (lat.: collusio: Geheimes Einverständnis! Dies ist das unerlaubte Zusammenwirken mehrerer Beteiligter mit der Absicht, einen Dritten zu schädigen) der VW-Konzern Schulter an Schulter mit einem Rechtsschutzversicherer versucht, Betroffene von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abzuhalten. Ich selbst maße mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht an, hierüber zu urteilen, sondern werde (ebenso wie meine geschätzten Kollegen) das weitere Verhalten der ARAG akribisch beobachten. Sollten sich zu einem späteren Zeitpunkt bereits an mich herangetragene Vermutungen bewahrheiten, ziehe ich (der bereits im letzten Jahr zusammen mit der Kanzlei KWAG gegen den Geschäftsführer der Robert-Bosch GmbH ebenso Strafanzeige erstattete, wie gegen den Vorstandsvorsitzenden der VW AG) hieraus sofort die notwendigen zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen."

'k-mi'-Fazit: Handelte es sich bei den zugrundeliegenden Deckungsfällen nicht um den gleichen Sachverhalt, müsste man als Beobachter zu der Feststellung kommen, die ARAG auf der einen und die Rechtsexperten auf der anderen Seite thematisieren zwei völlig unterschiedliche Probleme. Da dem jedoch nicht so ist, muss sich der Düsseldorfer Rechtsschutzversicherer fragen, wo er seine Rechtsüberzeugung hernimmt, um seinen Versicherungsnehmern in Sachen VW offensichtlich im großen Stil weiterhin und das trotz des Durchbruchs in der Schadensrechtsprechung den Rechtsschutz zu versagen. Es drängt sich so der Verdacht auf, als wolle die ARAG möglichst viele Ansprüche rechtsgrundlos abbügeln. Welche Erfahrungen haben Sie?

Lesen Sie hierzu auch: VW-Abgasskandal: Dosierte Deckungszusagen beim Rechtsschutz http://www.kapital-markt-intern.de/kapital-markt-intern/aktuelle-themen/k-mi-aktuelle-themen/vw-abgasskandal-dosierte-deckungszusagen-beim-rechtsschutz/

 

Nutzen Sie die Umfrage: VW-Abgasskandal deckt Schwächen von Rechtsschutzversicherungen auf: Versichert - ja! Deckungszusage - nein!? für Ihr Statement und eine Bewertung im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Marktteilnehmer! http://www.kapital-markt-intern.de/kapital-markt-intern/umfragen/schwaechen-von-rechtsschutzversicherungen/

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