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INFINUS: Aus fiskalischer Sicht ein tragfähiges Geschäftsmodell

Seit inzwischen fast vier Jahren erhebt die Staatsanwaltschaft Dresden u. a. schwere Betrugsvorwürfe in Richtung der ehemaligen INFINUS-Entscheider, gegen die vor dem Landgericht Dresden unverändert der Strafprozess läuft. In 'k-mi' 30/17 warfen wir die Frage auf: "Wurde im November 2013 ein kerngesundes, hoch profitables Finanzunternehmen oder ein kurz vor der Pleite stehendes Schneeballsystem durch Razzien und die Festnahme von sechs INFINUS-Managern zerschlagen?" Diese ohnehin hoch brisante Frage erhält nun weiteren neuen Zündstoff. Auf der Suche des Insolvenzverwalters Dr. Bruno M. Kübler/Büro Dresden nach verwertbaren Vermögen bei der Future Business KGaA (FuBus), die als Art Holding der INFINUS-Gruppe fungierte, ist dieser förmlich in ein Wespennest getappt – mit Potential für ganz neue Wendungen in diesem Finanz- oder vielleicht Justizskandal: Insolvenzverwalter Dr. Kübler versucht auf Basis einer Neubewertung durch die Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers (PWC) die Nichtigkeit der Unternehmensbilanzen feststellen zu lassen. Statt der ansteigenden Gewinne, wie sie die testierten Bilanzen auswiesen, will der Insolvenzverwalter nun Verluste bei FuBus in Höhe von 82,3 Mio. € (2009), 78,8 Mio. € (2010), 89,2 Mio. € (2011) und 108,8 Mio. € (2012) ermittelt haben. In Summe wären das in vier Jahren stattliche –359,1 Mio. €. Ob Gewinne oder Verluste hier angefallen sind, hat auch für den Fiskus größte Auswirkungen. Dr. Kübler fordert alleine von der Stadt Dresden Gewerbesteuerrückzahlungen in Höhe von 17,1 Mio. €, unter Berücksichtigung von  6 % p. a. Verzugszinsen dürften rund 20 Mio. € für die Dresdner Stadtkasse im Feuer stehen. Des Streits für die Stadt Dresden angenommen hat sich inzwischen die Landesdirektion und das Sächsische Finanzministerium. Im neuesten Zwischenbericht der Kanzlei Kübler im FuBus-Insolvenzverfahren vom 28.06.2017 finden sich zu diesem Sachverhalt zwei Kapitelchen, die zwar unspektakulär klingen, es in der Sache aber in sich haben:

Dr. Kübler zeigt sich dort über die geäußerten Auffassungen der Finanzbehörde überrascht, da der Fiskus nun nicht davon ausgehe, dass wesentlicher Korrekturbedarf im Zusammenhang mit den Jahresabschlüssen ab den Jahren 2009, also bei den früheren Steuererklärungen bestehe. Der Insolvenzverwalter hat die Bilanzen des Zeitraumes zwischen 2009 bis 2012 angefochten und Feststellungsklage erhoben auf Nichtigkeit der Jahresabschlüsse. Die Behörde vertritt demgegenüber die Meinung, dass die von FuBus erstellten Jahresabschlüsse korrekt seien. In dem Zusammenhang soll die Finanzbehörde vormalige Übereinstimmungen in der Bewertung von Einzelpositionen gegenüber dem Insolvenzverwalter sogar deutlich zurückgenommen haben. Dieser erwartet deshalb mehrere, kostenintensive Rechtsstreitigkeiten, da mit Entscheidungen des Fiskus zu rechnen sei, die konträr zu seinen Anträgen ausgehen werden. Bezogen auf die gesamte Unternehmensgruppe vertritt die Finanzbehörde laut Dr. Kübler die Meinung, dass es sich bei dem Geschäftsmodell der FuBus und der gesamten INFINUS-Gruppe nicht um ein so genanntes Schneeballsystem handele, sondern aus fiskalischer Sicht um ein tragfähiges Geschäftsmodell. Die eingereichten Steuererklärungen und damit auch die erstellten Bilanzen der FuBus für die Geschäftsjahre 2009 bis 2012 seien laut Ansicht des Fiskus richtig erstellt, ein Erstattungsanspruch ergebe sich deshalb unter keinem Gesichtspunkt. Ein Paukenschlag, den hier die Finanzbehörde dem Insolvenzverwalter förmlich auf den Tisch pfeffert und damit gewollt oder auch nicht nebenbei den INFINUS-Managern kräftigen Rückenwind in ihrem Strafrechtsprozess verleihen dürfte!

Denn es wird nicht nur für einen juristischen Laien kaum nachvollziehbar sein, dass die INFINUS-Manager im Falle eines vermeintlichen Schneeballsystems wegen Betruges auf der einen Seite an den Pranger gestellt werden, während andererseits das Finanzamt sich mit der Begründung schadlos halten will, hier liege doch überhaupt kein (fiskalisches!?) Schneeballsystem vor. In dem Zusammenhang sei an das Verhalten der BaFin erinnert, die seit dem Jahr 2007 von den Eigengeschäften, also die Bilanz aufblasenden LV-Policen bei INFINUS zwar Kenntnis hatte, daran offensichtlich jedoch nichts auszusetzen hatte, vielmehr regelmäßig die Verkaufsprospekte bis ins Jahr 2013 (bedenkenlos?) gestattete und damit sehenden Auges das INFINUS-Geschäftsmodell mit immer neuer Kapitalzuführung seitens der Anleger kräftig weiter florieren ließ (vgl. 'k-mi' 30/17). Ungeachtet von alldem setzt der Insolvenzverwalter die Rückforderungsansprüche von angeblich nicht verdienten Zinszahlungen gegen die Genussrechtszeichner fort, räumt in seinem Bericht jedoch ein, dass sich die Berechnung tatsächlich und rechtlich schwierig gestaltet, schließlich drohen die Ansprüche gegen 2.900 Investoren obendrein bis zum Jahresende zu verjähren. Hier muss sich die Kanzlei Kübler auch mit dem Einwand der zwischenzeitlichen Entreicherung auf Seiten der Anleger in Bezug auf die ausgekehrten Ausschüttungen auseinandersetzen. Bislang konnte Dr. Kübler rund 170 Mio. € aus dem einstigen Vermögen der FuBus verwerten und kalkuliert mit einer Ausschüttungsquote von bis zu 20 %, was für einen Insolvenzfall ein ungewöhnlich guter Wert ist, der die geschädigten Anleger dennoch wenig zufriedenstellen dürfte. Denn alleine der immaterielle Konzernwert mit dem seinerzeit größten Haftungsdach in Deutschland, der INFINUS AG Finanzdienstleistungsinstitut (FDI oder blaue INFINUS), und der INFINUS AG Ihr Kompetenz-Partner (IKP oder rote INFINUS), über die mehrere tausend Finanzvermittler Geschäfte einreichten, war aufgrund der durchgeführten Razzien und den damit verbundenen Kontensperrungen über Nacht auf Null zusammengebrochen.

'k-mi'-Fazit: Kann ein im strafrechtlichen Sinne zu beurteilendes Schneeballsystem zugleich bei fiskalischer Betrachtungsweise ein tragfähiges und damit rechtmäßiges Geschäftsmodell darstellen? Eine in der deutschen Wirtschaftsgeschichte wohl einmalige Fragestellung, die es im INFINUS-Skandal nun zu klären gilt. Bei natürlichem Sachverstand wird man sagen müssen, es gibt nur ein entweder oder. Aber normal scheint schon lange nichts mehr bei diesem Fall zu sein, der in der sächsischen Justizgeschichte alle bisherigen Verhandlungsrekorde bricht – mit Potential für weitere spannende Wendungen. Sollte gar der Strafprozess gegen die Angeklagten platzen, könnten sich hier wohl alle bislang gekannten Schadenersatzdämme als niedliche Schutzversuche erweisen.

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