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Atempause bei europäischer Einlagensicherung EDIS

Überraschend hatte der Finanz- und Währungsausschusses ECON des EU-Parlaments die Pläne zu der seit 2015 immer wieder aufs Pult gehobenen Europäischen Einlagensicherung European deposit insurance scheme (EDIS) kurzfristig auf seine Tagesordnung gesetzt. In der Regel zielen die Ideen bei EDIS auf eine Vergemeinschaftung der wenigen in der EU vorhandenen funktionierenden Sicherungssysteme. Kein Wunder, dass Bedenken aufflammten, der ECON-Ausschuss wolle kurz vor den Wahlen des EU-Parlaments vom 06. bis 09. Juni hier Tatsachen schaffen und schon einmal die nächsten Schritte verbindlich einleiten. Dabei hatte noch am 04.03.2024 der für EDIS zuständige Berichterstatter im EU-Parlament, ­Othmar Karas, gefordert, u. a. Sparkassen und Genossenschaftsbanken aus dem Geltungsbereich von EDIS auszunehmen (vgl. 'Bi' 11/24).

Offensichtlich mit wenig Durchschlagskraft. Deshalb kritisierte im Vorfeld der ECON-Abstimmung Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR): "Dezentrale Sicherungssysteme wie die von Sparkassen und Genossenschaftsbanken stabilisieren regionale Märkte überall in Europa. Sie gewährleisten so die Leistungsfähigkeit des Finanzsystems. Die geplante gemeinsame Europäische Einlagensicherung (EDIS) gefährdet diese wichtige Funktion." Der EDIS-Vorschlag missachtet die bestehenden Unterschiede in den Ländern der Eurozone sowie verschiedenen Risikoprofile bei Finanzdienstleistern und setzt nach Ansicht von Ulrich Reuter, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), falsche Anreize: "Durch Gleichmacherei wird nichts gewonnen. Stattdessen werden Institute und Finanzdienstleister ohne eigenes Sicherungssystem dazu verleitet, Lasten bewusst auf EDIS zu verschieben und höhere Risiken einzugehen. Einem Moral Hazard wäre Tür und Tor geöffnet." Zudem würde durch eine gemeinsame Europäische Einlagensicherung im Krisenfall die Ansteckungsgefahr zwischen Ländern steigen und damit die Finanzstabilität der gesamten Eurozone geschwächt, so die beiden Spitzenverbände in einer gemeinsamen Erklärung.

Umso größer die Erleichterung, dass der ECON-Ausschuss erklärt hat, kein Mandat für Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Rat zu erteilen. Läuft derzeit doch ohnehin schon auf EU-Ebene aktuell mit der crisis management and deposit inscurance (CMDI) ein großes Reformprojekt mit ähnlicher Stoßrichtung, das u. a. die (vorrangige) Abwicklung kleiner und mittlerer Banken in den Fokus nimmt (vgl. u. a. 'Bi' 17/23). "Das laufende Review des Krisenmanagements für Banken und Sparkassen (CMDI) sollte zunächst abgeschlossen werden, bevor über EDIS überhaupt sinnvoll beraten werden kann", erklärte auch DSGV-Präsident Reuter. Und BVR-Präsidentin Kolak betont: "Die Bankenunion darf nicht bewährte, präventiv wirkende Institutssicherungssysteme wie die von Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen beeinträchtigen, mit denen diese Schieflagen der angeschlossenen Institute vermieden und so Einlagensicherungsfälle gar nicht erst in Kauf genommen werden."

Ins gleiche Horn stoßen in einer gemeinsamen Erklärung auch der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) und der Sparkassenverband Bayern (SVB). Die Entscheidung, kein Mandat für Trilog-Verhandlungen zu erteilen, gebe Zeit, um bei EDIS und dessen Ausgestaltung keinen Schnellschuss zu produzieren. "Eine gemeinsame Einlagensicherung für alle Banken Europas, unabhängig von ihren Sicherungsmechanismen, kann auch in Zukunft keine Lösung sein", sagte GVB-Präsident Gregor Scheller. In der nächsten Legislaturperiode müsse zuerst der Review des Krisenmanagements für Banken und Sparkassen (CMDI) abgeschlossen werden. "Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken stehen als tragende Säulen für ein stabiles Finanzsystem, das den Wirtschaftsstandort Deutschland stützt. Sie leben dabei ein besonderes Stück Stabilität, weil sie durch ihre Institutssicherungssysteme Insolvenzen der regionalen Institute verhindern. Sie betreiben damit Prävention, die Einlagensicherungsfälle infolge von Insolvenzen wirkungsvoll verhindert, und das muss auch so bleiben“, mahnte deshalb auch SVB-Präsident Matthias Dießl.

Dabei werden uns jedoch die Themen EDIS und CMDI auch nach der Europawahl erhalten bleiben. Anders als in der Bundesrepublik gilt auf EU-Ebene nicht der Grundsatz der Diskontinuität. Nach der Wahl des EU-Parlaments und der Besetzung der EU-Kommission werden die Regulierungsvorhaben von der gleichen Stelle aus fortgeführt und müssen nicht neu eingebracht werden. Das gilt auch für die CMDI-Review, die in der zurückliegenden Woche auf der letzten Sitzung vor der Europawahl vom EU-Parlament freigegeben wurde. Damit ist hier der Weg bereitet für die abschließenden Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Kommission und Rat nach der Parlamentswahl möglicherweise schon im Herbst. Das gefährdet die deutsche Bankenlandschaft! „Der vom Europäischen Parlament eingeschlagene Weg würde die Leistungsfähigkeit der bewährten nationalen einlagenbezogenen Sicherungssysteme erheblich beeinträchtigen. Damit wären Strukturen des deutschen Bankenmarktes und insbesondere die Existenz der kleinen und mittleren Institute gefährdet. Zusätzlich besteht die Gefahr von Fehlanreizen (moral hazard) und einer Beeinträchtigung der Finanzstabilität insgesamt“, unterstreicht Karolin Schriever, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV als Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft. Und auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der als einer der ersten reagiert, sieht insbesondere kleine und mittleren Kreditinstitute unnötig hohen Belastungen ausgesetzt: „Unter den bayerischen Sparkassen, Genossenschafts- und Privatbanken befinden sich viele kleine und mittlere Institute. Die verschärften Anforderungen an das Krisenmanagement fördern weniger das Vertrauen, sondern führen nur zu höheren Kosten. Gerade Banken mit begrenzten Ressourcen und kleineren Kundenstämmen könnten ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die zusätzlichen Anforderungen nehmen ihnen die Flexibilität und benachteiligen sie im Vergleich zu größeren Instituten. Bereits heute werden immer mehr Filialen geschlossen. Die regionalen Sparkassen,  Genossenschafts- und Privatbanken sind häufig die erste Anlaufstelle für alle Finanzierungsfragen. Das ist eine große Stärke des Bankenmarkts in Bayern und wichtig für die Bürgerinnen und Bürger.“

Zudem dürfte dann auch noch die viel beschworene Kapitalmarktunion auf die Sparkassen und Genobanken zurollen, die den Wettbewerb zu den großen Konzernbanken nochmals verschärfen dürfte. "Die Kapitalmarktunion ist so weit oben auf der europapolitischen Agenda wie seit Jahren nicht – wir begrüßen das ausdrücklich. Das Thema darf nach den Europawahlen nicht wieder in den Hintergrund treten. Vielmehr setzen wir darauf, dass nun tatsächlich zwei Gänge höher geschaltet wird", sagte Christian Sewing, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) und VV Deutsche Bank AG. Die Staats- und Regierungschefs hatten das Thema Kapitalmarktunion auf ihrem jüngsten Treffen am 18.04.2024 als Wachstumshemmnis ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt – statt sich aufgrund ihrer Steuer- und Wirtschaftspolitik an die eigene Nase zu fassen. Ziel ist es, gemeinsame Regeln für die 27 nationalen Kapitalmärkte zu schaffen u. a. durch  ++ Vereinheitlichung des Insolvenzrechtes  ++ die verbesserte Verbriefung von Krediten  ++ eine effizientere Finanzaufsicht und Schaffung einer zentralen EU-Aufsicht  ++ und ein europäisches Anlageprodukt für Kleinanleger.

'Bi'-Fazit: Die EDIS-Pläne zur EU-weiten Vergemeinschaftung der von Sparkassen sowie den Genobanken angesparten Vermögen ihrer Sicherheitseinrichtungen wurden vom ECON-Ausschuss erst einmal in eine Warteschleife geschickt. Nun gilt es weitere Unterstützer zu finden, um die bewährten Sicherungseinrichtungen auf deutscher Ebene zu erhalten. Das gilt auch für den durch die CMDI-Reform gefährdeten Grundsatz 'Sanierung vor Abwicklung'. Viel Arbeit also für die Verbände auf allen Ebenen!

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