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Beim OLG Karlsruhe ist die spontane Anzeigepflicht vom Tisch

Am 15.03. fand beim Oberlandesgericht Karlsruhe die Verhandlung im Berufungsverfahren (Az.: 12 U 156/16) zum Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 08.11.2016 (Az.: 2 O 90/16) statt. ‚versicherungstip’ war für Sie vor Ort. Wir können nun unser Rechercheergebnis (vgl. ‚vt’ 11/18) als zutreffend konstatieren, dass es sich bei dem beklagten Versicherer um die Delta Lloyd Leben handelt, die das Neugeschäft 2010 einstellte und in den Run-Off ging (vgl. ‚vt’ 36/10) und seit November 2015 als Athene Lebensversicherung AG firmiert. Das LG Heidelberg sah die Vertragsanfechtung als begründet an, „weil der Kläger arglistig gefahrerhebliche Umstände, zu deren Offenbarung er nach Treu und Glauben verpflichtet war, verschwiegen hat“. Der Kunde hätte seine Multiple Sklerose-Erkrankung ungefragt angeben müssen, denn „beim Abschluss von Verträgen besteht grundsätzlich eine Offenbarungspflicht über solche Umstände, hinsichtlich derer der Vertragspartner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte“ (vgl. ‚vt’ 41/17). Die vom LG Heidelberg wiedergeborene, obwohl seit 2008 durch das VVG eigentlich abgeschaffte, spontane Anzeigepflicht ist beim OLG Karlsruhe aber überhaupt kein Thema. Demnach folgt der 12. Zivilsenat der Rechtsauffassung des LG Heidelberg zur spontanen Anzeigepflicht nicht!

Wie das Verfahren für den VN ausgeht, bleibt aber noch offen. Denn dem Senat geht es um die Klärung, ob der Kläger bei der Antragstellung bereits durch seine Beeinträchtigung dienstunfähig gewesen ist und deshalb eine arglistige Täuschung vorliegt (§ 22 VVG). Im Rahmen der Beweisaufnahme erläuterte der vom Gericht mit der Erstellung eines neurologischen Gutachtens beauftragte Sachverständige zunächst die erdrückende Schwere der Erkrankung. Damit drängte sich der Eindruck auf, dass der Kläger bereits bei Antragstellung wusste, dass er eigentlich nicht mehr in seinem Beruf ausreichend arbeitsfähig und dem Grunde nach bereits dienstunfähig war. Wäre der VN bereits bei Antragstellung dienstunfähig gewesen, dürfte eine arglistige Täuschung vorliegen. Doch die hätte nichts mit der vom LG Heidelberg angenommenen spontanen Anzeigepflichtverletzung zu tun.

Bei der Sachverständigenbefragung machten die Nachfragen des Klägeranwaltes dann u. E. aber deutlich, dass sich das Gutachten an wichtigen Punkten zwar auf die früheren medizinischen Befunde stützte, doch durch Berücksichtigung des üblichen Krankheitsverlaufs und deren Auswirkungen auf die Einschränkungen des Betroffenen zum Zeitpunkt der Antragstellung schloss. Aber zum einen kann es vom üblichen Krankheitsverlauf auch positive Ausnahmen geben, zum anderen gab es vor Antragstellung einen Befund, der weniger starke Einschränkungen bescheinigte als frühere Befunde. Nach unserer Auffassung konnte das Gutachten nicht zweifelsfrei belegen, dass der VN zum Antragszeitpunkt bereits dienstunfähig war, und erst recht nicht, dass der VN bei Vorliegen einer Dienstunfähigkeit beim Dienstherrn nicht anderweitig einsetzbar gewesen wäre, so dass die Beeinträchtigungen keine Auswirkungen auf die neue Tätigkeit hätten. Da der Vorsitzende Richter sich so äußerte, dass der Senat nach allen Seiten offen sei, bleibt nun abzuwarten, zu welchem Ergebnis das OLG nach intensiver Beratung kommt. Die beiden Parteien können sich bis Mitte April mit weiteren Schriftsätzen zur Sache äußern. Ein weiteres bzw. ein Gegengutachten erscheint nicht ausgeschlossen.

‚vt’-Fazit: Das OLG Karlsruhe folgt der Rechtsauffassung des LG Heidelberg, es gäbe eine spontane Anzeigepflicht, nicht. Demnach wird es auch kein Urteil zur spontanen Anzeigepflicht geben, also auch kein höchstrichterliches. Abzuwarten bleibt aber, wie klar und in welchem Umfang sich das OLG bei der Urteilsbegründung zu der von der Vorinstanz angenommenen spontanen Anzeigepflicht äußert. Da bleiben wir für Sie am Ball.

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