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DKV/Ergo droht Kunden: Vertragswidrige Einstellung der KTG-Leistungen

Die Deutsche Krankenversicherung AG (DKV) hat einen Selbständigen in einen KTG-Tarif mit niedrigerer Prämie für Angestellte gesteckt, obwohl der Kunde bei Beantragung seine Selbständigkeit angegeben hat. Diesen Fehler stellt die DKV fest, als nach einem Schlaganfall des VN der Leistungsfall eintritt. Die Ergo-Tochter setzt den VN unter Druck und stellt die KTG-Auszahlung ohne Angabe von Rechtsgründen ein. Die Staatsanwaltschaft prüft bereits: Manfred Lenninghausen aus Burscheid ist seit 1994 Privatversicherter. Damals bei der Globale Krankenversicherungs-AG, die 2004 von der DKV übernommen wurde. Bereits seit 1982 ist Lenninghausen in der Versicherungsbranche tätig, seinerzeit bei der Gerling-Versicherungsgruppe. 2002 machte er sich als Versicherungsmakler selbständig. „Damals habe ich meinen Vertrag auf Selbstständig und das Krankentagegeld ab dem 273. Tag auf ab dem 43. Tag umgestellt“, schildert Lenninghausen am ‚vt’-Draht. Dabei macht er Pausen und sucht nach den richtigen Worten. Denn Ende Februar traf den Burscheider ein schwerer Schicksalsschlag, er erlitt mehrere Schlaganfälle. Es folgte zunächst ein zweiwöchiger Aufenthalt in der Klinik Schlebusch/Leverkusen, danach über 2 Monate in der Celenus Klinik für Neurologie im Sauerland. Manfred Lenninghausen kämpft sich zurück ins Leben, noch heute nimmt er täglich Logopädiestunden. So wird es kontinuierlich in kleinen Schritten besser. Er ist überzeugt und zeigt sich kämpferisch, dass er in einigen Monaten wieder seiner Tätigkeit als Versicherungsmakler so wie vor seiner Erkrankung nachgehen kann. Kämpfen muss Lenninghausen allerdings auch mit seinem Krankenversicherer, der DKV. Denn die Ergo-Tochter stellte Ende Mai bei der Schadensprüfung fest, dass ihr Kunde seit 01.01.2012 eine KTG-Versicherung für Angestellte hat. Tatsächlich wurde damals die PKV umgestellt. Denn der Versicherungsnehmer wollte seine Prämie mittels § 204 VVG reduzieren und bat 2011 um Angebote. Die Vertragumstellung erfolgte zu Beginn 2012. Warum die DKV ihrem selbstständigen Kunden einen Angestellten-Tarif anbot und policierte, ist nicht nachvollziehbar. Auf dem Antragsformular hat Lenninghausen wahrheitsgemäß zu seinen Angaben ‚Selbstständiger’ angekreuzt. Ebenso kreuzte er bei den zusätzlichen Angaben für die Beantragung der KTG-Versicherung ‚Selbstständiger’ an. Die DKV räumt auch ihren „Fehler“ ein, die Selbstständigkeits-Angabe „übersehen“ zu haben. Doch die Ergo-Tochter will nicht zu ihrem Fehler stehen. Die Folgen soll der Kunde ausbaden und rückwirkend zum 01.03.2017 einer Beitragserhöhung um 150 % zustimmen: Lenninghausen zahlte zuletzt eine KTG-Prämie von monatlich 46,36 €, das ‚Angebot’ beläuft sich auf 115,58 €.

„Zur Fortführung der Krankentagegeldversicherung ist aktuell eine Tarifkorrektur erforderlich“, teilt ihm die DKV mit, ohne über vertragliche oder gesetzliche Regelungen, die das Ansinnen des Versicherers legitimieren, aufzuklären. Damit er ‚freiwillig’ rund 70 € monatlich mehr bezahlt als bisher, unterbreitet man ihm ein „Angebot zur Umstellung des Vertrages“. Das Ansinnen möchte der Erkrankte rechtlich prüfen lassen und bittet die DKV dafür um Verständnis. Denn er hätte die zum 01.01.2012 vorgenommene Tarifumstellung nicht vollzogen, sondern sich um Alternativen bemüht, wenn er die nun von der DKV geforderte Prämienhöhe gekannt hätte. Daraufhin eröffnet die Ergo-Tochter ungeachtet des eigenen Fehlers und der schwierigen Lage des Kunden brutal und rücksichtslos das Feuer: Die DKV setzt eine Frist bis zum 31.07.2017 und droht, man werde die KTG-Versicherung rückwirkend zum 01.03.2017 beenden. Die bereits geleisteten Zahlungen für den Zeitraum 01.03. bis 30.05.2017 in Höhe von rund 6.600 € werde man zurückfordern. Der Patient wird unter zusätzlichen Stress gesetzt durch die Ankündigung, man werde „zunächst keine weiteren Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung auszahlen“. So dreht man einem rechts- und vertragstreuen Kunden den Strom ab.

Erneut werden keinerlei Angaben gemacht, auf welchen vertraglichen oder gesetzlichen Grundlagen diese Entscheidungen beruhen. Lenninghausen ist schockiert, es folgen schlaflose Nächte, sein Gesundheitszustand leidet. Schließlich wendet es sich an seinen Berufsverband IGVM – Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler und schaltet die ‚vt’-Redaktion ein. Nach Sichtung der Unterlagen konfrontieren wir umgehend DKV-Chef Dr. Clemens Muth mit dem Sachverhalt und fordern eine Stellungnahme ab. Hat Herr Lenninghausen im Zuge der Angebotsabfrage oder des Antrags Falschangaben zum Arbeitnehmer-/Selbstständigen-Status gemacht? Hätte er bei dem von ihm angenommen Angebot oder der Police erkennen müssen, dass die DKV (irrtümlich) einen Angestellten-Tarif angeboten hat? Auf Basis welcher gesetzlichen und/oder vertraglichen Grundlage erkennt die DKV ein Recht zur ordentlichen oder zu einer außerordentlichen Kündigung, der Einstellung sowie der Rückforderung der KTG-Leistungen? Unseren zur Aufklärung beitragenden Fragen fügen wir gleich eine Schweigepflichtentbindungserklärung des VN bei. Doch selbst die einfachsten Fragen will Ergo nicht beantworten: „Leider gehen Ihre Fragen weit über den üblichen Rahmen einer Presseanfrage hinaus, daher sehe“ man sich „nicht in der Lage, diese zu beantworten“. Man wolle aber „eine gute Lösung für das Problem finden“. Daher werde man „den Fall gründlich prüfen und dann bei Herrn Lenninghausen direkt melden“. Offenbar ist es der Ergo nicht recht, dass das Verhalten des Versicherers Thema der Presse wird. Für uns ist das eine unerklärliche Auskunftsverweigerung. Bei einer so gravierenden Leistungsverweigerungs-Androhung sollte man davon ausgehen dürfen, dass in der Sachbearbeitung die Entscheidung und Drohung auf fundierter rechtlicher Basis erfolgte. Die könne man dann auch mitteilen, lassen wir die Ergo wissen. Möglicherweise hat es aber üble Gründe, warum weder der VN noch ‚vt’ über die rechtlichen Motive informiert werden. Gibt es gar keine und der schwer kranke Kunde wird gezielt unter Druck gesetzt, damit er ohne rechtliche Verpflichtung ‚freiwillig’ ein ‚Angebot’ unterschreibt, mit dem er sich zukünftig deutlich schlechter stellt als bisher? Wilfried Simon, 1. stellvertretender IGVM-Vorsitzender, erläutert: „In den Bedingungen ist der Verzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht dann vorgesehen, wenn der Vertrag drei Jahre besteht. Dies trifft hier zu. Einen Grund zur außerordentlichen Kündigung sehe ich in dem hier zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht, denn der Fehler der falschen Tarifofferte liegt ausschließlich bei der DKV.“ Auch die inzwischen mandatierte RAin und Fachanwältin für Versicherungsrecht Kathrin Pagel, Partnerin in der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte/Hamburg, bestätigt, „es ist nicht erkennbar, auf welche rechtliche Grundlage die DKV die Vertragsänderung stützen möchte“, wie uns Versicherungsmakler Lenninghausen mitteilt. Die Staatanwaltschaft Köln hat mittlerweile unter dem Aktenzeichen 951 Js 1791/17 ein Verfahren eingeleitet.

‚vt’-Fazit: # Ein Verschulden des Kunden an der fehlerhaften Tarifierung ist nicht ersichtlich, ebenso wenig ein Rechtsanspruch der DKV auf Vertragsänderung. Die Ergo wird sich nicht mehr lange über die u. E. fehlende rechtliche Basis ihrer Androhung der Vertrageinstellung, Leistungsrückforderung und Leistungsverweigerung ausschweigen können # Wie sich diese angesichts des Gesundheitszustandes von Herrn Lenninghausen moralisch verwerfliche Vorgehensweise mit dem GDV-Verhaltenskodex vereinbaren lässt, hat uns die Ergo nicht beantwortet. Massive Drohungen statt rechtliche Aufklärung orientieren sich nicht an den Bedürfnissen des Kunden und stellen diese auch nicht in den Mittelpunkt des Handelns ll Ob die als Nötigung empfundene Drohung auch eine strafrechtlich relevante Nötigung ist, entscheidet nun die StA Köln.

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