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EU-Parlament schließt sich ECON an und ändert Provisionsverbot in RIS

In der ‚vt‘-Ausgabe der Vorwoche lieferten wir Ihnen einen Überblick zur Entwicklung bei der von der EU-Kommission geplanten Retail Investment Strategy (EU-Kleinanlegerstrategie), bis hin zur Abstimmung des Währungs- und Wirtschaftsausschusses des Europäischen Parlaments (ECON) am 20.03.2024. Der hatte sich gegen die Einführung von EU-weiten Provisionsverboten ausgesprochen.

Das fand am 23.04. im EU-Parlament seinen erfolgreichen Fortgang: In der letzten Sitzungswoche (22.–25.04.) der Legislaturperiode vor den vom 06.–09.06. anstehenden Europawahlen musste das EU-Parlament noch einmal richtig ran und über zahlreiche Regulierungsvorhaben entscheiden. Dabei haben die Parlamentarier die RIS, mit einigen wesentlichen Änderungsvorschlägen versehen, weitergeleitet.

Bereits im vergangenen Herbst hatte sich die beim ECON zuständige Berichterstatterin Stéphanie Yon-Courtin klar gegen das von der EU-Kommission vorgesehene Teilprovisionsverbot auch im Falle von reinen Ausführungsgeschäften positioniert (vgl. ‚vt‘ 41/23: „EU-Parlament mit wichtigem Schritt weg vom Provisionsverbot der EU-Kommission“). Hilfreich zur Seite sprang fraktionsübergreifend MdEP Markus Ferber, Koordinator der EVP-Fraktion im ECON. Mit Erfolg, denn so hatte sich der Ausschuss mehrheitlich u. a. gegen das vorgesehene Teilprovisionsverbot sowie gegen ein geplantes (Kosten-)Benchmarkverfahren für Finanzprodukte ausgesprochen (vgl. ‚vt‘ 13/24).

Zudem haben MdEP Ferber und MdEP Ralf Seekatz eine wichtige Klarstellung zu dem als Folge des geplanten Artikels 30, Abs. 5b IDD-Entwurf drohenden Provisionsverbots für Versicherungsmakler initiiert. Aufgrund der wenig sachlichen Kampagnen der Fraktion der Sozialisten war die Entscheidung des EU-Parlaments allerdings fraglich. Am 23.04. hat das Parlament in seiner Sitzung in Straßburg aber mit 353 Stimmen bei 230 Gegenstimmen und 21 Enthaltungen mehrheitlich beschlossen, den Bericht des zuständigen ECON-Ausschusses vom März als Grundlage für die weiteren Verhandlungen zu verwenden.

Das Parlament übernimmt damit die ECON-Vorlage vom 20.03.2024. Artikel 29a sieht laut ECON-Be­richt vor (dortige EU-Übersetzung): „Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein Versicherungsvermittler (…), der (…) Versicherungsanlageprodukte vertreibt, wenn er (…) dem Kunden mitteilt, dass die Beratung ungebunden erfolgt, (…) für die Erbringung der Dienstleistung an die Kunden keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre und nichtmonetäre Vorteile einer dritten Partei oder einer Person, die im Namen einer dritten Partei handelt, annimmt und behält.“

Nun aber mit folgender Ergänzung: „Dieser Absatz hindert Versicherungsvermittler, die aufgrund ihres Rechtsstatus als unabhängig eingestuft werden, nicht daran, sich als nicht vertraglich an ein bestimmtes Versicherungsunternehmen gebunden darzustellen, wenn sie darauf hinweisen, dass sie Anreize erhalten.“

Wie sich Beschluss und Abstimmung auswirken könnten, ordnete MdEP Ferber im Austausch mit der von ‚vt‘ koordinierten Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) so ein: „Ich bin grundsätzlich mit dem Ausgang der Verhandlungen und der Abstimmung zur Kleinanlegerstrategie sehr zufrieden. Es ist gelungen, einen schwierigen Kommissionsvorschlag an vielen Stellen entscheidend zu verbessern. Die EP-Position stellt sowohl für die betroffenen Intermediäre eine Verbesserung dar als auch für die Kleinanleger.“

AfW-Vorstand Frank Rottenbacher begrüßt die Weichenstellungen des EU-Parlaments ausdrücklich: „Mit der Entscheidung in Straßburg sind die europäischen Institutionen am Dienstag auf die Zielgerade des Gesetzgebungsverfahrens zu dem für unsere Branche so wichtigen Themas Kleinanlegerstrategie eingebogen. Wir wünschen den Verhandlungsteams der drei Institutionen gute Beratungen und den Willen zu einem Kompromiss. Dieser sollte möglichst nah an dem bleiben, was der ECON-Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Parlaments im März beschlossen hat.“

Doch bis zum Abschluss werden noch einige Monate vergehen. Mit der Abstimmung im EU-Parlament wurde der sogenannte Trilog zwischen den EU-Institutionen aufs Gleis gesetzt. Konkret müssen sich nun EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission im Rahmen des Trilogs auf gemeinsame Formulierungen einigen. Aufgrund der geplanten Regelungen der Kommission und der deutlichen Änderungen mit dem Parlaments-Beschluss steht größerer Einigungsbedarf an.

Nach den Wahlen im Juni muss sich das EU-Parlament erst einmal konstituieren und die Ausschüsse neu besetzen. Dann dürfte auch die ein oder andere EU-Kommissarin bzw. EU-Kommissar wechseln. Anders als im bundesdeutschen Recht, in dem nach dem Grundsatz der Diskontinuität ein nicht abgeschlossener Gesetzentwurf neu eingebracht werden muss, kann bei der EU das Verfahren bei dem letzten Entwurfsstand fortgesetzt werden. Der jetzt eröffnete Trilog kann also dann an dem vor der Wahl erreichten Verhandlungsstand fortgesetzt werden.

‚vt‘-Fazit: Das EU-Parlament hat auch dank der deutschen EVP-Abgeordneten Ferber und Seekatz wichtige Änderungen und Klarstellungen am verunglückten Entwurf der EU-Kommission eingebracht. Da sich jedoch im Rahmen des Trilogs die drei EU-Institutionen Parlament, Kommission und Rat auf einen gemeinsamen Entwurf einigen müssen, ist das kein Selbstläufer.

Aktuell festzuhalten ist aber, dass sich nach den von der EU-Kommission geplanten Regelungen mit gravierenden Folgen für die Branche und insbesondere Versicherungsmakler nun alles in die richtige Richtung entwickelt. Gleichwohl rechnen wir mit schwierigen Verhandlungen. Wir setzen uns daher weiterhin für ideologiefreie Regelungen ein, damit auch künftig die sinnvolle Wahlfreiheit zwischen Provision bzw. Honorar im Interesse von Verbrauchern und unabhängigen Vermittlern erhalten bleibt.

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