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FAZ stellt Finanzbranche pauschal in kriminelle Ecke

"Nepper, Schlepper, Bauernfänger", betitelte die FAZ am Dienstag dieser Woche ihren Finanzteil. Der selbsternannte 'Finanzanalytiker' Volker Looman befasst sich dort unter dieser Überschrift mit fondsgebundenen Rentenversicherungen und feuert dabei eine Salve von Beschimpfungen und Unterstellungen gegen Versicherungen und Finanzdienstleister ab. Anhand einer Muster-Police, bei der ein 50jähriger 500.000 € als Einmalanlage in eine fondsgebundene Rentenversicherung mit 15jähriger Laufzeit investiert, platzt Looman der Kragen: Es sei ein "Meisterstück der Gebührenschinderei" und "Wegelagerei", dass bei dieser Versicherung 28 % an Kosten des Anlagebetrages anfallen. Auf die genauen Versicherungsbedingungen geht Looman dabei aber gar nicht ein, sondern erwähnt nur, dass ein Wahlrecht zwischen Einmalauszahlung und lebenslanger Rente besteht. Die Empörung über die angeblich skandalösen 28 % Kosten wurde natürlich direkt bspw. in den sozialen Medien unreflektiert von Verbraucherschützern mit Applaus bedacht, um das beliebte Vorurteil zu pflegen, dass in der Versicherungs- und Finanzbranche nur Gauner rumlaufen.

Schaut man allerdings genauer hin, relativiert sich diese pauschale Kritik sofort: Bei den 28 % Kosten handelt es sich um die rechnerischen Kosten der gesamten Laufzeit und aller Ebenen: Aufs Jahr umgelegt ergibt sich eine Kostenquote von 1,87 % p. a. des Anlagebetrages. Bei einem 'mehrstöckigen' Produkt mit Rentenversicherungskomponente und der relativ kurzen Laufzeit für ein Altersvorsorgeprodukt fragen wir uns, wo hier überhaupt der Skandal ist? Anders als durch die Aufmachung des Artikels suggeriert, betragen die Vertriebs- und reinen Versicherungskosten bei diesem (fiktiven?) Musterbeispiel anfänglich 'nur' 6,9 % des Anlagebetrages sowie 0,29 % jährlich. Hinzu kommen die laufenden "fondsspezifischen Kosten" des Fondskorbes, die Looman mit 1,11 % p. a. ansetzt. Um diese optisch aufzublasen, wendet Looman einen Taschenspielertrick an: Er entwirft eine ideale Welt ohne Kosten und Steuern und verzinst den Anlagebetrag von 500.000 € jährlich mit 5 %, also klassische Zinseszins-Rechnung. Die Differenz dieses Ertrages zur Wertentwicklung der Versicherung (bei gleicher Wertentwicklung von 5 % p. a., aber nach Kosten) legt er aufs Jahr um, was bei 15 Jahren Laufzeit ca. 16.000 € p. a. ergibt. Nun verliert Looman endgültig die Contenance, "weil sich die werten Damen und Herren jährlich 16.000 € in ihre Taschen stecken. Können Sie sich das leisten, liebe Leser, wollen Sie sich das wirklich antun?"

Der Trick dabei: Ein hoher Betrag von 500.000 €, der sich über 15 Jahre mit 5 % gut verzinst inkl. Zinseszins, ergibt eine entsprechend steigende Bezugsgröße, so dass durch diese Dynamik die Fondskosten in absoluten Beträgen optisch natürlich hoch erscheinen. Legt man jedoch diese Sichtweise Loomans zugrunde, sinkt allerdings die Kostenquote der Versicherung auf 1,57 % p. a., was dieser geflissentlich verschweigt. Damit würde schließlich der Sturm der Entrüstung zu einem Sturm im Wasserglas werden: 1,57 % ist der Anteil bzw. der Minderertrag, um den der Gesamterfolg der Anlage bei der unterstellten Verzinsung pro Jahr aufgrund der Abschluss- und laufenden Kosten abnimmt. Vielleicht ist dies noch kein Schnäppchen, aber noch lange kein Grund, wie Looman in die Wirtshaussprache zu wechseln. Zudem müssen die Kosten im Kontext der Leistungen gesehen werden, die man dafür erhält: Auf die Möglichkeit vieler Rentenversicherungen, den Fondskorb selbst auszuwählen und bspw. günstigere Fonds/ETF auszuwählen, geht Looman gar nicht ein. Ebensowenig auf mögliche Garantie- und Hinterbliebenenschutzkomponenten, steuerliche Effekte sowie die Vorteile einer Rentenkomponente zur Absicherung gegen ein 'Langlebigkeitsrisiko'.

Loomans einziger Alternativratschlag ist jedoch die 'Altersvorsorge für Mutige', von der er selbst einräumt, dass es nichts für die breite Masse ist: "So sehr ich Aktien liebe, so genau weiß ich, dass Aktien für die meisten von Ihnen gar nicht in Frage kommen, weil Sie einfach nicht die Nerven haben, die Berg-und-Tal-Fahrten an der Börse auszuhalten. Das ist ja nicht weiter schlimm, nur wenn es so ist, dann sollten Sie Ihr finanzielles Heil nicht gerade in teueren Fondspolicen suchen, weil Sie hier nach allen Regeln der Kunst aufs Kreuz gelegt werden. Wenn Sie wirklich den Mut haben, die 500.000 Euro in Aktien und Anleihen zu stecken, dann machen Sie es bitte besser. Gehen Sie zu einer Direktbank, eröffnen Sie ein Konto, und investieren Sie die 500.000 Euro zu einem Drittel in einen Indexfonds mit Anleihen und zu zwei Dritteln in einen Indexfonds mit Aktien." Gewiss, diese Lösung, die dem 'Finanztest'-Pantoffel-Portfolio ähnelt, ist billiger: Der Anlagebetrag wird nicht durch die Abschlusskosten belastet und die laufenden Fondskosten sind wahrscheinlich geringer. Looman setzt für Indexfonds 0,2 % p. a. an, gibt den absoluten Betrag der ETF-Kosten jedoch fälschlicherweise zu niedrig an. Aber ist die billigere Lösung auch die bessere? Das kann niemand wissen. Gerade bei Rentenbeginn kommt es bei passiven 'Strategien', wie Looman sie hier propagiert, auf das Börsentiming, also auch auf Glück an. Reicht das mit Indexfonds angesparte Kapital bis zum Lebensende? Wer weniger Lotterie will, nimmt eine Versicherung und ggf. höhere Kosten in Kauf.

'k-mi'-Fazit: Bei Loomans Effekthascherei handelt es sich um den alten Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen: Eine Versicherungslösung ist etwas anderes als einfach nur Kapital anzusparen und zu hoffen, dass es im Alter ausreicht, was viele Gerichte im Rahmen einer Altersvorsorgeberatung als Fehlberatung ansehen würden. Ob eine fondsgebundene Rentenversicherung zur Altersvorsorge geeignet ist, hängt u. a. von der persönlichen Situation des Kunden ab. Entscheidet sich ein Kunde gegen eine fondsgebundene Rentenversicherung, kann dies gute Gründe haben. Aber die Versicherungs-Alternative hier faktisch zu kriminalisieren und zu dämonisieren, nur weil sie höhere Kosten hat, wie Looman das in der FAZ vorexerziert, ist der eigentliche Skandal. Auch der FAZ unterläuft hier ein folgenschwerer Denkfehler. In einem zeitgleich erschienenen Artikel in der FAZ wird suggeriert, dass man für die Altersvorsorge nur die Grundrechenarten beherrschen muss: "Theoretisch würde es für die Altersvorsorge reichen, im Mathematikunterricht aufzupassen." Wenn dies darauf hinausläuft, für die Altersvorsorge immer nur das Billigste auszuwählen, hätte Finanzbildung an Schulen erst recht versagt!

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