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IDD-Umsetzung: Torpediert Verbraucherschutz und Versicherungsmakler - Vom Sachwalter des Kunden zum Erfüllungsgehilfen der Versicherer

Am Montagnachmittag letzter Woche übermittelte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) den brandaktuellen Referentenentwurf „für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den Versicherungsvertrieb“ (IDD) an uns sowie weitere Sachverständige zur Stellungnahme, und bereits am Dienstag führten wir in Berlin erste konstruktive Gespräche mit in das weitere Gesetzgebungsverfahren involvierten Bundestagsabgeordneten. Der Entwurf beinhaltet Regelungsdetails, die den vom Kunden mandatierten Versicherungsmakler zum vom Versicherer abhängigen Erfüllungsgehilfen machen, Verbraucherschutz wird pervertiert:  ++ Der bisherige § 6 VVG regelt die vorvertragliche (Abs. 1) und nachvertragliche (Abs. 4) Beratungspflicht des Versicherers. Bei der Vertragsvermittlung durch Versicherungsmakler (und Fernabsatz) treffen den Versicherer diese Beratungspflichten nicht (Abs. 6). Das will der Gesetzgeber ändern und streicht die Ausnahme. In der Gesetzesbegründung überrascht das BMWi mit der Auffassung, die „Ausnahme für Versicherungsmakler (…) ist nach der IDD nicht mehr zulässig“ – das steht in der IDD aber so nicht drin. Daraus resultieren, je nach vertrieblicher Versichererausrichtung, zwei unterschiedliche Folgen: Versicherer mit angestelltem Außendienst oder Ausschließlichkeitsorganisation werden ihre Vertreter auch zu den Kunden schicken, die ihnen von Versicherungsmaklern zugeführt wurden, um die Beratungspflichten zu erfüllen. Damit kommt es zu gigantischen Abwerbungsprogrammen. Maklerversicherer werden ihre Beratungspflicht durch den Makler erfüllen lassen müssen. In der Konsequenz führt das dazu, dass der Makler zum Erfüllungsgehilfen des Versicherers wird und dieser aus Haftungsgründen Zugriff auf die Beratungsdokumentation benötigt – dafür wird auch schon die BaFin sorgen. Eine umfassende Beratungsdokumentation könnte aber bspw. Gesundheitsdaten enthalten, die den (davon nicht betroffenen) Versicherer nichts angehen und ohne Einverständnis des Kunden auch nicht weitergegeben werden dürfen.

++ Hochkritisch sehen wir auch die Verschärfung bei der Beratung von Privatkunden. Das zarte Pflänzchen der Beratung und Vergütung gegen Honorar durch die vom Kunden beauftragten Versicherungsmakler hätte gegossen und gedüngt werden können, indem zum bisherigen § 34d Abs. 1, Satz 4 GewO („Versicherungsmakler“ dürfen „Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich (…) beraten“) klargestellt wird, dass dies kein Verbot ist, Privatkunden gegen gesonderte Vergütung zu beraten. Wir sehen kein Verbot darin, da u. a. das Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht erfüllt ist (hinreichende Bestimmtheit und Klarheit der Norm). Das sieht das BMWi wohl auch so, zieht aber die falschen Schlüsse und regelt (in § 34d Satz 5 GewO) neu: „Der Versicherungsvermittler darf sich seine Tätigkeit nur durch ein Versicherungsunternehmen vergüten lassen.“ Versicherungsmakler dürfen weiterhin Nicht-Verbraucher gegen gesondertes Entgelt beraten, aber Verbraucher könnten zukünftig nicht mehr vom Expertenwissen der Versicherungsmakler profitieren, wenn es bspw. um die aufwendige Bearbeitung von Schadens- und Leistungsfällen geht. Zum Nachteil der Verbraucher sollen Versicherungsmakler Privatkunden zukünftig keine Nettopolicen gegen Honorar mehr anbieten. Wenn Versicherungsmakler nur noch vom Versicherer vergütet werden dürfen, überführt der Gesetzgeber den Sachwalter des Kunden in eine starke Abhängigkeit von Versicherern und löst Existenzschwierigkeiten aus.

++ Die IDD überlässt es den Mitgliedstaaten, darüber zu entscheiden, ob Provisionen die Leitvergütung bleiben oder aber ein Provisionsverbot ausgesprochen wird. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für den Erhalt der Provisionsvermittlung entschieden, und das sollte trotz Vorstöße der EIOPA für ein Provisionsverbot durch die Hintertür (vgl. ‚vt’ 41 und 44/16) so bleiben  ++ Positiv ist die Verankerung eines „Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbotes“ in § 48b VAG  (für Versicherer) und § 34d Satz 6 GewO (für Versicherungsvermittler). Dort wird die pauschale Provisionsabgabe untersagt. Damit wird den Portalen, die darauf setzen, Ihnen Kunden gegen die Abgabe von Provisionsteilen abzugraben (und im Gegenzug auch noch die Beratung  ausschließen), die Geschäftsgrundlage entzogen. Aber: Das soll nicht gelten, „soweit die Sondervergütung zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrages verwendet wird“. Eine Ausnahmeregelung, die nur Versicherern nützt und damit zu einer Waffenungleichheit und zu Verbraucher-Ungerechtigkeiten führt. Wenn Prämien reduziert oder Leistungen erhöht werden können, dann sollte der Versicherer dies auch umsetzen – zum Wohle aller Kunden und nicht als Instrument für unfairen Wettbewerb  ++ Die Verpflichtung zur Fortbildung wird mit (leistbaren) 15 Zeitstunden jährlich in § 34d Abs. 8 Satz 2 GewO festgeschrieben. Näheres zur Ausgestaltung wird in einer Rechtsverordnung geregelt  ++ Der Versicherungsberater (§ 34e) wird durch den Honorar-Versicherungsberater (§ 34d) ersetzt und die Honorarberatung damit neu geregelt. Bei Vorrang von Nettopolicen dürfen Honorar-Versicherungsberater künftig auch verprovisionierte Produkte vermitteln, jedoch keine Provisionen selbst annehmen und der Versicherer muss gemäß § 48c VAG dem Kunden 80 % der Provision gutschreiben. Der Honorar-Versicherungsberater ist momentan ein ‚Arbeitstitel’, der sich noch ändern könnte. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz führt aktuell Verbraucherbefragungen durch  ++ In diesem Zusammenhang soll laut Erläuterungsteil „die Erlaubnisbedürftigkeit der Versicherungsberatung durch verbraucherberatende Stellen zu prüfen sein“. Wir werden nicht müde, weiterhin auch für die sogenannten ‚Verbraucherschützer’ in der Versicherungsberatung die gleichen Voraussetzungen, bspw. im Hinblick auf Qualifikation, VSH und Haftung, zu fordern.

‚vt’-Fazit: Der Referentenentwurf enthält Versicherungsmakler betreffende Detailregelungen, die den Berufsstand und den Status als Sachwalter des Kunden dramatisch in Frage stellen. Würde der Gesetzentwurf so umgesetzt, dann würde der Gesetzgeber dem Verbraucherschutz einen Bärendienst erweisen. Nachteile resultieren auch für kleine und mittelständische Versicherer, ebenso für KMU. Die BFV – Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler und ‚versicherungstip’ werden sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens als Sachverständige für den Erhalt des Berufsstandes Versicherungsmakler, Förderung des Verbraucherschutzes und Erhalt der Pluralität auf dem deutschen Versicherungsmarkt einsetzten. (Den Referentenentwurf können Sie hier herunterladen.)

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