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Intransparenter RS-Finanztest mit verbraucherunfreundlichen Gewichtungen

In der aktuellen Finanztest (08/2017) ist ein Test zu Rechtsschutzversicherungen veröffentlicht. Der wirft einige Fragen hinsichtlich der Testkriterien und deren Gewichtung auf. „Lücken mit Tücken“ titelt Finanztest den Bericht. Lücken hinsichtlich Transparenz und Tücken für Verbraucher, die sich auf die Testergebnisse stützen und in einer Falschberatung landen, stellt ‚versicherungstip‘ bei seiner Recherche fest: Zwar wird aufgeführt, dass sich die „Teilnote für die Versicherungsbedingungen aus einer Fülle von Bewertungskriterien“ ergibt, diese „Teilnote“ zu 90 % in die Gesamtbewertung einfließt und zudem die „Verständlichkeit der Versicherungsbedingungen“ mit 10 % bewertet wird. Doch welche Bewertungskriterien bei den ARB wie gewichtet wurden, ist dem Bericht nicht zu entnehmen. „Neue Verträge sind zum Teil erheblich schlechter als noch 2014“, kritisieren die Finanztester. Das liegt aber nicht an wirklich schlechteren Produkten, sondern offenkundig daran, dass die „verbraucherfreundliche Regelung des Versicherungsfalls“ und die „Einjahresregel“ mit einer immensen Gewichtung in das Ergebnis einflossen. Denn das Fehlen einer dieser beiden Kriterien hat dazu geführt, dass diverse Tarife im Vergleich zum letzten Test (Finanztest 12/2014) deutlich schlechter abschneiden und – trotz Erfüllung der Mindestvoraussetzungen – bestenfalls ‚befriedigend’ und oftmals nur ‚ausreichend’ erhalten. Die offenbar sehr hohe Gewichtung der beiden Kriterien wird nicht genannt. Wir halten das für intransparent und haben daher Finanztest-Chefredakteur Heinz Landwehr um Aufklärung gebeten. Die wird auch, zumindest teilweise, geliefert: „Das Fehlen einer verbraucherfreundlichen Regelung in Sachen Versicherungsfall und Einjahresregel wurde mit 0 Punkten (mangelhaft) bewertet. Insgesamt haben wir die verbraucherfreundliche Regelung des Versicherungsfalles und die Einjahresregel zusammen mit den Wartezeiten mit 45 % gewichtet.“ Leider sind nun hier die Wartezeiten mit reingepackt. Die dürften aber bei der Gewichtung eine untergeordnete Rolle spielen, denn während die anderen beiden Kriterien in der Testtabelle extra aufgeführt werden, ist Finanztest die Wartezeit dort keine Erwähnung wert. Das muss man sich vor Augen führen: Während die gesamten ARB mit 90 % in die Note eingehen, entfallen fast 50 % davon nur auf die beiden Kriterien ‚Einjahresregel‘ und ‚Verbraucherfreundliche Regelung‘. Das ist nicht nur abstrus, das ist u. E. ein Verbraucher in die Irre führender Skandal.

Denn bewertet wurden, wie Landwehr aufführt, „u. a. die Ausprägung folgender Leistungsbereiche: jeweils im Widerspruch bzw. Einspruchsverfahren und vor Gericht: Steuerrechtsschutz, Verwaltungsrechtsschutz, Sozialgerichtsrechtsschutz, allgemeiner Verwaltungsrechtschutz. Außerdem zum Beispiel: Strafrechtsschutz, Opferrechtsschutz, Ordnungswidrigkeitenrechtsschutz, Rechtsschutz bei Kapitalanlagestreitigkeiten, Widerruf von Darlehens- und Versicherungsverträgen, Versicherungssummen etc.“ Und all diese Leistungen zusammen haben in etwa das gleiche Gewicht wie die beiden Kriterien ‚Einjahresregel‘ und ‚Verbraucherfreundliche Regelung‘!

Aufgefallen ist uns zudem, dass die Folgeereignis-Theorie im Schadenersatz-RS in der Testdarstellung nicht aufgeführt und im Bericht nicht genannt wird. Spielt das bei Finanztest keine Rolle? Nein, bestätigt der Finanztest-Chefredakteur: „Die Kausal- und Folgeereignistheorie wurde nicht mehr berücksichtigt, da sie aus unserer Sicht nur noch eine untergeordnete Bedeutung hat. In der Praxis ist sie lediglich bei Produkthaftungsansprüchen relevant. Im Übrigen ist von der Unwirksamkeit der Kausalereignistheorie dann auszugehen, wenn die Schadensursache dem Versicherungsnehmer nicht bekannt war (vgl. BGH IV 248/01).“ Durch die bedenkliche Gewichtung sind in der Bewertung Tarife zum Teil deutlich abgerutscht bzw. höchstens mit ‚befriedigend‘ bewertet u. a. von ARAG, Auxilia, Continentale, Concordia, DEVK, DMB Rechtsschutz, Ideal, NRV, Örag, R+V und VGH. So sehen es Experten betroffener Unternehmen:  ++ Sabine Waldenmaier, Leiterin Marketing und Produkte DMB Rechtsschutz: „Rechtsschutz ist nicht schlechter geworden. Werden aber nur zwei einzelne Regelungen besonders hervorgehoben und überproportional stark gewichtet, kann schnell ein solcher Eindruck vermittelt werden. So kommt zum Beispiel die Einjahresregelung in der Praxis nur noch in ganz wenigen Fällen zur Anwendung. Wirklich wichtige Regelungen, wie die Folgeereignis-Theorie, die im Schadenersatz-Rechtsschutz den Verbraucher vor dem Risiko der Vorvertraglichkeit schützt, werden dagegen nicht angemessen berücksichtigt.“  ++ Auch Ideal-Vorstandsmitglied Dr. Arne Barinka kritisiert die Praxisferne: „Speziell dem Thema ‚Einjahresregel‘ scheint der Test ein Gewicht zu geben, das wir so in unserer Schaden-Praxis nicht erleben. Das Eigenlob des Artikels, dass einige Anbieter die Einjahresregel nach Hinweisen von Finanztest (wieder-)eingeführt haben, stimmt dabei nachdenklich: Ein gutes Testergebnis sollte doch wohl auch nach Meinung der Autoren von Finanztest nicht Selbstzweck sein?“  ++ Zur laut Finanztest „verbraucherfreundlichen Regelung des Versicherungsfalls“ meint Auxilia-Vorstand Ole Eilers: „Die neue BGH-Rechtsprechung stellt den VN nicht pauschal besser. Der ehemals versicherte Versicherungsnehmer steht gerade aufgrund der neuen BGH-Rechtsprechung nämlich manchmal ohne Versicherungsschutz da. Ein Beispiel: Der BU-Versicherer lehnt die Leistung in 2017 ab, weil bei Vertragsschluss in 2015 angebliche Vorerkrankungen nicht angegeben wurden. Wurde die damals bestehende Rechtsschutzversicherung in 2016 beendet, liegt der Versicherungsfall nach der bisherigen Rechtslage (die die Auxilia fortgeschrieben hat) im versicherten Zeitraum. Nach der BGH-Rechtsprechung bestünde kein Versicherungsschutz. Gerade die Aussage, die Definition des Versicherungsfalles gemäß BGH-Urteil sei eine ‚verbraucherfreundliche Regelung‘, ist aus unserer Sicht gefährlich und missverständlich. Dass in der Vergangenheit liegende Ereignisse auch durch unsere 5-Jahres-Klausel geschützt sind, spielt bei Finanztest übrigens gar keine Rolle.“  ++ Dr. Wolfgang Hofbauer, Vorstand DMB Rechtsschutz, weist auf die Nachteile für Verbraucher hin: „Die von Versicherern zu Recht eingeforderte Transparenz lässt dieser Finanztest-Rechtsschutz vermissen. So werden über die fragwürdige Festlegung von Bewertungskriterien Ergebnisse und Aussagen produziert, die eher zur Verunsicherung der Verbraucher führt. Schade.“

‚vt‘-Fazit: Mit dieser Gewichtungs-Politik sorgt Finanztest für schlechtere Noten und eine reißerische Überschrift. Dass der Verbraucher dadurch in die Irre geführt wird, ist ein Skandal. Leistungsstarke Tarife mit günstiger Prämie landen im Abseits, das ist grober Unfug. Versicherungsmakler sollten irritierte Kunden aufklären, dazu können Sie gerne unsere Recherche und unsere Berichte verwenden.

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