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AIG lässt Makler für Digitalisierung haftungsrelevant, aber ohne Vergütung schuften

Die AIG Europe Limited Direktion für Deutschland will mit ihren Geschäftspartnern „gemeinsam in die digitale Zukunft“ gehen. Klingt gut, doch Versicherungsmakler sollen dazu bei den Verträgen selbst Hand anlegen. Unbezahlte Arbeitszeit für die Geschäftspartner, während AIG sich die Kosten der Vertrags-Digitalisierung spart. Ein Prozedere, das zudem eine Haftungsfalle für Versicherungsmakler öffnet. Worauf Versicherungsmakler bei der verkappten Bestandssanierung achten sollten: Service sowie einfache und schnelle Prozesse sind wichtig für Versicherungsmakler. Die durch Digitalisierung zukünftig zu generierenden Kosteneinsparungen will auch die AIG heben. Doch dazu wählt sie einen höchst ungewöhnlichen Schritt, indem sie Arbeit auf Versicherungsmakler auslagert. Denn den Bestand nimmt die AIG nicht selbst in die Hand. Vielmehr werden die Geschäftspartner u. a. über die beginnende „Transformationsphase“ informiert, dass die AIG „für den Umstellungsprozess eine Kündigung des bisherigen Versicherungsvertrags aussprechen“ muss. Makler sollen online „den vorausgefüllten Vertragsvorschlag prüfen bzw. ergänzen oder ändern“. Wenn der benötigte Deckungsumfang für den neuen digitalen Vertrag steht und der neue Beitrag angezeigt wird, kann der Antrag per Mausklick auf den Weg gebracht werden und die neue Police wird erstellt. Dabei soll der Bedingungsumfang des bisherigen Vertrages im neuen Vertrag „im Rahmen der sogenannten ‚Besitzstandswahrungsklausel‘ erhalten“ bleiben. Da durch Verlust der Altverträge und Neueindeckung eines neuen Tarifs mgw. ein besserer Leistungsumfang flöten geht und sich das neue Preis-Leistungs-Verhältnis verschlechtert, ist das für uns eine verkappte Bestandssanierung im Deckmantel der Digitalisierung. Kündigungsbedingte Kundenverwirrung durch Aufklärung vorbeugen, Prüfungen, Neuanträge: Welche Vergütung zahlt die AIG den Versicherungsmaklern für die anfallenden Mehraufwendungen? Alexander Nagler, Hauptbevollmächtigter der AIG Deutschland, beantwortet die von uns an ihn gerichtete Frage so:

„Wir sind uns bewusst, dass es sich bei der Umstellung nicht einfach nur um ein ‚Durchwinken‘ der Verträge handelt. (…) Bei der Entwicklung unserer Online-Tools war es daher stets unser Anspruch, dass die digitale Bearbeitungszeit der Verträge schnell und unkompliziert abläuft, der Aufwand für den Vermittler also so gering wie möglich ist.“ Kein Wort zur Vergütung. Die AIG nutzt Versicherungsmakler als kostenfreie Hilfskräfte. Warum digitalisiert die AIG nicht selbst die Bestandsverträge? Dazu erläutert Nagler, dass „die analogen Produkte, die wir mit unseren neuen digitalen Produkten ersetzen nicht 1:1 deckungsgleich“ sind. Der Hauptbevollmächtigte weist u. a. auf verschiedene Anpassungen hin. Es handele „sich daher nicht nur um eine interne Systemumstellung, sondern um eine Änderung wesentlicher Vertragsinhalte, die mit dem Versicherungsnehmer vertraglich zu vereinbaren ist“. Zu unserer eigentlichen Frage antwortet Nagler:

„Für Makler, die daran Interesse haben, gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, bestehende Verträge von uns digitalisieren zu lassen. Wenn das für einen Vermittler relevant ist, kann er sich gerne mit uns in Verbindung setzen.“ Auf unsere Nachfrage heißt es, diese „‚en bloc’-Umstellung ist kostenfrei“. Lichten wir den Digitalisierungs-Nebel und fassen zusammen: Es gibt keine Möglichkeit, die jetzigen Verträge zu behalten. Die bisherigen Verträge werden gekündigt und sollen auf einen neuen Tarif mit neuer Prämie umgestellt werden. Wir kennen so etwas unter dem Begriff ‚Bestandssanierung’. Die Haftungsflanke eröffnet sich für Versicherungsmakler an zwei Fronten: Verschlechterungen durch die Umstellung greifen nach drei Jahren und dürfen nicht übersehen werden. Wer die Neueindeckung der von AIG gekündigten Verträge gar versäumt, der steht im Schadenfall beim Kunden vollends im Regen. Denn die von ‚vt’ angefragte Patronatserklärung gibt AIG nicht ab, Nagler verweist nur auf die ‚en bloc’-Umstellung „im Listenverfahren“. Wilfried E. Simon, 1. stv. Vorsitzender der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler (IGVM), moniert: „Die Aktion der AIG müssen Versicherungsmakler insbesondere deshalb kritisch betrachten, weil die ‚Besitzstandsklausel’ nur zeitlich befristet gilt. Unter den gegebenen Umständen sollten Versicherungsmakler ernsthaft überlegen, ob sie ihren Mandanten nicht die eigenständige Kündigung empfehlen und zwei bis drei Monate vor Ablauf eine Marktanalyse vornehmen. Stimmt die Leistung der AIG mit dem Bedarf des VN überein und gestaltet sich die Prämie im Vergleich zum Markt angemessen, dürfte nichts dagegen sprechen, den Neuvertrag wieder bei der AIG in Deckung zu geben. Kommt eine Umdeckung zu einem anderen Anbieter in Betracht, dürfte es von Vorteil sein, dass im Antrag/Deckungsaufgabe die Kündigung durch den VN angegeben werden kann.“ Alternativen gibt es, wie Martin Gräfer, Vorstand die Bayerische, am eigenen Beispiel aufzeigt: „die Bayerische hat in den vergangenen Jahren ihr Produktangebot im Bereich privater und gewerblicher Lösungen fundamental überarbeitet und bietet heute in nahezu allen Bereichen Produkte, die im Spitzenfeld des Marktes liegen. Strategisch legen wir auf die nachhaltige und langfristige Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern besonderen Wert. Insofern bieten wir auch im Bedarfsfall Lösungen an, die es dem Makler ermöglichen Bestände zu optimieren. Dabei legen wir Wert auf möglichst einfache Prozesse und mit weitestgehenden Zusicherungen hinsichtlich einer Prüfung des AVB-Abgleichs. Wir stehen hier gerne zur Verfügung und freuen uns auf Anfragen.“

‚vt’-Fazit: Unter ‚Digitalisierung’ kaschiert AIG eine Bestandssanierung mit haftungsrelevanten Folgen für Versicherungsmakler, die obendrein vergütungsfrei Arbeit der AIG abnehmen sollen. Ein mittelständischer Versicherer, der zukünftig noch mit Maklern zusammenarbeiten will, wäre wohl weg vom Fenster. Womit die Frage offen bleibt, was man aus dem jetzigen Umgang für die zukünftige ‚Geschäftspartnerschaft’ der AIG ableiten kann. Da wird es nicht verwundern, wenn Makler den jetzigen Aufwand gleich nutzen (und diesen nicht nach Ablauf der ‚Besitzstandswahrungsklausel’ erneut betreiben) um die Verträge bei anderen Versicherern unterzubringen.

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