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Basler lässt Kunden trotz wahrheitsgemäß beantworteter Fragen leer ausgehen

Düsseldorf, 17.01.2018. Einige Lebensversicherer bieten im Rahmen von Aktionen Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU) mit reduzierten Gesundheitsfragen an. Was sich gut anhört, kann für den vermeintlich abgesicherten Kunden aber zu einem bösen Erwachen führen. In einem aktuellen Fall verweigert die Basler Lebensversicherungs-AG die BU-Leistung, obwohl der Versicherungsnehmer bei Antragstellung alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet hatte. Bei aktuell erfolgtem Eintritt des Leistungsfalls ficht die Basler den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an und führt als Begründung an, es existiere „jedoch auch eine spontane Anzeigepflicht“. Wie der Düsseldorfer Brancheninformationsdienst ‚versicherungstip‘ berichtet, hat der Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes die spontane, d. h. ungefragte, Anzeigepflicht aus Verbraucherschutzgründen jedoch bereits 2008 abgeschafft.

Wer einen Versicherungsvertrag abschließt, der muss aufgrund seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht alle Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Werden Erkrankungen, nach denen der Versicherer fragt, nicht angegeben, dann kann der Versicherer, wenn er später von der Falschbeantwortung erfährt, vom Vertrag zurücktreten. Bis zum Jahr 2008 waren Versicherungsinteressenten sogar zu einer ungefragten Offenbarung von gefahrerheblichen Umständen verpflichtet. Er musste alle ihm bekannten Umstände, die für die Gefahrübernahme erheblich sind, dem Versicherer anzeigen. Doch genau darin erkannte der Gesetzgeber eine nicht hinreichende Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers. Den Verbrauchern werde ein unangemessenes Risiko aufgebürdet, denn die Beurteilung, ob ein Umstand gefahrerheblich ist, sei für den Versicherungsnehmer unter Umständen sehr schwierig. Im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) 2008 erfolgte daher mit § 19 Abs. 1 VVG die wichtige Neuregelung, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich nur solche ihm bekannten Umstände anzeigen muss, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat. Das Risiko einer Fehleinschätzung, ob ein Umstand gefahrrelevant ist, sollte also zukünftig nicht mehr beim Versicherungsinteressenten liegen. „Damit hat der Gesetzgeber die sogenannte spontane Anzeigepflicht zu Recht abgeschafft. Denn Versicherer können besser als die Verbraucher beurteilen, welche Umstände gefahrerheblich sind. Sie müssen es ja auch wissen, da sie auf dem zu versichernden Risiko basierend die Versicherungsprämien kalkulieren“, erläutert ‚versicherungstip’-Chefredakteur Erwin Hausen.

Die Basler sieht das aber anders, berichtet der Infodienst anhand eines aktuellen Falles. Versicherungsmakler Matthias Helberg hatte einem Kunden eine BU der Basler (nach neuem VVG 2008 sowie als Aktionsantrag mit vereinfachter Gesundheitsprüfung) vermittelt. Der Kunde litt zwar – wie sich im Leistungsfall herausstellte – bereits beim Abschluss an Diabetes mellitus II und chronischer Niereninsuffizienz, doch nach der in Deutschland verbreiteten, unheilbaren Krankheit fragte der Versicherer weder direkt noch indirekt. Demnach hielt der Versicherer diese Krankheit im Rahmen des Aktionsantrages nicht für gefahrenerheblich. Doch obwohl der Versicherungsnehmer alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortete und angeben konnte, er sei uneingeschränkt arbeitsfähig, übe seine berufliche Tätigkeit in vollem Umfang aus und sei in den letzten 5 Jahren nicht länger als 2 Wochen zusammenhängend arbeitsunfähig gewesen, will die Basler im nun eingetreten Leistungsfall nicht zahlen und ficht den Vertrag an. Als Begründung führt der Versicherer auf: „Es existiert jedoch auch eine spontane Anzeigepflicht. Das Verschweigen eines gefahrerheblichen Umstandes, den der Versicherer nicht nachgefragt hat, kann bei Arglist des Versicherungsnehmers ein Anfechtungsrecht des Versicherers begründen.“ Versicherungsmakler Helberg dazu: „Beim Abschluss hieß es im Aktionsantrag noch, der Kunde sei verpflichtet, alle ihm ‚bekannten gefahrerheblichen Umstände, nach denen wir in Textform gefragt haben, wahrheitsgemäß und vollständig anzuzeigen’. Nun im Leistungsfall heißt es von der Basler an den Kunden gerichtet, ‚Sie hätten uns deshalb sämtliche Erkrankungen und Beschwerden sowie die durchgeführten ärztlichen Behandlungen und Medikationen anzeigen müssen’. Anscheinend will die Basler nachträglich die Regeln ändern. Das ist inakzeptabel.“ Dabei bezieht sich der Versicherer auf ein nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 08.11.2016 (Az.: 2 O 90/16), ohne auf die fehlende Rechtskraft hinzuweisen.

Das Urteil ist unter Rechtsexperten allerdings höchst umstritten. Nicht wenige erwarten, dass die Überprüfung durch das Oberlandesgericht Karlsruhe zu einer Aufhebung oder Zurückverweisung führt. Die Basler Versicherung hält den Urteilsspruch aber für überzeugend, wie der Versicherer gegenüber ‚versicherungstip’ bestätig: „Es gibt Fallkonstellationen, in denen der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, den Versicherer als seinen künftigen Vertragspartner auch ohne dessen Nachfrage über bestimmte gefahrerhebliche Umstände zu informieren. Dies hat das LG Heidelberg mit überzeugender Begründung im Fall der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei einer chronischen Krankheit mit in der Regel fortschreitendem Verlauf angenommen.“

Oberlandesgerichte vertreten allerdings eine andere Rechtsauffassung. Das OLG Celle konstatiert mit Urteil vom 09.11.2015 (Az. 8 U 101/15): „Nach der gesetzlichen Wertung obliegt dem Versicherer die Mitteilung der Umstände, die er für gefahrerheblich ansieht (…) Insofern ist der Auffassung zuzustimmen, dass eine spontane Anzeigepflicht nur bei Umständen besteht, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden kann.“ Und im Beschluss des OLG Hamm vom 27.02.2015 (Az. 20 U 26/15) heißt es: „Um die mit § 19 Abs. 1 VVG bezweckte Abschaffung der spontanen Anzeigepflicht nicht zu unterlaufen, bedarf es hierbei solcher Gefahrumstände, die so selten und fern liegend sind, dass dem Versicherer nicht vorzuwerfen ist, sie nicht abgefragt zu haben.“ In Deutschland verbreitete Krankheiten gelten gemeinhin aber nicht als selten und fern liegend. (Weitere Informationen dazu sowie zu weiteren Urteilen mit Bezug ‚Spontane Anzeigepflicht’ sind veröffentlicht unter http://www.kapital-markt-intern.de/versicherungstip/aktuelle-themen/vt-aktuelle-themen/brisante-makler-haftungsgefahr-das-sagen-gerichte-zur-spontanen-anzeigepflicht/).

Nach Angaben von ‚versicherungstip’ ist bisher nicht bekannt, um welchen Versicherer es sich im Fall des LG Heidelberg handelt. Es könnte also auch die Basler sein. Die scheint sich um das schwelende Problem wenig Sorgen zu machen. Denn aktuell wirbt die Basler für einen Unfall-Tarif mit „TOP-Beiträge ohne Gesundheitsprüfung“. Verbraucher sollten „die Begründung der BU-Leistungsablehnung und Vertragsanfechtung berücksichtigen, wenn sie in Erwägung ziehen, ein Angebot mit vereinfachter Gesundheitsprüfung zu nutzen“, rät ‚versicherungstip’-Chefredakteur Hausen, der für die Arglist-Argumentation wenig Verständnis zeigt: „Man könnte es auch als arglistige Täuschung werten, wenn ein Versicherer mit reduzierten Gesundheitsfragen das Geschäft ankurbelt und reichlich Prämien vereinnahmt, wissend, dass er sich dank Arglist-Argumentation im Leistungsfall leistungsfrei stellen kann, wenn eine nicht ungewöhnliche Erkrankung vorlag, die nicht abgefragt wurde.“

Wie viele Verträge im Feuer stehen, mithin Versicherte von einer Leistungsablehnung durch die Argumentation einer spontanen Anzeigepflicht in Kombination mit Arglist betroffen sein könnten, ist ungewiss. Im Interesse der Verbraucher, aber auch der in der Haftung stehenden Versicherungsmakler, ist eine höchstrichterliche Entscheidung notwendig, fordert Hausen. Doch ein BGH-Urteil kann dauern. Daher sei es gut, dass viele Versicherer eine andere Auffassung vertreten als die Basler, meint Hausen und kann über eine erste transparente Klarstellung berichten. „Wenn keine oder nur eine eingeschränkte Gesundheitserklärung abzugeben war, besteht keine spontane Anzeigepflicht für Umstände, die wir bei einer vollständigen Gesundheitserklärung abgefragt hätten. Ein Anfechtungsrecht besteht daher in solchen Fällen nicht“, sichert bspw. der Münchner Versicherer LV 1871 zu.

Weitere Informationen finden Sie unter http://www.kapital-markt-intern.de/versicherungstip/aktuelle-themen/vt-aktuelle-themen/versicherungsmaklern-droht-haftung-basler-fuehrt-spontane-anzeigepflicht-ein/

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