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Das sagen Rechtsexperten zur ‚Spontanen Anzeigepflicht‘ (Teil 3)

Nach den Auffassungen von RAin Kathrin Pagel (vgl. ‚vt’ 47/17), RA Tobias Strübing und RA Christian Hindahl (vgl. ‚vt’ 45/17) beleuchtet heute Wilfried E. Simon, Versicherungsdozent und Vorstandsvorsitzender der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM) das haftungsrelevante Thema ‚Spontane Anzeigepflicht’. Dabei nimmt er Bezug auf das Urteil des LG Heidelberg (Az.: 2 O 90/16) vom 8.11.2016 (vgl. ‚vt’ 41/17) und den BU Leistungsablehnungsfall des Versicherungsmaklers Matthias Helberg (vgl. ‚vt’ 42/17):  ++ „Ich bin mir sicher, dass das Urteil vom OLG Karlsruhe als Berufungsgericht in Kürze kassiert wird. Vermutlich wird es auch die Revision zum BGH zulassen. Die Leistungsablehnung des Versicherers mit Bezug auf das Urteil des LG Heidelberg ist irreführend und damit rechtswidrig, wenn der VN in der Begründung zur Ablehnung der Leistung nicht zugleich auch darauf hingewiesen wird, dass es sich bei der zitierten Entscheidung um ein noch nicht rechtskräftiges Urteil handelt. Außerdem liegen hier bei den beiden Erkrankungen (konkret Diabetes mellitus II und chronische Niereninsuffizienz) keine außergewöhnlichen Umstände vor, wie sie von der Rechtsprechung herangezogen werden, um eine spontane Anzeigepflicht des VN zu begründen. Im normalen Antrag mit umfassenden Gesundheitsfragen wird nach beiden Krankheiten stets gefragt. Bei einer korrekten vorvertraglichen Risikoprüfung wäre der VN danach also explizit gefragt worden und hätte sie entweder angegeben oder von einer Antragstellung abgesehen.“  ++ „Gerichte neigen dazu, trotz § 19 VVG in Ausnahmefällen eine spontane Anzeigepflicht zu bejahen. Dabei wird m. E. aber in der bisherigen Rechtsprechung übersehen, dass der Gesetzgeber die bis zum 31.12.2007 geltende Regelung des § 16 VVG a.F. bewusst beenden wollte. Die Normen des VVG sind Spezialgesetz (lex specialis) und gehen den allgemeinen gesetzlichen Regelungen – hier § 242 BGB – vor (so- genanntes Generalgesetz). Für den sich an seinen gesetzlichen Pflichten orientierenden VN und den Versicherungsmakler präsentiert sich § 19 (1) VVG als abschließende Regelung. Darüber muss der VR den VN vor Abgabe seiner Willenserklärung auf Vertragsschluss auch  vorschriftsmäßig belehren (§ 19 Abs. 5 VVG). Darin steht aber kein Hinweis des VR, dass dem VN auch eine darüber hinaus gehende Pflicht zur spontanen Anzeige von Erkrankungen im Sinne der Grundsätze von Treu und Glaube oblägen, nach denen der Versicherer nicht explizit gefragt hat. Wenn der Gesetzgeber dieses so gewollt hätte, dann hätte er die Hinweis- und Belehrungspflicht des VR gegenüber dem VN um diesen Bereich erweitern müssen. So liefe die Belehrungspflicht der Versicherer als Warnfunktion völlig ins Leere.“  ++ „Versicherungsmakler schulden ihren Mandanten im Rahmen der ihnen obliegenden Abschlusspflicht die Vermittlung von nachhaltigem Versicherungsschutz. Wenn nun immer öfter VR sich auf die Verletzung der spontanen Anzeigepflicht berufen und den Vertrag im Leistungsfall anfechten, dann kann daraus schnell ein Haftungsfall für den Versicherungsmakler werden, wenn er seinen Mandanten nicht vor Abschluss darauf hingewiesen und dies auch dokumentiert hat. Ausgang offen! Versicherungsmakler sollten Aktionen mit verkürzten Gesundheitsfragen mit großer Skepsis begegnen und die Mandanten auf deren vermeintlichen Anzeigepflichten bei außergewöhnlichen Erkrankungen hinweisen. Dies zumindest solange, bis eine höchstrichterliche Entscheidung nach neuem VVG eine gewisse Rechtssicherheit bringt.“ ‚vt’-Zwischenfazit: Alle bisher in ‚vt’ veröffentlichten Rechtsauffassungen erkennen keine spontane Anzeigepflicht bei ‚geläufigen’ Erkrankungen, auch wenn diese schwerwiegend sein können. Wir informieren Sie, ob das OLG Karlsruhe zu einer ähnlichen Wertung im konkreten Fall kommt.

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