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Versicherungsmaklern droht Haftung: Basler führt ‚Spontane Anzeigepflicht’ ein

Seit September 2017 recherchiert die ‚vt’-Redaktion im Zusammenhang mit der ‚Spontanen Anzeigepflicht’ und berichtet seit Oktober regelmäßig zu diesem haftungsrelevanten Thema. Zunächst (vgl. ‚vt’ 41/17) beleuchteten wir das nicht rechtskräftige Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 08.11.2016 (Az.: 2 O 90/16) und stellten dann den höchst bedenklichen Anfechtungsfall des Versicherungsmaklers Matthias Helberg vor (vgl. ‚vt’ 42/17). Wir konnten Sie bisher nicht darüber aufklären, um welchen Versicherer es sich dabei handelt, denn Ihr Kollege schwieg beharrlich. Das war mit Blick auf das problematische Thema auch gut so. Denn hätte ein Versicherer im Mittelpunkt gestanden, dann hätte sich der mediale Fokus wohl auf diesen als Übeltäter gerichtet und eine Diskussion der Kernproblematik, ob trotz § 19 VVG die seit 2008 beerdigt geglaubte ‚Spontane Anzeigepflicht’ weiterlebt und wie Versicherungsmakler und Kunden mit dem brisanten Thema umgehen müssen, hätte vielleicht gar nicht stattgefunden. Es liegt zwar bisher noch keine Branchenlösung vor, aber die Diskussion ist in vollem Gange. Zwischen­zeitlich haben wir auf Basis der damals von Makler Helberg genannten Antragsfragen den ‚passenden’ Aktionsantrag gefunden und können damit das Geheimnis um den Versicherer lüften. Zur Erinnerung: Entsprechend der Schilderung von Helberg liegt ein BU-Aktionsantrag (nach neuem VVG 2008 sowie mit vereinfachter Gesundheitsprüfung) zu Grunde. Der beinhaltet eine Frage zu besonderen Gefahren in der Freizeit. Zudem eine Frage, ob bereits Berufsunfähigkeits-/Erwerbsunfähigkeits-/Erwerbsminderung-/Pflege- oder Dienstunfähigkeits-Renten bezogen werden oder beantragt seien und ob ein Behindertenausweis bestehe oder beantragt sei. Die einzige konkrete Frage in Bezug auf die Gesundheit lautet: „Sind Sie uneingeschränkt arbeitsfähig, üben Ihre berufliche Tätigkeit in vollem Umfang aus und waren in den letzten 5 Jahren nicht länger als 2 Wochen zusammenhängend arbeitsunfähig?“ Genau diese Fragen und wortwörtlich die zitierte finden sich in einem Aktionsantrag der Basler Lebensversicherungs-AG. Auf unsere Anfrage an Basler-Chef Dr. Jürg Schiltknecht, ob die Basler der Versicherer mit dem BU-Aktionsantrag sei, der den Vertrag wegen Arglist anfechtet, verweisen die Bad Homburger auf ihre Antwort auf unsere Umfrage zur ‚Spontanen Anzeigepflicht’ (vgl. ‚vt’ 44/17) und ergänzen: „Darüber hinaus nehmen wir zu Einzelfällen, unabhängig vom beteiligten Versicherer, keine Stellung.“

Für Klarheit sorgt aber eine Anfrage bei Versicherungsmakler Helberg. Der bestätigt, dass die Basler der Versicherer ist, der trotz vom VN wahrheitsgemäß beantworteter Fragen bei Eintritt des Leistungsfalls den Vertrag wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB in Verbindung mit § 22 VVG anfechtet. Als Begründung für die Anfechtung führt der Versicherer auf: „Es existiert jedoch auch eine ‚Spontane Anzeigepflicht‘. Das Verschweigen eines gefahrerheblichen Umstandes, den der Versicherer nicht nachgefragt hat, kann bei Arglist des Versicherungsnehmers ein Anfechtungsrecht des Versicherers begründen. (…) Sie hätten uns deshalb sämtliche Erkrankungen und Beschwerden sowie die durchgeführten ärztlichen Behandlungen und Medikationen anzeigen müssen.“ Wohlgemerkt, nicht als Antwort auf eine gestellte Frage, sondern aufgrund der von der Basler ins Feld geführten ‚Spontanen Anzeigepflicht’. Dabei beziehen sich die Bad Homburger auf das nicht rechtskräftige Urteil des LG Heidelberg – obendrein ohne den VN darüber aufzuklären, dass dieses Urteil gar nicht rechtskräftig ist.

Da drängt sich die Frage auf, ob die Basler auch der Versicherer im Fall des LG Heidelberg ist. Auch das haben wir den Vorstandsvorsitzenden Dr. Schiltknecht gefragt. Aber, Sie ahnen es, die Basler will „zu Einzelfällen keine Stellung“ nehmen. Doch auch dazu könnte es bald Klarheit geben, da am 30.01. beim Oberlandesgericht Karlsruhe das Berufungsverfahren (Az.: 12 U 156/16) ansteht. Zu Beweisbehauptungen beider Parteien wurde ein medizinisches Gutachten eingeholt, für den 30.01. ist der Gutachter geladen. Vor dem OLG dürfte auch die von einigen Versicherern gerne beauftragte Kanzlei Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB/Köln (BLD) erscheinen. Wir gehen davon aus, dass BLD das Urteil beim LG Heidelberg erstritten hat. Die Kanzlei verkündet als Tenor des Urteils, dass „bestehende Multiple Sklerose auch ohne Nachfrage grundsätzlich anzuzeigen“ ist und trotz VVG 2008 „der Antragsteller zu einer ungefragten Offenbarung von gefahrerheblichen Umständen verpflichtet sein“ kann. „Auch wenn der Versicherer bei Vertragsschluss nicht ausdrücklich nach dem Vorliegen einer Multiplen Sklerose gefragt hat, kann kein redlicher Versicherungsnehmer, der diese Krankheit hat, davon ausgehen, dass das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser Krankheit für die Bereitschaft des Versicherers zum Abschluss der Versicherung zu den üblichen Konditionen nicht von wesentlicher Bedeutung ist. Das Unterlassen der Offenbarung dieses Umstandes stellt eine arglistige Täuschung dar.“ Diese Auffassung steht u. E. im Widerspruch zur VVG-Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/3945; vgl. ‚vt’ 43/17). Eine höchstrichterliche Entscheidung ist im Interesse aller. Versicherer, Kunden und Versicherungsmakler benötigen Klarheit!

‚vt‘-Fazit: Man kann es auch als arglistige Täuschung werten, wenn ein Versicherer mit reduzierten Gesundheitsfragen das Geschäft ankurbelt und reichlich Prämien vereinnahmt, wissend, dass er sich dank Arglist-Argumentation im BU-Fall leistungsfrei stellen kann, wenn eine Erkrankung vorlag, die (extra?) nicht abgefragt wurde. Diese Strategie unterstellen wir der Basler nicht. Die Begründung der BU-Leistungsablehnung und Vertragsanfechtung müssen Versicherungsmakler aber berücksichtigen, insbesondere, wenn sie in Erwägung ziehen, mit einem Antrag mit vereinfachter Gesundheitsprüfung der Basler den Bad Homburgern einen Kunden zu vermitteln.

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