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34d-Nachhaltigkeits-Abfragepflicht: Unfairer Wettbewerb dürfte weit in 2023 reichen

Versicherungsvermittler und Anbieter der Versicherungsanlageprodukte werden wohl bis weit in das Jahr 2023 unter einer krassen Benachteiligung durch die Rechtsunsicherheiten bei der Abfragepflicht der Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden leiden müssen. Rückblende: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte uns schriftlich bestätigt, dass die branchenweit nur von ‚vt‘ und ‚k-mi‘ recherchierte und frühzeitig dargelegte Rechtsauffassung (vgl. ‚vt‘ 20, 21 und 22/22) zutrifft: Während 34d-Versicherungsvermittler ab 02.08.2022 der Pflicht zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden unterliegen, gilt das nicht für 34f-Finanzanlagenvermittler (vgl. ‚vt‘ 24/22). „Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird sich der Thematik bei nächster Gelegenheit annehmen“, heißt es abschließend in dem an Christian Prüßing und Uwe Kremer von der ‚k-mi‘-Chefre­daktion adressierten Schreiben.

Die Formulierung ‚bei nächster Gelegenheit‘ zeigt bereits, dass hier kein Dampf auf dem Kessel ist. Mit Blick auf gesamtgesellschaftlich weit drängenderen Problemen, die dem BMWK zur Lösung auf den Schreibtischen liegen dürften, ist das auch nachvollziehbar. So erstaunt es nicht, wenn nach uns vorliegenden Informationen das BMWK selbst davon ausgeht, dass die notwendige gesetzliche Änderung der FinVermV frühestens zum 01.01.2023 in Kraft treten kann. Frühestens muss man dann wohl so verstehen, dass es auch 01.04. oder 01.07. werden kann.

Versicherungsvermittler und Anbieter von Versicherungsanlageprodukten müssen also mit einer durchaus beträchtlichen Zeitspanne rechnen, bis die gravierende Wettbewerbsungleichheit zu deren Lasten beendet ist. Daran ändert auch nichts, dass das BMWK mit Blick auf Finanzanlagenvermittler mitteilt, „dennoch wäre es sinnvoll, wenn sie diese Anforderung freiwillig erfüllen würden“, und einige Branchenverbände dies auch als Empfehlung aussprechen.

Denn unabhängig von der Frage, ob die Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen sinnvoll ist und zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt, erscheint es unwahrscheinlich, dass, bis auf wenige Ausnahmen, Finanzanlagenvermittler sich freiwillig dem Prozedere unterziehen. Die Abfrage ist nicht nur ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand. Sie dürfte zudem, auch wenn sie auf freiwilliger Basis erfolgt, haftungsrechtlich relevant sein und könnte den gesamten Pflichtenkatalog, wie regelmäßige Abfragepflicht, eröffnen. Sollte sich diese Haftungsrelevanz bei den laufenden Prüfungen der ‚k-mi‘-Kollegen bestätigen, dürfte sich das Thema ‚Freiwilligkeit‘ auf breiter Basis erledigt haben.

Es ist ein Dilemma. Das BMWK hat ja keine (ggf. rücknehmbare) Entscheidung getroffen, 34f- Vermittler von der Abfragepflicht zu befreien. Vielmehr hat das BMWK die gültige Rechtslage richtig dargestellt, auch wenn das grüne Ministerium sicherlich gerne zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Während Finanz­anlagenvermittler also ‚fein raus‘ sind, wenn sie einen Investmentsparplan vermitteln, müssen Versicherungsvermittler, wenn sie ein Versicherungsanlageprodukt, wie bspw, eine fondsgebundene Rentenversicherung, vermitteln, den bürokratischen und zeitlichen Mehraufwand zur Erfüllung der Abfragepflichten leisten.

Diesen regulatorischen Treppenwitz monierte als Wettbewerbsungleichheit die von ‚vt‘ koordinierte Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) bereits am 13.05. in einer Stellungnahme im Rahmen einer EIOPA-Konsultation (vgl. ‚vt‘ 20/22) und regte eine Verschiebung des Inkrafttretens an. Zum einen aufgrund der gravierenden Wettbewerbsungleichheit. Zum anderen, so begründet die BFV, ist die Verschiebung des Inkrafttretens der Abfragepflicht von Nachhaltigkeits­präferenzen nicht zuletzt auch wichtig, um eine rechtssichere Anwen­dung gewährleisten zu können.

Hier gilt es, eine weitere Disparität im ESG-Gesamtszenario zu vermeiden. Nach wie vor besteht das Problem, dass die Nachhaltigkeitsdefinition der SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation - Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offen­legungspflichten im Finanz­dienstleistungssektor) wenig Kompatibilität zu den ESG-Industriestandards aufweist. In der gesamten SFDR fehlt eine nachhaltige – also überdauernde – Definition von Nachhaltigkeit.

Gerade die aktuellen politischen Debatten zu Gentechnik, Atomkraft, Erdgas und Rüstungstechnik zeigen, dass ‚Nach­haltigkeit‘ in einigen Bereichen schnellen Veränderungen unterliegt. Daher ist es auch extrem kurzlebigen Schwankungen unterworfen, welche Anlageprodukte (von Kunden) als nachhaltig wahrgenommen werden. Dieses Änderungsrisiko darf nicht zu einer Haftungsgefahr für Anbieter und Vermittler werden.

‚vt‘-Fazit: Es ist zu begrüßen und zu unterstützen, dass Bürgerinnen und Bürger über nachhaltige Versicherungsanlageprodukte informiert werden. Weiterhin ist es zu begrüßen und empfehlenswert, dass Vermittler nachhaltige Versicherungsanlageprodukte im Produktportfolio haben und somit interessierten Kunden nachhaltige Anlageprodukte anbieten können. Aber solange die EU keine sichere und transparente Rechtlage hergestellt, hat verursacht die EU regulatorisches Chaos mit haftungsrechtlichen Folgen für die Vermittler. Da obendrein ab 02.08. eine gravierende Wettbewerbsungleichheit greifen würde, verstärken wir unser Engagement für eine Verschiebung des Inkrafttretens.

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