Der BGH hat aktuell die 'Besonderen Anlagebedingungen' eines nicht gerade kleinen DWS-Fonds in Teilen als "intransparent" gebrandmarkt. In diesem Grundsatzurteil zur "Transparenzkontrolle der Anlagebedingungen" von Investmentfonds (Az. III ZR 216/22 vom 05.10.2023) geht es vor allem um den Ausweis von Bestandsprovisionen. So lasse sich laut BGH in dem Fall "ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung der von der Beklagten vereinnahmten Vertriebsprovisionen nicht ausschließen". Lesen Sie exklusiv in 'k-mi', um welchen Fonds und welchen Sachverhalt es geht – und welche allgemeinen Auswirkungen das Urteil hat!
Ausgangspunkt war die Klage eines Anlegers bzw. der Streit um "Rückzahlungsansprüche von Vertriebsfolgeprovisionen" vor dem Amtsgericht Frankfurt/M. Beklagt war dort die DWS Investment GmbH als KVG des Investmentfonds DWS Top Portfolio Offensiv. Bei diesem handelt es sich um einen ca. 800 Mio. € schweren Mischfonds der DWS (ISIN: DE0009848010). Laut dem jüngsten, z. B. bei der Deutschen Börse verfügbaren Jahresbericht vom 31.10.2022 war dessen Performance mit 11,3 % über 5 Jahre (!) zuletzt etwas mau (der Fonds DWS Top Portfolio Offensiv ist inzwischen mit Wirkung zum 31.03.2023 in DWS SDG Multi Asset Dynamic umbenannt worden). Der Kläger war der Ansicht, dass § 30 Abs. 1a der Anlagebedingungen des Fonds AGB-rechtlich unwirksam sei: Die dort erhobene Kostenpauschale enthalte Entgelte, die nicht auf Verbraucher abzuwälzen seien. § 30 der Besonderen Anlagebedingungen lautet auszugsweise wie folgt: "1. Die Gesellschaft erhält aus dem OGAW-Sondervermögen eine tägliche Kostenpauschale in Höhe von 1,5 % p. a. des OGAW-Sondervermögens auf Basis des börsentäglich ermittelten Inventarwertes (..) Mit dieser Pauschale sind folgende Vergütungen und Aufwendungen abgedeckt und werden dem OGAW-Sondervermögen nicht separat belastet: a) Vergütung für die Verwaltung des OGAW-Sondervermögens (Fondsmanagement, administrative Tätigkeiten, Kosten für den Vertrieb, Service Fee für Reporting und Analyse) (...)"
Die Klage wurde im Februar 2021 zunächst vom AG Frankfurt abgewiesen sowie Ende 2022 in der Berufung ebenfalls vom LG Frankfurt. Zu den Gründen der Klageabweisung zählen u. a. folgende Annahmen der Gerichte in den Vorinstanzen: ++ Zwar handele es sich bei Anlagebedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen, allerdings seien die Bedingungen nur einer eingeschränkten AGB-Prüfung unterworfen. Vor diesem Hintergrund unterliege eine Pauschalgebühr keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle ++ Eine Pflicht der KVG, die konkrete Höhe der in der Verwaltungsvergütung enthaltenen, an Untervermittler geleisteten Bestandsprovisionen offenzulegen, bestehe nicht ++ In der Praxis ist es weder möglich noch im Anlegerinteresse liegend, alle denkbaren Kostenkomponenten der KVG aufzuführen. Pauschalgebühren sind vor diesem Hintergrund sinnvoll, im Anlegerinteresse und vor dem Hintergrund auch rechtlich geboten ++ Den Anlagebedingungen ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Pauschale für die Verwaltungsgebühr 1,5 % p. a. des OGAW Sondervermögens auf Basis des börsentäglich ermittelten Inventarwertes beträgt und das in dieser Pauschale anteilig Kosten für den Vertrieb, also Vermittlungsfolgeprovisionen, enthalten sind.
Allerdings wurde sowohl zunächst Berufung als auch später Revision zugelassen, u. a. für eine höchstrichterliche Klärung der Frage, inwiefern sog. 'All-In-Fees' einer AGB-Kontrolle (den Einbeziehungsvoraussetzungen gem. § 305 Abs. 2 BGB sowie den Vorschriften über die Inhaltskontrolle, §§ 307 ff. 7/8 BGB) unterliegen. Und siehe da, vor dem BGH hat sich das Blatt ordentlich gewendet: In der eingangs erwähnten Entscheidung (Az. III ZR 216/22) hat der BGH das Urteil des LG Frankfurt aufgeboben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Laut BGH besteht bei der in diesem Verfahren verhandelten DWS-'All-In-Fee' keine Grundlage für die Entnahme von Vertriebsprovisionen: "Auf § 30 Abs. 1 der Besonderen Anlagebedingungen kann sich die Beklagte nicht stützen. Diese Bestimmung ist als Allgemeine Geschäftsbedingung (…) jedenfalls gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist und daher die Vertragspartner der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unangemessen benachteiligt." Das LG Frankfurt hatte den Einwand des Klägers, die Klausel sei mit wesentlichen Grundgedanken des Rechts nicht vereinbar, weil die Beklagte mit der Vertriebsprovision vorwiegend eigene Interessen der Vermarktung verfolge, ohne dafür dem Bestandskunden eine Gegenleistung zu erbringen, noch verworfen. Der BGH erklärt aber nun, dass dies zumindest voreilig war, wenn wie hier die sog. 'All-In-Fee' derart schwammig formuliert ist: "Die Angabe einer 'täglichen' Kostenpauschale mit einem Zinssatz von 1,5 % 'p. a.' ist noch hinreichend klar. Es wird deutlich, dass nicht etwa eine (ansonsten massiv überhöhte) Kostenpauschale von 1,5 % täglich geschuldet wird, sondern eine solche von 1,5 % pro Jahr, wobei der zugrunde zu legende Wert der Fondsanteile tagesgenau berechnet wird. Unklar bleibt jedoch, in welchem Zeitintervall die Beklagte diese Vergütung erhalten soll. Dies ist deshalb für die Berechnung der Vergütung relevant, weil sich der Inventarwert durch die Entnahme verringert. Je länger die Entnahmeabstände sind, desto höher bleibt der der Abrechnung zugrunde zu legende Inventarwert." Offen bleibe auch, so der BGH, wie die Vergütung für solche Tage zu berechnen ist, die nicht Börsentage sind, und auch der Begriff des Inventarwerts sei nicht widerspruchsfrei definiert.
Gegenüber 'k-mi' erklärt der Anwalt der Klägerseite, RA Jens Graf/Düsseldorf, zu den Auswirkungen der Entscheidung: "Nach den Urteilsfeststellungen besteht keine Grundlage für die Entnahme von Vertriebsprovisionen mittels einer Kostenpauschale, nach der für den Verbraucher unklar ist, welche Vergütung er der Verwaltungsgesellschaft schuldet. Im entschiedenen Fall gab es gleich mehrere Gründe für die Annahme von Intransparenz. U. a. in Kostenpauschalen auch anderer Verwalter verwendete Formulierungen."
'k-mi'-Fazit: Der BGH hatte bereits im März 2023 (Az. III ZR 108/22) sowie im April 2022 (Az. III ZR 268/20) bei vergleichbaren Konstellationen ähnlich anlegerfreundlich entschieden. In mindestens einem dieser Fälle war ein weiterer DWS-Fonds betroffen (DWS Concept DJE Alpha Renten Global). Die DWS mit ihrer hochbezahlten Anwalts-Armee agierte also nicht nur beim Thema 'Greenwashing' unglücklich, sondern produziert offenbar auch durch 'Ungeschick' branchenschädliche BGH-Urteile am Fließband, die die Entnahme und Prospektierung von Vertriebsprovisionen immer weiter verkomplizieren. Dies schadet sowohl der Branche als auch allen unabhängigen und seriösen Finanzdienstleistern! Für geschlossene Retail-Beteiligungen ist das Kernargument der Klage aber ohnehin nicht übertragbar: Aktive Vertriebssteuerung in Form von Vertriebsprovisionen (in der Platzierungsphase) nützen hier den Bestandskunden bzw. den schon beigetretenen Anlegern, da das Investment ohne zahlreiche Mitinvestoren nicht möglich ist bzw. scheitern würde.