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Condor-Werbung zur BU-Teilzeitklausel ist überzogen und unredlich (Teil 2)

Die Condor Lebensversicherungs-AG hat mit der selbstständigen BU (Tarif SBU 9T07) eine Teilzeitklausel (TZK) auf den Markt gebracht, die grundsätzlich zu begrüßen ist. Sie hilft insbesondere Berufstätigen, die aus einem Vollzeitjob aus Gründen der Work-Life-Balance in eine Teilzeitbeschäftigung wechseln.

„Die Zielgruppe für die neue BU-Absicherung ist riesig, denn bundesweit arbeiten rund 15 Millionen Menschen in Teilzeit – mit steigender Tendenz“, suggeriert die Condor-Werbung aber einen gigantischen Adressatenkreis, den es in der Größenordnung allerdings gar nicht gibt (vgl. ‚vt‘ 49/19). Denn für so manchen Teilzeiter ist trotz Teilzeit bei der Berechnung des BU-Grades auf die frühere Tätigkeit abzustellen.

Die TZK stellt also hinsichtlich des BU-Rentenanspruchs dann keine Verbesserung dar. Nun mag man in der Werbung mit Übertreibungen Grenzen ausloten dürfen, die aber dann überschritten sind, wenn es zu Falschdarstellungen kommt. Das ist nach unserer Auffassung auf dem Condor-Portal ‚Makler-Leuchttürme‘ der Fall.

Dass Versicherungsmakler den Condor-Beratungsansatz mit falscher Aussage nicht bei ihren Kunden verwenden, klären wir auf: Condor liefert Versicherungsmaklern Beispiele und Beratungsansätze, u. a. mit der 38-jährigen ‚Julia‘. „Julia hat nach der Geburt ihrer zweiten Tochter Amelie ihre Arbeitszeit als angestellte Immobilienkauffrau reduziert, um mehr für ihre Familie da zu sein. (…) Julia hat als Vollzeitangestellte mit 40 Stunden die Woche eine BU abgeschlossen. Wegen ihrer Elternzeit hat sie ihre Arbeitszeit einige Jahre nach Abschluss der BU auf 20 Stunden pro Woche reduziert. Aufgrund der geschilderten Belastung wird sie während dieser Zeit BU und kann nur noch 12 Stunden die Woche arbeiten.“

Die Reduzierung „wegen ihrer Elternzeit“ – während der Elternzeit darf bis zu 30 Stunden pro Woche gearbeitet werden – lässt darauf schließen, dass es sich um eine vorübergehende Teilzeit handelt, jedenfalls wurde sie während der Elternzeit vereinbart. Da würden wir die einschlägige Rechtsprechung mit dem Urteil des BGH vom 30.11.2011 (Az.: IV ZR 143/102011) und dem Urteil des OLG Saarbrücken vom 28.04.2014 (Az.: 5 355/12) greifen sehen, die in der ‚vt‘-Ausgabe der Vorwoche angesprochen wurde.

Demnach wäre auf die Vollzeit abzustellen. Doch die Lösung der Condor-Werbestrategen sieht ganz anders aus: „Ohne Teilzeitklausel würde sie nun auf 20 Stunden geprüft und wäre damit nicht zu 50 % BU! Mit der BU der Condor mit Teilzeitklausel würde Julia im BU-Fall auf ihre höchste nachgewiesene Arbeitszeit während der Vertragslaufzeit – also 40 Stunden geprüft werden und wäre damit zu über 50 % BU.“ Das halten wir für falsch, schauen wir zur Begründung vertiefend in das BGH-Urteil:

Die spätere Versicherungsnehmerin und Klägerin war bis 1994 „in ihrem erlernten Beruf als Erzieherin tätig. Danach befand sie sich in Elternzeit, widmete sich vorwiegend dem Haushalt und ihren eigenen Kindern und übte in ihrem erlernten Beruf nur kurzzeitige Tätigkeiten als ‚Springer‘ aus. Nach Ende der letzten Erziehungszeit im März 2002 meldete sie sich arbeitssuchend. Zu dieser Zeit schloss sie die streitgegenständliche Versicherung ab. (…) Unter dem 23. Januar 2004 zeigte die Klägerin der Beklagten Berufsunfähigkeit an. (...) Seit Mai 2008 ist sie wieder mit 10 Wochenstunden als Erzieherin teilzeitbeschäftigt.“

Soweit Auszüge aus der Tatbestandsschilderung. Kommen wir nun zu aussagekräftigen Aspekten der Entscheidungsgründe, warum der VN der Leistungsanspruch zuerkannt wurde: „Insbesondere durfte das Berufungsgericht auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen annehmen, dass die Klägerin ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Erzieherin nicht gewechselt habe, indem sie sich wegen der Geburt ihrer Kinder der Erziehung und Haushaltsführung widmete, und dass auch der Zeitablauf nicht die Annahme rechtfertige, dass die Klägerin aus dem Berufsleben ausgeschieden sei, so dass es bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit auf die bis auf kurzfristige Springertätigkeiten bereits seit September 1993 nicht mehr ausgeübte Tätigkeit als Erzieherin ankommt.

Auf den Beruf der Erzieherin wäre nur dann nicht mehr abzustellen, wenn die Klägerin diese berufliche Tätigkeit bewusst zugunsten einer dauernden Tätigkeit als Hausfrau aufgegeben hätte oder aber die Zeitspanne zwischen der Beendigung der früheren Tätigkeit und dem Versicherungsfall so groß wäre, dass sie ihre berufliche Qualifikation für den vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ausgeübten Beruf verloren hätte und diesen aus fachlichen Gründen nicht mehr fortführen könnte. (…)

Die Revision meint, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend aufgeklärt, ob die langjährige Nichtausübung der Tätigkeit als Erzieherin auf einer bewussten Entscheidung der Klägerin für eine dauerhafte Tätigkeit als Hausfrau beruhe. Dabei verkennt sie aber, dass die nur vorübergehende Tätigkeit im Haushalt allein aufgrund von Erziehungsurlaub ebenso wie aufgrund von Arbeitslosigkeit (…) bereits kein hinreichendes Anzeichen für eine bewusste Entscheidung, den erlernten und bis dahin ausgeübten Beruf aufzugeben, darstellt.

Hier kommt hinzu, dass unstreitig die Klägerin sich unmittelbar im Anschluss an die letzte Erziehungszeit arbeitssuchend gemeldet hatte, auch während der Zeiten des Erziehungsurlaubs mehrfach als ‚Springerin‘ tätig war und zudem seit 2008 wieder in Teilzeit als Erzieherin arbeitet. Dies durfte das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung dahin interpretieren, dass eine lediglich durch familiäre Gründe und die Arbeitsmarktlage bedingte Unterbrechung der bereits früher ausgeübten Tätigkeit als Erzieherin vorlag.“

Die Rechtslage stellt sich demnach eindeutig dar: Würde Condor bei einem ‚Altvertrag‘ ohne TZK den Leistungsantrag einer Versicherten wie Julia tatsächlich ablehnen, weil für die Prüfung des BU-Grades die 20 Stunden herangezogen werden, wäre diese Condor-Kundin mit einem auf Leistungsfälle spezialisierten BU-Berater oder Fachanwalt für Versicherungsrecht mit Spezialisierung auf Berufsunfähigkeitsversicherungen gut beraten.

Jedoch wetzt Condor obendrein das scharfe Schwert der Maklerhaftung. „Zudem ist die Teilzeitklausel relevant für Ihre Beratungspflichten als Makler. Denn mit Einführung dieser Klausel muss im Grunde jeder Interessent darüber aufgeklärt werden, dass für ihn bei Abschluss einer BU ohne Teilzeitklausel im Rahmen einer Arbeitszeitreduktion eine erhebliche Deckungslücke entsteht“, schreibt Condor am 22.10.2019 im ‚MaklerTicker‘ unter „Informationen für den Makler“. Aufklärung über die TZK ja, aber dann bitte sachgerecht!

Die Aussage, dass ohne TZK im Rahmen einer Arbeitszeitreduktion eine erhebliche Deckungslücke entsteht, halten wir für falsch, weil dieser Absolutheit die Rechtsprechung entgegen steht. Da auch Pflegezeit und Familienpflegezeit auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen und damit einhergehende Arbeitszeitreduzierungen üblicherweise nicht auf Dauer angelegt sind, dürfte die Rechtsprechung hier analog ausfallen, sollten Versicherer den BU-Grad einer in dieser Zeit eintretenden Erkrankung auf Basis der reduzierten Arbeitszeit bemessen wollen.

Ohnehin ist die TZK kein kostenfreies Nicety der Hamburger, sondern wirkt prämienerhöhend, wie Christian Dulitz, Produktmanager Condor Leben, in einem Interview mit ‚Fonds professionell Online‘ sagt: „Die Klausel ist obligatorisch in den Bedingungen enthalten und kostet Geld. Wie viel, bleibt Betriebsgeheimnis. Was wirklich einen Mehrwert bringt, kostet natürlich in der BU-Versicherung immer etwas.“

Ungeachtet der Höhe der Mehrkosten raten wir Versicherungsmaklern davon ab, die Condor-Werbung bzgl. Elternzeit zu übernehmen. Wer behauptet, bei einer BU ohne TZK würde bei einer während der Elternzeit reduzierten Arbeitszeit von bspw. 20 Stunden diese Stundenzahl zur Prüfung des BU-Grades herangezogen, könnte wegen Irreführung abgemahnt werden. „Der ‚Beruf‘ eines Menschen ist jede auf Dauer angelegte, der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit“, erläutert Prof. Dr. Roland Rixecker in Beckmann/Matusche-BeckmannVersicherungsrechtshandbuch‘ (2. Aufl. 2009, § 46 Rdn. 13).

Wenn jemand für eine bessere Work-Life-Balance seine Voll-Arbeitszeit reduzieren will, dann eignet sich das als zutreffendes und gutes Beispiel, bei dem mit der Condor-TZK dennoch die frühere Vollzeit bei der Berechnung des BU-Grades herangezogen wird.

‚vt‘-Zwischenfazit: Für den Fall einer dauerhaften und ohne Anlass erfolgten Arbeitszeitreduzierung stellt die Condor-TZK einen erweiterten Versicherungsschutz dar. Zudem dürfte sie dafür sorgen, dass sie Betroffenen mögliche Streitigkeiten bei einer lediglich vorübergehenden Reduzierung der Arbeitszeit erspart. Eine Lösung für die Teilzeitfalle und Rechtssicherheit sind wichtige Entwicklungen.

Informieren Sie Ihre Mandanten aber sachgerecht über die TZK und verzichten Sie auf Beratungsbeispiele und Werbeaussagen, die Ihnen auf die Füße fallen können. Über die Antworten der Condor zu verschiedenen Auslegungsfragen des Bedingungswerks informieren wir Sie mit Teil 3 in der ‚vt‘-Ausgabe der kommenden Woche. (Das Urteil kann hier heruntergeladen werden.)

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