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LG Leipzig: Mit Allianz zusammenarbeitender illegaler Vermittler verurteilt

‚Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass!‘ ist das Motto von so manchem Vergleichsportal. Kostengünstig und haftungsarm (angeblich) ein Tippgeber zu sein, aber Verbraucher vom Abschluss einer Versicherung überzeugen und dabei Vermittlungstätigkeit auszuüben, ohne die regulatorischen Anforderungen an Versicherungsvermittler zu erfüllen, scheint ein lukratives Geschäftsmodell zu sein. Kürzlich hat erneut ein Gericht einem Pseudo-Tippgeber Vermittlung ohne Erlaubnis attestiert. Mit Brisanz, denn als Abnehmer spielt die zur Allianz Gruppe gehörende Gesellschaft finanzen.de Maklerservice GmbH mit der Plattform finanzen.de sowie Verivox eine wichtige Rolle bei der illegalen Versicherungsvermittlung:

Werfen wir zunächst einen Blick zurück, denn über den vor Gericht stehenden Betreiber des Portals ‚preisvergleich.de‘, die GET Sol 1 GmbH, haben wir bereits vor geraumer Zeit berichtet. Bei unserer Recherche im zweiten Halbjahr 2019 hatten wir aufgedeckt, dass – trotz der u. E. gegebenen Versicherungsvermittlung – dem Impressum nicht zu entnehmen war, dass es sich um einen registrierten Versicherungsvermittler handelt. Ebenso war keine Erstinfo zu finden. Zudem war im Vermittlerregister keine Registrierung festzustellen, später war Get Sol plötzlich als gebundener Versicherungsvertreter registriert. Auf ‚vt‘-Anfrage informierte Get Sol-Geschäftsführer Dr. Christian Backmann, das Portal ‚preisvergleich.de‘ biete „in Kooperation mit Verivox und finanzen.de einen Vergleichsrechner für Versicherungen“ an. Man sei „lediglich ‚Tippgeber‘ für das Geschäft“.

Obwohl man in der Vergangenheit angeblich alles legal betrieben hat, änderte man nach kritischen Nachfragen das ‚Geschäftsmodell‘: Die Get Sol habe „im Rahmen der Fortentwicklung der Geschäftsfelder bei dem Gewerbeamt Leipzig die Gewerbeanmeldung zum 01.10.2019 durchführen lassen“. Erstaunlich, denn gebundene Vertreter werden vom haftungsübernehmenden Unternehmen im Register eingetragen – welcher Versicherer das wohl war? Dr. Backmann wollte uns das nicht verraten, und die von ‚vt‘ an Allianz Deutschland AG-Boss Dr. Klaus-Peter Röhler gestellte Frage, ob die Get Sol 1 GmbH gebundener Versicherungsvertreter der Allianz ist, wurde nicht dementiert.

Auffällig aber ist: Wochen nach unseren brisanten Fragen war Get Sol plötzlich als Versicherungsmakler registriert! Eine rasante Entwicklung: Vom angeblichen Tippgeber, der u. E. illegale Versicherungsvermittlung betrieb, in kurzer Zeit über gebundener Versicherungsvertreter zum Versicherungsmakler (vgl. ‚vt‘ 35/20).

Auch von anderer Seite gab es Druck auf den illegalen Versicherungsvermittler. Denn wie dem Urteil des Landgerichts Leipzig vom 18.12.2020 (Az.: 05 O 2051/19) zu entnehmen ist, hatte Michael Otto, Geschäftsführer der Otto Assekuranzmakler KG und 1. Stv. Vorsitzender der IGVM – Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler, im Juli 2019 den Betreiber des Portals ‚preisvergleich.de‘ durch die Kanzlei Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaftgesellschaft mbH zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Get Sol 1 ließ erklären, keine Unterlassungserklärung abzugeben. Versicherungsmakler Otto klagte, die Kanzlei Schindhelm erstritt erfolgreich das inzwischen rechtskräftige Urteil. Das haben wir uns für Sie genauer angeschaut:

Auf der Website ‚preisvergleich.de‘ „können interessierte Verbraucher nach Anklicken des Buttons ‚Versicherungen‘ und des Links ‚Haftpflichtversicherung‘ über einen angebotenen Vergleichsrechner ‚Tarife vergleichen und bis zu 70 % pro Jahr sparen‘ und ‚Einfach und schnell online abschließen‘“, wird im Tatbestand erläutert. Nach Eingabe abgefragte Angaben könne „der Button ‚Jetzt Tarife vergleichen‘ angeklickt werden, dies ‚kostenfrei und unverbindlich‘“.

Unterhalb des Buttons werde auf einen Service von finanzen.de verwiesen. Beim weiteren Fortgang öffne sich u. a. „eine neue Seite mit der Überschrift ‚Ihre Ergebnisübersicht‘, in der diverse Vergleichsvorschläge angezeigt werden“. Klicke der Verbraucher „auf den Button ‚Online abschließen‘, gelangt er zu einem Onlineantrag“. Dafür will Get Sol 1 nicht zuständig sein, jedoch erscheint „während des gesamten beschriebenen Vorgangs dem Nutzer die URL der Website www.preisvergleich.de“. Vergleichsrechner und Antragsformular etc. „wurden über Inline-Frames der finanzen.de Maklerservice GmbH zur Verfügung gestellt“.

Während Otto darin eine unzulässige Versicherungsvermittlung erkennt, meint Get Sol, sie „werde nur als ‚Tippgeberin‘ tätig und bedürfe keiner Erlaubnis. Sie vermittle ihren Besuchern der Website lediglich den externen Service eines Fremddienstleisters (‚finanzen.de‘) und gebe keine eigenen konkreten Versicherungsempfehlungen auf der Basis individueller Kriterien ab.“ Das LG Leipzig verweist auf die legendäre ‚Tippgeber-Entscheidung‘ des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28.11.2013, Az.: I ZR 7/13), mit dem klar bestätigt wurde, dass der Versicherungsvertrieb der Tchibo Direct GmbH illegal war (vgl. ‚vt‘ 49/13). Denn „maßgeblich ist das objektive Erscheinungsbild der Tätigkeit“ und nicht das von Kosten- und Haftungsgründen geprägte Wunschdenken der am Pseudo-Tippgeber-Geschäftsmodell Beteiligten.

So konstatiert das LG Leipzig wenig überraschend, dass die Tätigkeit des Get Sol-Portals „nach diesen Grundsätzen und dem objektiven Erscheinungsbild der ausgeübten Tätigkeit eine erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung und nicht eine ohne Erlaubnis zulässige bloße Tippgebertätigkeit“ darstellt. Denn „mit dem Einsatz der iframe-Technologie, bei der der Vergleichsrechner von finanzen.de in die Webseite der Beklagten eingebettet wird und als deren Inhalt erscheint, wird, wie in der Browser-Zeile ersichtlich, die Webseite der Beklagten zu keinem Zeitpunkt verlassen“.

Erfolge „kein Wechsel der Webseite zum externen Dienstleister (Versicherungsmakler), ist die konkrete Vertragsanbahnung der Beklagten zuzuordnen und liegt hierin die nach § 34d GewO untersagte Offerte zum Vertragsschluss ohne die erforderliche Erlaubnis“. Get Sol 1 habe es „zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr ohne behördliche Erlaubnis der zuständigen IHK nach § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO eine Tätigkeit auszuführen wie (…)  durch Zurverfügungstellen eines Vergleichsrechners, der Rangfolgen für Angebote von Haftpflichtversicherungen erstellt, die Bereitstellung von allgemeinen Informationen und Tipps sowie eines Ratgebers über Haftpflichtversicherungen und die Möglichkeit, über die Seite einen konkreten Versicherungsvertrag zu schließen“, so das LG Leipzig.

‚vt‘-Fazit: ++ Mit illegaler Versicherungsvermittlung wird der Verbraucherschutz ausgehebelt und unfairer Wettbewerb mit registrierten Vermittlern betrieben. Einmal mehr zahlt sich die Hartnäckigkeit von Versicherungsmakler Otto aus (vgl. u. a. ‚vt‘ 37/20). Get Sol 1-Geschäftsführer Dr. Backmann wäre mit einer Unterlassungserklärung vergleichsweise günstig davon gekommen. Nun ist er doch registrierter Vermittler, musste das frühere Geschäftsmodell aufgeben und hat ein deutlich teureres Urteil an der Backe.

++ Das Thema ‚Allianz und Zusammenarbeit mit illegalen Versicherungsvermittlern‘ ist sowohl mit Blick auf § 1a VVG als auch auf die Allianz-Mitgliedschaft im GDV-Verhaltenskodex brisant. Ein Thema, bei dem wir weiteren Enthüllungen auf der Spur sind. (Das Urteil des LG Leipzig kann hier heruntergeladen werden.)

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