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Nürnberger Umdeckungsaktion: Versicherungsmakler sollten Vorsicht walten lassen

Die Nürnberger Versicherungsgruppe fährt aktuell eine BU-Umdeckungsaktion für Verträge, die nach dem 30.06.2015 bei einem „Fremdversicherer“ beantragt wurden (vgl. ‚vt‘ 36/19). Die als „Umtauschaktion“ mit „vereinfachter Gesundheits- und Risikoerklärung“ beworbene Umdeckungsaktion ist so angelegt, dass die ‚Fremdversicherer‘ auf schlechten Risiken sitzen bleiben und der Nürnberger weitgehend risikoarme Verträge zugeschleust werden.

Denn bei der ‚vereinfachten‘ Erklärung handelt es sich um in der Anzahl reduzierte Gesundheitsfragen, in der Gesamtbetrachtung ist aber weitgehend alles anzugeben, und es finden sich so manche Haftungsfallen. Dem Neuantrag bei der Nürnberger ist der „ursprüngliche Antrag vom Vorversicherer“ beizufügen. Dazu soll die versicherte Person (VP) angeben, ob sie im Antrag zum Vorvertrag „die in Textform gestellten Fragen seinerzeit richtig und vollständig beantwortet“ hat, denn „diese Fragen werden hier erneut im Namen der Nürnberger gestellt“.

Wichtig ist hier zu wissen, dass als Ziel der Umdeckungsaktion „nur Verträge“ definiert sind, „die mit einer vollständigen Gesundheitsprüfung zustande gekommen sind (Keine Aktions- oder Optionsverträge oder Verträge, die mit einer DOE angenommen wurden)“.

Als weitere Gesundheitsfrage muss die VP beantworten, ob „in der Zeit seit der Antragsstellung zu o. g. Vorvertrag Operationen, Rehabilitations-, Krankenhaus- oder Kuraufenthalte“ erfolgten und ob „in der Zeit ab der Antragsstellung zu o. g. Vorvertrag Behandlungen (z. B. verschreibungspflichtige Medikamente, Infusionen, Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie oder Psychotherapie) über einen Zeitraum von zusammenhängend mehr als 4 Wochen durchgeführt bzw. empfohlen“ wurden.

Das ist dann schon ziemlich umfassend. Getoppt wird das von den von der VP zu unterzeichnenden Hinweisen, u. a.: „Nach Vertragsabschluss der Vorversicherung neu eingetretene Gefahrumstände, insbesondere Erkrankungen, müssen im Rahmen der Gesundheitsfragen des Neuvertrags angegeben werden und können bei falscher Beantwortung bis zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.“

Obendrein findet sich in der Erklärung der versicherten Person für „die vollständige und richtige Beantwortung der folgenden Fragen“ der Satz: „Geben Sie dabei auch solche Umstände genau an, denen Sie nur geringe Bedeutung beimessen.“ Egal, ob die Nürnberger danach fragt oder nicht? Ist das ein Hintertürchen, um trotz Wegfall der spontanen Anzeigepflicht im Leistungsfall eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung geltend machen zu können?

„Schließt die Nürnberger aus, aufgrund einer Anzeigepflichtverletzung vom Vertrag zurückzutreten, wenn der VN/dessen Vermittler eine seit Vertragsschluss beim Vorversicherer eingetretene maßgebliche gesundheitliche Verschlechterung nicht ungefragt angibt“, haben wir den Nürnberger Vertriebschef Jürgen Wahner gefragt. „Selbstverständlich werden die Fristen der Risikoprüfung des Ursprungsantrags mit Blick auf die vorvertragliche Anzeigepflicht angerechnet.

Bei den vereinfachten Gesundheitsfragen im Rahmen des Anbieterwechsels gelten die üblichen Fristen“, teilt uns die Nürnberger bei ihrer Antwort mit. Eine Beantwortung unserer konkreten Frage, respektive eine Verneinung einer quasi ‚Spontanen Anzeigepflicht‘ ist darin aber nicht zu erkennen. Der Hinweis „Geben Sie dabei auch solche Umstände genau an, denen Sie nur geringe Bedeutung beimessen“, könnte somit ein weites Haftungsfeld eröffnen.

Im Leitfaden zur „Umtauschaktion BU“ beteuert die Nürnberger ihren „Verhaltenskodex“. Wohlfeile Sätze wie „Das Kundenbedürfnis steht im Mittelpunkt bei der Beratung und Vermittlung“ und „Bei Abwerbungen bzw. Umdeckungen von Versicherungsverträgen ist stets und ausschließlich das Kundeninteresse zu beachten“ finden sich dort.

Wie soll das funktionieren, wenn der VN zum zweiten Mal mit Abschlusskosten belastet wird? Auf unsere Anfrage an Wahner heißt es: „In allen Beratungsgesprächen stehen das Interesse und der Bedarf der Kunden im Mittelpunkt. Wir bieten hier Menschen mit bestehenden BU-Verträgen die Möglichkeit, auf einen Vertrag mit besseren Konditionen umzusteigen. Das könnte zum Beispiel eine längere Laufzeit sein (Endalter 67 statt 62). Oder bestehende Zuschläge entfallen. Und der Kunde zahlt niedrigere Beiträge. Im Sinne einer compliance-konformen Beratung sollen selbstverständlich nur solche Verträge bearbeitet werden, bei denen der Kunde trotz Provision erkennbare Vorteile in Leistung oder Preis erhält.“

Warum soll bei Verträgen, die vor kurzem, frühestens im zweiten Halbjahr 2015, beim Vorversicherer beantragt wurden und nicht auf Endalter 67 Jahre laufen, nun plötzlich dieses Endalter wichtig sein? Welche Optionen beinhaltet der Altvertrag? Wenn ein Versicherer für einen kürzlich abgeschlossenen Vertrag einen Zuschlag für nötig hielt, kauft sich die Nürnberger Neugeschäft teuer ein oder verliert der VN bei der Umdeckung womöglich einen wichtigen Leistungsbestandteil?

„Renommierte Agenturen wie Franke und Bornberg sowie Morgen & Morgen bescheinigen uns immer wieder, dass unsere Bedingungen zu den besten im Markt gehören“, schreibt uns die Nürnberger. Nun dürfte es aber bei Versicherungsmaklern üblich sein, dass sie grundsätzlich für ihre Mandanten nach den Top-Produkten auf dem Markt Ausschau halten. Da dürfte die Umdeckung von einem Top-Anbieter auf ein gutes Produkt wohl nur selten und in besonderen Konstellationen Vorteile für den Kunden bringen.

„Beinhalten die Nürnberger Tarife der Umdeckungsaktion eine ‚Nichtschlechterstellungsgarantie‘ womit sichergestellt würde, dass der Kunde mit dem Nürnberger Tarif im Vergleich zum Vorvertrag nicht schlechter gestellt wird, und, sollte es eine Leistung geben, die vorher besser gewesen ist, dass diese automatisch auch für den Vertrag nach dem Tarifwechsel gilt?“ Auf diese Frage hat uns die Nürnberger keine Antwort gegeben.

‚vt‘-Fazit: ++ Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass: Die Nürnberger formuliert eine Konformität der Umdeckungsaktion mit Verhaltenskodex und Compliance, die in der Praxis dem GDV-Verhaltenskodex aber nur selten gerecht werden dürfte.

++ Wenn der Altvertrag schon in (weiten) Teilen aus der Stornohaftung raus ist, klingt es verlockend mit einer als „vereinfacht“ beworbenen Umdeckungsaktion ein zweites Mal Geld zu verdienen. Insbesondere Versicherungsmakler sollten bei dem Lockruf auf das Kundeninteresse und eigene Haftungsgefahren achten.

++ Da Versicherungsmakler üblicherweise zu den Top BU-Anbietern greifen, dürfte es wenige Konstellationen geben, die dem Kunden mehr Vorteile als Nachteile bringen. Wo die Nürnberger ‚vereinfacht‘ drüber schreibt, müssen dennoch umfassende Abklärungen zu neueren Erkrankungen und Behandlungen erfolgen. Die Umdeckungsaktion der Nürnberger dürfte daher ein Rohrkrepierer werden.

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