Die Präsentation der Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 der Genossenschaftliche FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken, die wir Ihnen auf Basis der vorläufigen Ergebnisse bereits in 'Bi' 11/23 vorstellten, nutzte der BVR nun auch, um zu den wichtigsten politischen und regulatorischen Themen Stellung zu beziehen. Dabei findet das BVR-Präsidium, allen voran die BVR-Präsidentin Marija Kolak, deutliche Worte: "Mit hoher Intensität treibt die amtierende Europäische Kommission auch knapp ein Jahr vor den Wahlen weitreichende Vorhaben voran, die großen Einfluss auf die Kreditwirtschaft haben. Um nur einige Beispiele zu nennen: digitaler Euro, Kleinanlegerstrategie, Krisenmanagement für Banken, Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Jedes dieser Themen hat weitreichende – auch strukturelle – Auswirkungen. Regulierung im Bankenbereich geht nicht nur zunehmend an administrative Belastungsgrenzen, sondern auch häufig in die falsche Richtung. Es fehlt an Verständnis für unsere besondere Banken- und Wirtschaftsstruktur: Statt die Kapitalmarktunion endlich anzugehen, konzentriert sich die EU-Kommission lieber auf das Infragestellen funktionierender Strukturen. So will die EU-Kommission das Krisenmanagement für Banken lieber auf den Kopf stellen, anstatt das System dort zu verbessern, wo es bislang versagt hat: bei der Abwicklung systemrelevanter Banken." Da wir Sie zu der Entwicklung dieser für die Institute existenziellen Fragen auf dem Laufenden halten, wollen wir Ihnen natürlich auch die BVR-Standpunkte liefern.
Digitaler Euro (vgl. 'Bi' 28/23): "(...) Wir befürworten den digitalen Euro, wenn er richtig gestaltet wird. Und zwar als bares Zahlungsmittel, als digitalen Zwilling des Bargeldes und nicht als Geldanlage. Das bedeutet, dass sich die wichtigsten Eigenschaften des Bargelds, Offlinefähigkeit und Anonymität, auch in einem digitalen Euro ohne Kompromisse wiederfinden und die Arbeitsteilung zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken unberührt bleibt. Auch halten wir ein Haltelimit von 500 € pro Person analog einem sehr vollen Portemonnaie für sinnvoll und gut vereinbar mit einem Höchstmaß an Anonymität beim Zahlen. (…) Leider gehen die Planungen der EZB über Rohmaterial deutlich hinaus. Der am 28. Juni veröffentlichte Legislativvorschlag der EU-Kommission zum digitalen Euro erteilt der EZB einen Freifahrtschein. Demnach darf die EZB beliebig entscheiden, einen digitalen Euro sogar als umfangreiches quasi staatliches Zahlverfahren oder Girokonto zu gestalten. Dies würde eine Teilverstaatlichung des privaten Finanzsektors bedeuten und private Banken zum ausgelagerten Filialnetz der EZB degradieren“, so BVR-Vorstandsmitglied Tanja Müller-Ziegler.
Abwicklungsmechanismus/CMDI (vgl. 'Bi' 17, 18, 19 u. 21/23): "Wenn Banken heute in Schieflage geraten, verlassen sie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens den Markt. In diesem Fall sind Einleger gesetzlich bis 100.000 € geschützt. Nur wenn die Insolvenz nicht der geeignete Weg ist, weil es sich um eine systemrelevante Bank handelt, wird die Bank nach speziellen Verfahren abgewickelt. Dieses System hat seine Funktionsfähigkeit wiederholt und in verschiedenen Staaten bewiesen und sichert die Balance zwischen Fehlanreizen und Einlegerschutz. Die Europäische Kommission will das nun ändern und die Abwicklung zum Standard für alle Banken machen. Der entsprechende Vorschlag zur Überarbeitung des europäischen Rahmens für das Krisenmanagement – bekannt als CMDI – liegt seit April auf dem Tisch. Die Abwicklung für alle Banken, auch solche, die nicht systemrelevant sind, soll durch eine Schwächung der nationalen Sicherungssysteme teuer erkauft werden. Das Geld der nationalen Systeme soll nach dem Willen der EU-Kommission zukünftig primär für die Finanzierung der Bankenabwicklung genutzt werden; zu Lasten deren Fähigkeit, Einlegerinnen und Einleger im Fall der Insolvenz einer Bank zu entschädigen. (…) Die Deutsche Kreditwirtschaft lehnt den Kommissionsvorschlag daher ab. Aus unserer Sicht sollten die bisherigen, gut ausbalancierten Regelungen zum Einlegerschutz beibehalten werden. Zudem muss die Durchführung präventiver Maßnahmen, wie sie von Institutssicherungssystemen – etwa der Sparkassen und Genossenschaftsbanken – angewendet werden, erhalten bleiben und eben nicht – wie derzeit vorgesehen – erheblich erschwert, ja faktisch sogar unmöglich gemacht werden. Denn genau diese Präventionsarbeit der institutssichernden Systeme haben das hohe Vertrauen der Einleger geschaffen", erläutert BVR-Vorstandsmitglied Daniel Quinten.
Liquiditätspuffer (vgl. 'Bi' 28/23): "Darüber hinaus sollte die Regierung die Kreditvergabefähigkeit der Banken nicht mit ständig steigenden Regulierungskosten überfordern. Die von der BaFin verhängten zusätzlichen Kapitalpuffer schlagen sich als weitere Kosten nieder. Leider hat der Ausschuss für Finanzstabilität diese Puffer zunächst weiter bestätigt, obwohl er in seinem Bericht selbst ausführt, dass der Aufschwung am Immobilienmarkt 2022 endete und sich das Kreditwachstum deutlich abschwächte. Auch bürokratische Hürden tragen zur Überforderung durch Nachhaltigkeitsregulierung bei. Das Regulierungsziel Nachhaltigkeit schafft keine Investitionen. Beschränken wir die Regulierung daher auf das erforderliche Maß, anstatt Banken zum Torwächter der Nachhaltigkeit zu machen", fordert BVR-Präsidentin Kolak.
AGB-Änderungsmechanismus (vgl. 'Bi'-Beil. 19/21): "Die Finanzbranche benötigt einen massengeschäftstauglichen Mechanismus, mit dem Dauerverträge angemessen gepflegt werden können. Der BVR hat auch im Rahmen seiner diesjährigen Federführerschaft in der Deutschen Kreditwirtschaft wiederholt den dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf dargelegt. Auch die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 29. März 2023 hat eindrucksvoll den gesetzgeberischen Handlungsbedarf belegt. Fünf von sieben Sachverständigen haben die Notwendigkeit einer gesetzlichen Lösung bejaht. Auch die Wissenschaft hat sich entsprechend geäußert: 30 Professoren fordern den Gesetzgeber in einem rechtswissenschaftlichen Appell auf, eine praxistaugliche Gesetzesregelung zum AGB-Änderungsmechanismus zu erlassen. (…) Auch andere EU-Mitgliedsstaaten und auch andere Branchen hierzulande verfügen über einen – wie von uns geforderten – Zustimmungsfiktionsmechanismus. Rechtswissenschaft und Banken haben nach dem BGH-Urteil ihre Hausaufgaben gemacht und Vorschläge unterbreitet. Es ist nun Aufgabe des Gesetzgebers, den vom Bundesgerichtshof geschaffenen verbraucherunfreundlichen Koloss schnellstmöglich zu beseitigen", verlangt Quentin.
'Bi'-Fazit: Trotz bereits ausufernder Regulierung droht nun insbesondere durch eine überaktive europäische Ebene weiteres Ungemach. Der BVR stemmt sich mit seinem politischen Gewicht dagegen und wir halten Sie auch zu den Auswirkungen auf ihr Geschäft stets auf dem Laufenden.