Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken sind der (Finanz-)Hort des deutschen Mittelstands, dem nicht nur ökonomischen Herzen unserer Gesellschaft. So gesehen ist das 'Ländle' die Herzkammer der Republik und die jetzt verkündeten Halbjahresbilanzzahlen der 50 Sparkassen des Sparkassenverbands Baden-Württemberg stehen repräsentativ für die Entwicklung in ganz Deutschland, begleiten sie doch über fünf Millionen Privat- und Unternehmenskunden in der üblicherweise prosperierenden Wirtschaftsregion. "Der vorsichtige Optimismus in den ersten Wochen und Monaten des Jahres ist verflogen. Die Konjunkturprognosen für 2023 haben sich verschlechtert und Deutschland gehört mit seiner schrumpfenden Wirtschaft zu den Konjunktur-Schlusslichtern in Europa“, wirft Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbandes Baden Württemberg, jedoch einen kritischen Blick auf die Lage, der sich auch in den Zahlen für das erste Halbjahr 2023 spiegelt:
++ Die Bilanzsumme stieg innerhalb eines Jahres zum 30.06.2023 nur noch im Promille-Bereich (+0,5 %) auf 241,5 Mrd. € ++ Die Kundeneinlagen kletterten nur noch mühsam um 1,8 % auf 168,6 Mrd. €. Gerade die privaten Haushalte sind von der hohen Inflation betroffen und haben nach den zurückliegenden 12 Monaten rd. 500 Mio. € weniger auf der hohen Kante, während die Einlagen der Unternehmen um 6,4 % auf nun 29 Mrd. € zulegten. Dabei wird auch massiv umgeschichtet: Während die Spar- und Sichteinlagen binnen Jahresfrist von 160 Mrd. € Ende Juni 2022 auf jetzt 145 Mrd. € um 15 Mrd. € sanken, vervierfachten sich die Bestände der Termineinlagen und Eigenemissionen im gleichen Zeitraum von 6 auf nun 23 Mrd. € ++ Der Kreditbestand kletterte zwar noch um 4,1 % auf 163,8 Mrd. €, aber fast ausschließlich auf Basis bereits gegebener Zusagen aus 2022 ++ So ist das Kreditneugeschäft mit 2 Mrd. 2023 um über 40 % eingebrochen. Dies war besonders drastisch bei den neu zugesagten Immobilienkrediten, die von 8 Mrd. € im ersten Halbjahr 2022 auf nur noch 3,1 Mrd. € in den ersten sechs Monaten 2023 um 60 % abstürzten.
++ Das Wertpapiergeschäft legte auch aufgrund der um 1 Mrd. € gestiegenen Käufe (insgesamt 8,1 Mrd. €) unterm Strich auf Umsätze von insgesamt 12,5 Mrd. € um 5 % zu. “Der Entwurf der EU-Kommission zur Kleinanlegerstrategie wird diesem Ziel nicht gerecht. Eine Reduktion des 'information overload' können wir nicht erkennen. Vielmehr werden die Prozesse durch zusätzliche Prüf- und Informationspflichten noch komplexer und auch kostenintensiver", teilte Schneider unsere Kritik an der von der EU vorgelegten Kleinanlegerstrategie (vgl. 'Bi' 22/23). Zudem blieben wesentliche Vorgaben vage und sollten erst später konkretisiert werden. Damit würden die Auswirkungen der neuen Vorschriften für die Kunden und deren Finanzinstitute nicht abschätzbar ++ Das wiederbelebte Bauspargeschäft der LBS Südwest verlief mit 5,45 Mrd. € in den ersten sechs Monaten 2023 nach dem Rekordjahr 2022 weiterhin auf hohem Niveau. Hier entsteht vorbehaltlich der Zustimmung der EZB durch die Fusion mit der LBS Bayern zur neuen LBS Süd dann rückwirkend zum 01.01.2023 die mit Abstand größte Landesbausparkasse in Deutschland.
Aufs Gesamtjahr 2023 bezogen erwarten die baden-württembergischen Sparkassen ++ nach dem Zinsüberschuss von 3,4 Mrd. € in 2022 für dieses Jahr ca. 4 Mrd. € ++ einen um 30 Mio. € leicht höheren Ordentlichen Ertrag von über 1,4 Mrd. € ++ einen Ordentlichen Aufwand, der auch aufgrund höherer Personalkosten um ca. 250 Mio. € auf ca. 3,2 Mrd. € steigt ++ dennoch ein (unbeziffertes) Betriebsergebnis, das über den 1,9 Mrd. € aus 2022 liegt ++ und ein Bewertungsergebnis, das nach den Horrorabschreibungen in 2022 mit Zuschreibungen in 2023 von ca. 50 Mio. € aufgebessert wird ++ sowie einen verfügbaren Gewinn, der das Eigenkapital weiter stärkt und somit den immer weiter steigenden Kapitalanforderungen der Aufsicht schon präventiv Rechnung trägt. "Die Prognose für das Gesamtjahr 2023 sieht nach den außergewöhnlichen Wertpapierabschreibungen in 2022 gut aus. Die Erträge steigen stärker als die Kosten, so dass gute Ergebnisse erwartet werden. Nach den Jahren in der Wüste der Negativzinsen, erwarten wir eine Normalisierung bei unseren Ergebnissen", so BW-Sparkassenpräsident Schneider.
'Bi'-Fazit: Massiver Einbruch bei den Kreditzusagen insbesondere bei Immobilienkrediten, nahezu stagnierende Kundeneinlagen vor allem in Folge der Inflationsauswirkungen bei den privaten Haushalten und Umschichtungen hin zu längerfristig laufenden Zinsprodukten, so der aktuelle kardiologische Bericht der Sparkassen aus der Herzkammer im Südwesten. Die ökonomisch schwierige Lage dürfte sich in ähnlicher Weise auch auf Ihr Tagesgeschäft auswirken. Die Ergebnisse und Prognosen zeigen aber auch, dass die Institute – bei einem kleinen Restrisiko bei der Kreditbewertung – selbst damit wirtschaftlich gut klarkommen. Dass nach Jahren der Dürren durch die Zinswende auch endlich wieder normales Bankgeschäft möglich ist, hilft dabei!