Vor ca. einem Jahr hatten wir als erstes Branchenmedium über ein Grundsatzurteil des BGH berichtet, mit dem dieser die 'Besonderen Anlagebedingungen' eines DWS-Fonds in Teilen als "intransparent" gebrandmarkt hatte (vgl. 'k-mi' 48/23: "'All-in-Fees': BGH schreddert Kostenklauseln von DWS-Fonds"). Mittlerweile ist einiges passiert: Das LG Frankfurt ist inzwischen auch in weiteren Verfahren von seiner bisherigen Linie abgewichen, die genannten, weit verbreiteten All-in-Fees in ihrer bisherigen Form zu tolerieren, und folgt nun in dieser Thematik auch dem BGH. Und insbesondere: Die BaFin hat inzwischen ihre "Musterbausteine für Kostenklauseln offener Publikumsinvestmentvermögen" an die BGH-Rechtsprechung im Verfahren Az. III ZR 216/22 angepasst, über das wir in 'k-mi' 48/23 exklusiv berichtet hatten. All dies ist für den Vertrieb von Investmentfonds von erheblicher Relevanz, so dass wir dazu heute ein Update liefern.
Schauen wir dazu zunächst auf das aktuelle Urteil des LG Frankfurt vom 22.11.2024 (Az. 2-15 S 27/19), das auf einem weiteren BGH-Verfahren beruht (Az. III ZR 268/20). Hier ging es ursprünglich um die Frage, ob die KAGB-Vorschriften für Jahres- und Halbjahresberichte (§ 101, 103 KAGB) die BGB-Auskunftsrechte der Investoren bei Sondervermögen einschränken. Dies sieht der BGH allerdings grundsätzlich nicht so. Beklagte war in dem Verfahren die Allianz Global Investors GmbH. Klägervertreter ist RA Jens Graf/Düsseldorf. Das aktuelle Urteil betrifft den 2-Mrd.-Euro-Fonds der AGI Concentra A, der in § 7 (inzwischen § 8) der Besonderen Anlagebedingungen eine ähnliche Kostenklausel verwendet, wie sie vom BGH am 05.10.2023 (Az. III ZR 216/22) in seinem Urteil gegen die DWS Investment als intransparent eingestuft worden war (vgl. 'k-mi' 48/23).
Das LG Frankfurt führt – entgegen früherer Auffassung – nun auch hierzu aus, dass "Ziffer 7 der besonderen Anlagebedingungen in der genannten Fassung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam" ist, "weil sie nicht klar und verständlich ist und daher die Vertragspartner der Beklagten gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unangemessen benachteiligt". Wie der BGH entschieden habe, so das LG Frankfurt aktuell, "ist unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach eine jährliche Pauschalvergütung nach dem börsentäglichen Inventarwert berechnet werden soll, ohne weitere Erläuterung intransparent, weil nicht klar ist, wie die Vergütung für Tage zu berechnen ist, die nicht Börsentage sind". Entgegen seiner vorherigen Linie betont das LG Frankfurt nun, dass seine "Entscheidung auf der Anwendung der vom Bundesgerichtshof in den Urteilen vom 03.09.2020 (Az.: III ZR 136/18), 21.04.2022 (Az.: III ZR 268/20) und 05.10.2023 (Az.: III ZR 216/22) aufgestellten Rechtsgrundsätze beruht".
Gegenüber 'k-mi' erläutert RA Jens Graf weitere Hintergründe der Entscheidung: "Das LG hat die DWS-Begründung des BGH übernommen und hält die Kostenklausel von Allianz GI (AGI) für ebenfalls intransparent. § 8 Abs. 1 Satz 1 der Besonderen Anlagebedingungen Concentra, Fassung 31.10.2024, S. 100 ff. (BAB), hat, wenn ich richtig sehe, immer noch den vom BGH zitierten Wortlaut. Damit könnte noch die aktuelle Kostenklausel intransparent und unwirksam sein. Aus dem LG-Urteil darf man wohl folgern, dass im Concentra-Fonds seit wenigstens 2016 eine intransparente, d. h. unwirksame Kostenklausel verwendet wurde. Eine neue Klage gegen Allianz GI ist schon unterwegs."
Für den Vertrieb von Investmentfonds ist dabei insbesondere relevant, dass die BaFin ihre sog. Musterbausteine exakt in diesem Punkt abgeändert hat: Die BaFin-Musterbausteine für Kostenklauseln offener Publikumsinvestmentvermögen (ohne Immobilien-Sondervermögen) Stand 15.05.2024 enthalten nun – anders als die vorherigen Fassung der 'Musterbausteine' vom 10.06.2018 sowie vom 30.10.2023 – einen entsprechenden Hinweis, wie der Nettoinventarwert als Bezugsgröße für Gebühren zu berechnen und zu erläutern ist: "Für den Anleger muss erkennbar sein, an welchen Tagen ein Börsentag bzw. Bewertungstag vorliegt und – sofern erforderlich – welche Regelung zur Wertermittlung an Nichtbörsentagen bzw. Nichtbewertungstagen gilt. Darüber hinaus muss klar sein, in welchem Zeitintervall eine Vergütung erhalten werden soll."
'k-mi'-Fazit: Die Kostenklauseln von Investmentfonds sind derzeit wieder – nach den jüngsten BGH-Urteilen – ein juristisches Schlachtfeld. Vertriebe sollten daher prüfen, ob die Anlagebedingungen von Fonds der neuen BGH-Rechtsprechung entsprechen bzw. den jüngst angepassten BaFin-Musterbausteine, die seit ca. einem halben Jahr gelten. Daneben werfen diese juristischen Auseinandersetzungen auch die Frage auf, wie die BaFin ihre Marktaufsicht in diesem Punkt sieht: Kümmert sich die Aufsicht systematisch darum, wenn Anlagebedingungen und Kostenklauseln von Fonds nicht mehr 'up to date' sind in Bezug auf die BGH-Rechtsprechung und die eigenen Merkblätter? Und welche juristischen bzw. zivilrechtlichen Folgen hat bzw. hätte es, wenn nun reihenweise Kostenklauseln von Fonds als intransparent und unwirksam erklärt werden, die sich an den (alten) BaFin-Kostenbausteinen orientiert hatten? U. E. scheint da einiges an Hausaufgaben auf die BaFin zuzukommen.