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Anteilsverkäufe und Abwerbungen: Wohin entwickelt sich der Poolmarkt?

Im Poolmarkt ist seit einiger Zeit Bewegung. Die Bildung von Superpools wird immer wieder als Zukunftsszenario angesprochen. Zuletzt sorgte der Verkauf von 60 % Gesellschaftsanteile der Fonds Finanz Maklerservice GmbH durch die Geschäftsführer und bisherigen Alleineigentümer Markus Kiener und Norbert Porazik an Private-Equity-Investor HgCapital und die in dem Zusammenhang verbreitete Wachstumsstory mit Poolzukäufen für Aufsehen (vgl. ‚vt‘ 50/21).

Eine andere Variante der Vergrößerung ist die Verbreiterung der Marktbasis durch mehr angebundene Vermittler. Die wurde in der Branche teilweise durch Kopfgeldprämien für wechselbereite Berater angeheizt. Der Lübecker Maklerpool blau direkt spricht aktuell verschiedene Berater an und bietet eine Wechselprämie.

Finanzberater informieren uns über die Abwerbeaktion und legen der ‚vt‘-Redaktion ein vom 01.01.2022 datierendes Schreiben vor. „Wir möchten Dich für einen Wechsel begeistern“, lautet das Kernanliegen des durchgängig im Duzton gehaltenen Briefes, das unterschrieben ist von blau direkt-Geschäftsführer Oliver Lang und Christian Anders. Letzterer wurde mit Wirkung zum 01.01.2022 Director Sales bei den Lübeckern und war zuvor Vertriebsdirektor Mitte beim Oberurseler Maklerpool BCA AG.

Dem Schreiben beigefügt ist eine Video-Klappkarte („Willkommen in Deiner digitalen Welt“). Im Video informieren Lang und Anders unter dem Motto „Der Feind des Guten ist das Bessere“ über die digitalen Möglichkeiten bei blau direkt und bieten als Wechselanreiz eine Wechselprämie von 10 % des Jahresumsatzes. Die Klappkarte beinhaltet einen kleinen Bildschirm, Stick, Player und Batterie. Alles sehr hochwertig, auch das MP4Video mit musikalischer Untermalung ist technisch sehr professionell und wurde laut den Angaben auf dem integrierten Stick zuletzt am 30.12.2021 geändert.

Von den Finanzberatern, die uns die Unterlagen auf den Tisch legten, erfahren wir, dass sie BCA-Partner sind. Also eine gezielte Abwerbung? Wir haken bei blau direkt-Chef Oliver Pradetto sowie dem BCA-Vorstandsvorsitzenden Rolf Schünemann nach. Laut BCA-Chef wurden die Oberurseler „aus dem Kreis unserer BCA-Partner sowie Partner unseres Haftungsdachs BfV über die Mail und Post aus Lübeck informiert“.

Unsere Frage, ob ausschließlich BCA-Partner angeschrieben wurden, beantwortet Pradetto mit „Nein“. Die Zahl der Angeschriebenen beziffert er in einem „niedrigen zweistelligen Bereich“, denn „immerhin kostet eine solche Videokarte rund 100 €“. Wie die Aktion bei den angeschriebenen Finanzberatern ankommt und ob das Wechselangebot bereits angenommen wurde, dazu gibt es konträre Sichtweisen:

Mit den Angeschriebenen sei man „schnell in Kontakt getreten, wir erleben viel Zuspruch“. Zudem „melden sich auch viele Makler, die seitens BCA über unsere Aktion in Kenntnis gesetzt wurden“. Das Wechselangebot sei bereits angenommen worden, „das geht tatsächlich überraschend schnell. Konkrete Zahlen rufen aber schnell Nachahmer auf den Plan“, sagt Pradetto.

Laut Schünemann würden BCA-Partner, „die mit uns gesprochen haben, die Werbeaktion mitsamt der gemachten Versprechungen ablehnen“ und „die persönliche Anrede mit umgangssprachlichem Duzen völlig unangemessen“ finden. Außerdem „wurden wir verstärkt gefragt, woher der Wettbewerber die Daten habe“. Man verzeichne „bisher keinen Abgang und wir erwarten auch keine Verluste“.

Bei früheren Abwerbeversuchen von Mitbewerbern hatte Pradetto sich gegen Wechselaktionen mit Geldanreizen ausgesprochen und dies für blau direkt ausgeschlossen. Liegt da ein Sinneswandel vor? An der Einschätzung habe „sich nichts geändert“, so der blau direkt-Chef und verweist auf Aktionen anderer Pools. Da sei es mal um eine ‚Abwrackprämie‘ gegangen, „das war eine Abwertung der Konkurrenz“.

In einem anderen Fall mit „pauschalen Geldangeboten an alle Makler konkurrierender Pools“ sei „erst im Kleingedruckten“ verraten worden, „dass an die ausgelobten Beträge restriktive Bedingungen geknüpft“ waren. „Solche Wechselanreize halten wir wegen des herabsetzenden Charakters einerseits und übertriebenen – gar täuschenden – Anlockens andererseits für wettbewerbswidrig.“ Da aber verschiedene Konkurrenten „Maklern unter der Hand massiv Geldbeträge und stark erhöhte Konditionen anbieten, um diese für sich zu gewinnen“, sei blau direkt „bereit, handverlesenen Maklern ebenfalls Geldanreize zu bieten“. Allerdings mache man das „auch weiterhin nicht pauschal, sondern klar umsatzbezogen“.

Das sei „aus wettbewerbsrechtlicher Sicht eine vollkommen andere, legitime Vorgehensweise. Abwerbung ist ausdrücklich gesetzlich erlaubt“, so Pradetto. „Natürlich möchte jeder Pool mit seinen Leistungen und Angeboten den Makler überzeugen – und das ist in einem fairen Wettbewerb auch gut so“, bekräftigt Schünemann. Doch „bei aller Konkurrenz erfordert Wettbewerb aber auch Regeln und das Einhalten von Umgangsformen, Handgelder als Lockmittel sind an dieser Stelle eindeutig der falsche Weg“.

Der BCA-Chef kritisiert: „Auch unter Berücksichtigung der allgemein anerkannten Compliance Standards bewerten wir daher derartige Abwerbungsversuche als Sündenfall für das Image und das Leistungsversprechen unserer Branche.“ Man lehne „derartige überholte Werbemaßnahmen ab“ und setze „auf Qualität, Leistung und fairen Wettbewerb“. Zu dem im am 01.01.2022 verbreiteten Video mitwirkenden Christian Anders weist Schünemann darauf hin, dieser sei „bis zum 31.12.2021 Arbeitnehmer bei der BCA AG und somit bis zu diesem Zeitpunkt abhängig beschäftigt“ gewesen.

Pradetto erläutert, blau direkt habe „im Vorwege zwar Anbindungsunterlagen sowie Bild- und Tonmaterial zusammengestellt, aber erst mit Vertragsbeginn ist Herr Anders bei uns tätig geworden. Wir haben das sehr korrekt durchgeführt“. Ob das Mitwirken in einem Video einem Tätigwerden gleichzusetzen ist, könnte bei den Pools und Mitwirkenden noch für rege Diskussionen sorgen.

‚vt‘-Fazit: Abwerbungen sind grundsätzlich zulässig. Sorgen haben wir aber mit Blick auf Aktionen, die an die Öffentlichkeit dringen können, wenn diese bei sogenannten Verbraucherschützern, BaFin und Politikern, die der Provisionsvergütung kritisch gegenüberstehen, zum Trugschluss führen, die Vergütungen seien offenkundig immer noch zu üppig. Welchen Erfolg die aktuelle Aktion von blau direkt hat, entscheiden letztlich die Vermittler.

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