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ARAG: Geht bei Verdacht auf fingierten Vertragsabschluss auf Tauchstation

ARAG SE hüllt sich zum Vorwurf eines Versicherungsmaklers in Schweigen. Erst nach ‚vt‘-Intervention werden Beiträge zurückerstattet, in der Hauptsache bleibt die ARAG aber auf Tauchstation: Versicherungsmakler Christopher Schätzl, Vorstand Hans Schätzl Versicherungs- und Finanzmakler AG/Passau, stellt bei einer Mandantin eine Vertragsänderung zu einem ARAG-Rechtsschutzvertrag fest. Die Umstellung auf den aktuellen Tarif mit dreijähriger Laufzeit vom 01.03.2024 bis zum 01.03.2027 erfolgte laut Beratungsdokumentation des an die ARAG gebundenen Vertreters im Fernabsatz. Demnach soll am 06.02.2024 von 17.50 bis 18.00 Uhr ein Telefonat stattgefunden haben.

Wie der Versicherungsmakler berichtet, bestreitet die Kundin ein solches Telefonat. Ebenso bestreitet sie, die Zustimmung zu einer Vertragsverlängerung gegeben zu haben. Zudem sind die Vertragsangaben nicht korrekt. Laut Fernabsatz-Antrag ist die Kundin Arbeitnehmerin im öffentlichen Dienst. Doch sie ist nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt. Abgeschlossen wurde der ‚Komfort Tarif Familie, Privat, Beruf, Verkehr ohne Wohnen‘ sowie ein Fahrzeugschutzbrief für ein Fahrzeug. Die Kundin besitzt aber eine Immobilie und hat vier Fahrzeuge im Haushalt.

Für die Empfangsbestätigung der diversen Unterlagen ist vorgesehen, dass der Empfang vor Beantragung mit dem per SMS an die anzugebende Rufnummer gesendeten Code bestätigt werden muss. Hierzu ist in den Besonderen Vereinbarungen vermerkt: „Fernabfrage! Antrag lt. telefonischer Absprache, Antrag per SMS Code nicht möglich.“ Warum dies nicht möglich gewesen sein soll, wird nicht ausgeführt. Die Kundin verfügt jedenfalls über ein Mobiltelefon.

Die VN will den Vertrag aufheben und sich die bereits gezahlten Beiträge rückerstatten lassen. Ein entsprechendes Schreiben des mandatierten Versicherungsmaklers an die ARAG vom 19.11.2024 blieb ebenso unbeantwortet wie eine Erinnerung vom 04.12. Telefonisch erfährt das Maklerbüro am 17.12. von der ARAG, dass man keine Beiträge zurückzahlen würde. Am 19.12. haben wir Dr. Matthias Maslaton, Mitglied des Vorstands der ARAG SE für das Ressort Konzern Vertrieb, Produkt und Innovation, eine Stellungnahme abgefordert:

++ Zur Empfangsbestätigung der Vertragsunterlagen regelt die ARAG als Unterschriftsersatz: „Alle zum Antrag gehörenden Unterlagen werden vor Beantragung verschlüsselt an die E-Mail des Antragstellers übermittelt. Der Empfang muss vor Beantragung mit dem per SMS an die anzugebende Rufnummer gesendeten Code bestätigt werden.“ Der ARAG-Vertreter hat vermerkt: „Antrag per SMS Code nicht möglich.“ Welche rechtliche Bedeutung hat die Empfangsbestätigung mit Code per SMS? Warum kommt ein Vertrag ohne weitere Prüfung zustande, obwohl diese Vorgabe nicht eingehalten wurde? Welche Rechtsfolgen ergeben sich daraus? Ist es bei der ARAG üblich, dass im Fernabsatz auf die korrekte Empfangsbestätigung verzichtet wird?

++ Laut Kundin wurde mit ihr das der Beratungsdokumentation zu entnehmende Telefonat nicht geführt. Demnach steht zu vermuten, dass das vom ARAG-Vertreter schriftlich dokumentierte telefonische Beratungs- und Vermittlungsgespräch nicht stattgefunden hat. Was hat die Überprüfung der ARAG ergeben und wie bewertet die ARAG dies? Welche Rechtsfolgen hat es, wenn der Vertrag ohne Zustimmung des VN verlängert wurde?

Mit Posteingang 09.01.2025 erhält Schätzl, der Mitglied im Versicherungsmakler-Berufsverband Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM) ist, ein Schreiben der ARAG vom 03.01. „Vielen Dank für das Telefonat vom 17.12.2024. Entgegen unserer seinerzeitigen Aussage werden wir die gezahlten Versicherungsbeiträge ab dem 01.03.2024 erstatten.“ Immerhin, es tut sich was bei der ARAG. Obwohl die Beiträge zurückerstattet werden, bleibt über den 01.03. hinaus die ARAG in der Leistungspflicht:

„Der Versicherungsschutz wurde bis zum 01.12.2024 fortgeführt. Seit dem 01.12.2024 gilt der Versicherungsvertrag als beendet.“ Das deutet darauf hin, dass die ARAG intern ein Fehlverhalten erkannt hat. Doch zu den gravierenden Vorwürfen und Fragen gibt die ARAG weder Versicherungsmakler Schätzl noch der ‚vt‘-Redaktion Antwort.

Dabei stinkt der Fall zum Himmel: Erstens legen die Angaben in den der ‚vt‘-Redaktion vorliegenden Unterlagen sowie den dem Versicherungsmakler vorliegenden Aussagen der Kundin den Schluss nahe, dass der ARAG-Vertreter den Vertragsabschluss fingiert, falsche Angaben gemacht und Falschaussagen getätigt hat.

„Die Umstellung erfolgt auf Wunsch des VN laut telefonischer Absprache“, behauptet der ARAG-Vertreter in der Beratungsdokumentation, während die Kundin ein solches Telefonat bestreitet. Sie sei zu dem vom Vertreter genannten Zeitpunkt nachweislich nicht zu Hause gewesen und sowohl Auswertungen des Routers als auch des Mobiltelefons zeigten, dass im dokumentierten Zeitraum weder ein aus- noch ein eingehender Anruf erfolgte. Zumal es sich um einen gebundenen Versicherungsvertreter handelt, sehen wir die ARAG in der Pflicht zur Aufklärung, Maßnahmenergreifung und in der Haftung. Doch zweitens, und das macht den Vorgang umso prekärer für die ARAG und deren Vorstandssprecher Dr. Renko Dirksen: Wie genau schaut die ARAG hin – oder (regelmäßig) weg? Denn statt Unterschrift soll eine SMS-Code-Bestätigung erfolgen:

„Alle zum Antrag gehörenden Unterlagen werden verschlüsselt an die E-Mail des Antragstellers übermittelt. Der Empfang muss vor Beantragung mit dem per SMS an die anzugebende Rufnummer gesendeten Code bestätigt werden.“ Diese Regelung zur SMS-Code-Bestätigung findet sich auch bei der Einwilligung zur Schweigepflichtentbindungserklärung.

Doch alle Verifizierungsmechanismen werden ausgehebelt mit dem lapidaren Hinweis des ARAG-Vertreters: „Fernabfrage! Antrag per SMS-Code nicht möglich.“ So unaufmerksam und schlecht kann man einen Antrag nicht prüfen, dass man den bei ‚Besondere Vereinbarung‘ eingetippten und mehrfach bei ‚Bestätigung‘ handschriftlich vermerkten Hinweis „Antrag per SMS-Code nicht möglich“ übersieht. Für Versicherungsmakler Schätzl, der kurz vor Weihnachten die Zustellung seines Schreibens an ARAG-Boss Dirksen vom 19.11. per Gerichtsvollzieher veranlasste, ist „es nicht nachvollziehbar, dass ein Versicherer auf eine Vorstandsbeschwerde bei einem derart klaren Fall einer manipulierten Vertragsverlängerung nicht reagiert, eine weitere Erinnerung per Fax glaubt, mit einem lapidaren Anruf abwiegeln zu können und erst nach erneuter Zustellung meiner Beschwerde per Gerichtsvollzieher (!) sich, wenn auch nur oberflächlich, zum Vorgang einlässt. Die Tugenden eines ehrbaren Kaufmannes spielen hier offensichtlich keine Rolle mehr, es fehlt an Anstand!“ Weiterhin „ist es mir unerklärlich, wie eine derart leicht auszutricksende Antragsstrecke durch die nach § 29 VAG verpflichtenden Complianceprüfung abgenickt werden kann“, kritisiert der Passauer.

‚vt‘-Fazit: Ist der ARAG-Vertreter so dreist (oder kriminell?), dass er fingierte Anträge einreicht? Oder vertraut er darauf, dass bei der ARAG bei der Antragsprüfung an manchen Stellen weggeschaut wird und somit solche Anträge durchgewunken werden? Wir haben keine Erklärung, wie man extra vorgesehene Verifizierungsmechanismen so einfach aushebeln kann, und die ARAG hat uns unsere diesbezüglichen Fragen nicht beantwortet. „Der Versicherer muss bei seiner Vertriebstätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln.“ Wenn so deftig gegen § 1a VVG verstoßen wird und die ARAG keinerlei Aufklärungs- und Abstellungsinteresse erkennen lässt, ist das u. E. mindestens ein Fall für die BaFin.

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