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BaFin-Aufsichtsgesetz als Bumerang – Deutschland wird zur Beratungswüste

Elgin Gorissen-van Hoek, Stv. Vorsitzende des Bundesverbandes Finanz-Planer e. V., Honorar-Finanzanlagenberaterin gemäß § 34h GewO, Puchheim –

Mit dem geplanten Gesetz zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinAnlVÜG) werden die unabhängigen Berater und Vermittler vom Markt verschwinden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) begrüßt zur Beseitigung der "provisionsgeleiteten Fehlberatung" auch die Aufsicht der BaFin über die Finanzdienstleister. Absehbar ist, dass Banken, Vertriebsgesellschaften, Haftungsdächer und Strukturvertriebe den Markt unter sich aufteilen werden. Verbraucher finden kein Angebot mehr an freien und unabhängigen Beratern. Da darf man die Frage stellen: Hat der VZBV eigentlich die präferierten unabhängigen Honorar-Finanzanlagenberater komplett vergessen?

Massive Behinderung der Berufsausübung der unabhängigen Berater

Auch für die knapp 200 Honorar-Finanzanlagenberater in Deutschland gelten bald inakzeptable Vorschriften. Das Taping einer unabhängigen Beratung ist ein absolutes No-Go. Da Berater und Vermittler ausschließlich als Boten fungieren und am Telefon nichts verkaufen dürfen (!), kann das Taping ohne Nachteile für Verbraucher vollständig entfallen. Nur für Honorar-Finanzanlagenberater in Deutschland soll eine Aufzeichnungspflicht der telefonischen Beratung gelten. Kein Rechtsanwalt, kein Steuerberater, kein Arzt wird verpflichtet, das Vertrauensverhältnis zum Mandanten oder Patienten zu gefährden und vertrauliche telefonische Beratung aufzuzeichnen. Da eine Finanzanlagenberatung immer durch Informations- und Dokumentationspflichten auf dauerhaftem Datenträger begleitet wird, ist der Verbraucher bestens geschützt. Es wird erwartet, dass die unabhängigen Honorar-Finanzanlagenberater die erwarteten Mehrkosten durch die BaFin-Aufsicht von mehreren Tausend Euro am schwierigsten stemmen können – angesichts der provisionsbasierten 'Beratung-kostet-nichts'-Kultur. Verbraucher werden sich verwundert fragen, warum sie rund 100 € mehr (!) pro Stunde für Beratung bezahlen sollten oder um 33 % gestiegene Servicegebühren? Ganz einfach: Die Kosten müssen betriebswirtschaftlich auf die Honorare umgelegt werden.

Stundensätze fallen nicht vom Himmel

Eine betriebswirtschaftliche Kalkulation des Stundensatzes basiert auf der Kostenstruktur und insbesondere bei Honorarberatern auf den produktiven Stunden, die in Rechnung gestellt werden können. In einem Einzelberatungsbüro für Versicherungen und Finanzanlagen mit einer 450-€-Kraft und einem angemieteten Büro fallen 120.000 € Nettokosten im Jahr an. Die Personalkosten für den Minijob und den kalkulatorischen Unternehmerlohn machen 60 % aus. Im Unternehmerlohn sind alle sozialen Absicherungen und die Altersvorsorge, die Einkommensteuer sowie die Lebenshaltungskosten enthalten. 40 % der Kosten verursachen Büromiete, Kfz, Abschreibungen, Steuern, Versicherungen und weitere Sachkosten. Nach Abzug der 'unproduktiven' Stunden für Marketing und Akquise, Fortbildung, Organisation und Compliance-Aufgaben resultieren knapp 300 produktive Stunden pro Jahr für Finanzanlagen. Mit 10 % Gewinnzuschlag und 19 % Mehrwertsteuer wird ein Brutto-Stundenhonorar von 275 € benötigt, um davon leben zu können.

Tausende Euro Mehraufwand nur für Taping und Geeignetheitsprüfung

Schon ab dem 1. August diesen Jahres erhöht die neue FinVermV mit der Aufzeichnung der elektronischen Kommunikation wie Taping und Webmeeting, Geeignetheitsprüfung und dem Ex-ante-Kostenausweis die Kosten der Berater deutlich. Für entsprechende Softwarelösungen und die IT-Technik können jährlich 3.000 € veranschlagt werden. Daneben entsteht Zeitaufwand für Taping-Installation, Löschungskonzept, organisatorische Einbindung und Durchführung der Geeignetheitsprüfung und -erklärung und den jährlich Geeignetheitsbericht mit drei Tagen und zusätzlich 30 Minuten je Kunde. Bereits bei 60 Kunden fehlen 54 produktive Stunden pro Jahr. Der betriebswirtschaftlich kalkulierte Stundensatz steigt um 81 €.

BaFin-Kosten treffen alle Vermittler

Einen Kostenblock von 36,4 Mio. € + 5,18 Mio. € wird die BaFin auf die zahlungspflichtigen Finanzanlagendienstleister und Vertriebsgesellschaften verteilen. Nach der AfW-Vermittlerumfrage 2019 plant fast die Hälfte der 15.000 ungebundenen Vermittler die Rückgabe der § 34f-Erlaubnis. Davon verabschieden sich rund 3.000 ganz von den Finanzanlagen. Heute arbeiten über 23.000 von 38.000 als gebundene Vermittler – größtenteils für Strukturvertriebe. Weitere unabhängige Finanzdienstleister werden sich in dem Glauben anbinden, Aufsichtskosten damit vermeiden zu können. Jedoch müssen auch Vertriebsgesellschaften für die angebundenen Vermittler BaFin-Kosten einkalkulieren und werden diese Kosten auf ihre Vermittler und die Produkte umlegen. Die Bundesregierung schätzt die jährliche Umlage auf 510 € und die durchschnittlichen Gesamtkosten auf 985 € bei 37.000 Finanzanlagendienstleistern. Sinkt die Zahl auf rund 30.000, dann steigen die Kosten für die verbleibenden Finanzanlagendienstleister auf mindestens 1.200 € an.

Stundensatz auf Rekordhöhe - Compliance Vorschriften kommen hinzu

Neben den eigentlichen Aufsichtskosten von rund 1.200 € müssen die Kosten für die jährliche Selbsterklärung, eine risikoorientierte Prüfung und weitere Arbeiten gestemmt werden. Eine Software mit BaFin-Schnittstelle ist anzuschaffen, Kosten für Berater und Wirtschaftsprüfer sowie der Vorbereitungsaufwand für die Selbstauskunft und ggf. eine Prüfung fallen an. Die Kosten werden auf 3.000 € geschätzt, der Zeitaufwand auf mindestens drei Tage pro Jahr. Damit steigt der betriebswirtschaftlich kalkulierte Stundensatz um weitere 52 €. In der nebenstehenden Tabelle sind diese Kostensteigerungen bzw. ihre Auswirkungen auf den zu kalkulierenden Brutto- Stundenhonorarsatz veranschaulicht.

Vermittler sollten nicht nur die Kosten vergleichen

Investmentpools und Honorar-Servicegesellschaften sind ebenso verpflichtet, für die einreichenden Vermittler alle Compliance-Anforderungen umzusetzen, wozu nicht mehr viel Zeit verbleibt. Die Umlegung der Kosten handhaben die Gesellschaften sehr unterschiedlich, wie eine Umfrage zu den Taping Kosten ergab. Am Ende werden auch die angeschlossenen Berater und Vermittler an den zusätzlichen Kosten in Form von höheren Gebühren und reduzierten Auszahlungen beteiligt, die sorgfältig bei den Anbietern verglichen werden sollten. Der Bundesverband Finanz-Planer e. V. unterstützt unabhängige Vermittler und Berater mit fachlichem und juristischem Rat bei ihrer Entscheidung, der Kalkulation und den Compliance Aufgaben. Sie profitieren von Skalierungseffekten und müssen ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben.

 

Die Beilage finden Sie hier auch nochmal als PDF zum Runterladen.

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