Seit mehreren Jahren klagen Versicherungsmakler u. a. über die schlechte Erreichbarkeit einiger Versicherer, lange Bearbeitungszeiten bei Anfragen und Anträgen. Als Gründe könnte man Nachwirkungen der Coronazeit bedingte Änderungen, uneinsichtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Reduzierung der Homeoffice-Regelungen oder Fachkräftemangel nennen.
Dass die Gründe für lange Bearbeitungszeiten aber keine Rolle spielen, hat die Aufsicht nun unmissverständlich klar gemacht: Bei Leistungsanträgen erwartet die BaFin grundsätzlich eine Bearbeitung innerhalb eines Monats! Hintergrund der Aufsichtsmitteilung vom 11.04.2025 sind zahlreiche bei der BaFin eingereichte Verbraucher-Beschwerden.
Zu den Rechtsgrundlagen führt die BaFin aus: „Gemäß der zivilrechtlichen Bestimmung des § 14 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen eines Versicherers mit dem Abschluss der notwendigen Erhebungen zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung des Versicherers fällig. Notwendige Erhebungen sind alle Maßnahmen, die ein durchschnittlich sorgfältiges Versicherungsunternehmen anstellen muss, um das Bestehen und den Umfang seiner Leistungspflicht abschließend zu ermitteln. Die Prüfung schließt auch eine gewisse Überlegungsfrist des Versicherers ein. Hat demnach der Versicherer alle vom Versicherungsnehmer erbetenen Informationen erhalten und sind keine weiteren sachlichen Gründe für die Leistungsverweigerung ersichtlich, hat die Erstattung unverzüglich zu erfolgen.“ Der Versicherungsaufsicht kommt gemäß § 294 Abs. 2 VAG die Pflicht zu, „auf die Einhaltung der Gesetze, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gelten, und auf die ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten“, erläutert die BaFin.
Dabei ist nach § 294 Abs. 3 VAG Gegenstand der rechtlichen Aufsicht „insbesondere die ordnungsgemäße Durchführung des Geschäftsbetriebs einschließlich der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen, der das Versicherungsverhältnis betreffenden und aller sonstigen die Versicherten betreffenden Vorschriften“. Wer als Versicherer dazu nicht in der Lage ist, braucht auch nicht irgendwelche Entschuldigungs-Gründe anführen, denn „Versicherungsunternehmen müssen ihren Geschäftsbetrieb derart organisieren, dass sie die gesetzlichen Vorgaben beachten (wirksame und ordnungsgemäße Geschäftsorganisation). Zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 VAG gehört dabei insbesondere auch, dass die den Versicherungsnehmern und bezugsberechtigten Personen zustehenden Ansprüche fristgerecht, d. h. unverzüglich nach Abschluss der notwendigen Erhebungen, erfüllt werden können.“
Was im Einzelfall oder bei einer kurzfristigen Dauer möglicherweise noch ‚durchgeht‘, kann aber nicht längerfristig als ‚Entschuldigung‘ herangezogen werden: „Mangelnde Personalressourcen oder auch ein erhöhtes Schadenaufkommen können insoweit keine Gründe für eine dauerhaft verzögerte Leistungsbearbeitung sein“, macht die BaFin klar. Unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung kommt die Aufsicht zu dem Ergebnis, dass „in durchschnittlich gelagerten Versicherungsfällen die notwendigen Erhebungen nach Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalls abgeschlossen sind, vorausgesetzt der Versicherungsnehmer ist seinen Mitwirkungsobliegenheiten vollumfänglich nachgekommen. Insofern erwartet die BaFin, dass Versicherer an sie gerichtete Leistungsanträge von Verbrauchern grundsätzlich spätestens nach einem Monat abschließend bearbeiten.“
Dabei verkennt die BaFin nicht, dass es auch komplexe Fälle gibt, bspw. mit Personenschäden, bei denen es sein kann, dass „zur Prüfung der Leistungsvoraussetzungen z.B. die Einholung von Sachverständigengutachten, medizinische Untersuchungen, Ortsbegehungen, die Einsichtnahme in behördliche Ermittlungen oder das Abwarten des Ausgangs eines Strafverfahrens erforderlich sind. In solchen Fällen kann auch eine längere Bearbeitungszeit von Leistungsanträgen als ein Monat angemessen sein.“
Versicherern, die auch bei ‚normalen‘ Fällen häufiger mit langen Bearbeitungszeiten glänzen, schreibt die BaFin ins Gebetbuch: „Soweit Leistungsverzögerungen Missstände begründen, kann die BaFin auf der Grundlage des § 298 Abs. 1 VAG nach Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens alle Maßnahmen ergreifen, die geeignet und erforderlich sind, um die Missstände zu vermeiden oder zu beseitigen. Ein Missstand ist jedes Verhalten, das den Aufsichtszielen des § 294 Abs. 2 VAG widerspricht.“
‚vt‘-Fazit: Bei der Vielzahl an Anträgen kann es immer mal zu einem Fehler kommen. Doch was bei einigen Versicherern wenige Fälle sind, ist bei anderen Versicherern der schlechte Normalzustand. Daher sprechen wir hier auch nicht pauschal von ‚die Versicherer‘, sondern von ‚einigen Versicherern‘. Wir haben in den letzten Jahren Versicherungsmaklern immer wieder empfohlen, im Namen des Kunden oder den Kunden dabei unterstützend eine sachliche Beschwerde bei der BaFin einzureichen.
Bei den ‚Spezialisten‘ unter den Versicherern, für die § 1a VVG ein Fremdwort zu sein scheint, haben wir Ihnen Musterbeschwerden bereitgestellt. Die BaFin macht eine klare Ansage, die u. E. weder erstaunlich noch unberechtigt ist. ‚Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht‘: Das fortgesetzte negative Verhalten mehrerer Versicherer fällt beim Image nun allen Versicherern auf die Füße.
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