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BaFin: Hält LVM-Infoverweigerung BGH-Rechtsprechung und § 1a VVG stand?

Der LVM Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a.G. zeigt sich als notorischer Informationsverweigerer. Das erschwert die Tätigkeit der vom Kunden beauftragten Versicherungsmakler. Insbesondere drohen auch Nachteile für die Versicherungsnehmer. Diese LVM-Praxis ist nicht nur höchst verbraucherunfreundlich, sie dürfte auch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Kriegsfuß stehen:

Der ‚versicherungstip‘-Redaktion wurden in jüngerer Zeit gleich drei vergleichbare Fälle von verschiedenen Versicherungsmaklern auf den Tisch gelegt. Üblicherweise werden LVM-Kunden Mandanten von Versicherungsmaklern, weil sie mit ++ der Betreuung durch die LVM-Vertrauensleute ++ dem Service der LVM oder ++ den LVM-Produkten nicht zufrieden sind. Doch wenn die LVM dann Post von dem durch den Versicherungsnehmer beauftragten und bevollmächtigten Versicherungsmakler erhält, reagieren die Münsteraner bockig.

So teilte die LVM Dirk Brüggenthies, Geschäftsführer Brüggenthies Versicherungsmakler GmbH & Co. KG/Bad Salzuflen, im Zusammenhang mit einem Hausratvertrag mit: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen Vertragsauflistungen, Leistungsübersichten oder Schadenaufstellungen nicht zukommen lassen werden, da wir hierzu nicht verpflichtet sind (BGH-Az. IV ZR 165/12).“ Bei Versicherungsmakler Christian Gusek/Schwetzingen, der sich bezüglich eines Gebäudevertrages für seinen Mandanten einsetzte, verweigerte die LVM Informationen mit folgender hanebüchener Begründung: „Bitte haben sie Verständnis, dass es sich bei Schadeninformationen um unternehmensinterne Daten handelt, die wir nicht kommunizieren werden.“

Und, so wie Kollege Brüggenthies, ‚durfte‘ André Kirschner, Geschäftsführer André Kirschner Finanz- & Versicherungsmakler GmbH & Co.KG/Blankenburg, kopfschüttelnd lesen: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen Vertragsauflistungen, Leistungsübersichten oder Schadenaufstellungen nicht zukommen lassen werden, da wir hierzu nicht verpflichtet sind (BGH-Az. IV ZR 165/12).“ Versicherungsmakler Kirschner hatte die LVM für seinen Kunden im Zusammenhang mit einer Wohngebäudeversicherung angeschrieben.

Eine Auskunftsverweigerung, obwohl die umfassende Vollmacht mit Postempfangsvollmacht anerkannt wird bzw. nach BGB auch anerkannt werden musste: „Willenserklärungen, die Sie im Namen des Kunden aussprechen, werden wir so behandeln, als seien diese Willenserklärungen vom Kunden selbst ausgesprochen worden.“

Die LVM ist hinsichtlich der Blockierung der Versicherungsmaklertätigkeit ein ausdauernder und regelmäßiger Wiederholungstäter. Doch es geht nicht nur um zusätzliche Arbeit für Versicherungsmakler, sondern um die Gefahr, dass Versicherungsnehmer einen gravierenden Nachteil erleiden.

Über Jahre hinweg und durch mehrere Gerichtsinstanzen hindurch war die LVM ein hartnäckiger Verweigerer der Korrespondenzpflicht trotz vorliegende Postempfangsvollmacht, bis der BGH dem Versicherer 2013 diesen Zahn zog (vgl. ‚vt’ 25/13: „BGH verurteilt LVM zu Verbraucherschutz“). Genau dieses Korrespondenzpflicht-Urteil zieht die LVM seit geraumer Zeit heran, um nun eine unverständliche Informationsverweigerung zu begründen.

Bisher ist uns aber kein Fall bekannt, in dem die LVM neben dem Textbaustein auch mal erläutert, auf welcher Passage des BGH-Urteils sie sich stützt, zur Schadensaufstellung etc. nicht verpflichtet zu sein. Eine plausible Begründung dürfte der LVM allerdings auch schwerfallen.

Denn den Kunden stehen Auskünfte zu Vorschäden durchaus zu, wie RAin und Fachanwältin für Versicherungsrecht Kathrin Pagel, Partnerin in der Kanzlei Michaelis, bereits 2018 in einem ähnlichen Fall auf ‚vt’-Anfrage erläuterte (vgl. ‚vt‘ 05/18):

„Wenn der VN sich nicht sicher ist, ob die von ihm anzugebenden Vorschäden vollständig sind, kann er um Auskunft beim bisherigen VR bitten, indem er genau dies so angibt und feststellt, dass ihm die zugehörigen Unterlagen fehlen. Nach § 3 Abs. 4 S. 1 VVG kann der VN vom VR jederzeit Abschriften der Erklärungen verlangen, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat.

Somit hat er jedenfalls Anspruch auf Auskünfte über seine Schadensmeldungen und eingereichte Unterlagen und Erklärungen, die davon erfasst sein dürften. Es genügt dem VN ggf. auch schon eine Bestätigung, dass es keine weiteren Vorschäden als die angegebenen gab, was dem VR ohne weiteres möglich sein dürfte. Der Auskunftsanspruch ergibt sich in dem Fall auch aus dem bestehenden Vertragsverhältnis als vertragliche Nebenpflicht aus § 280 BGB, wenn es sich um schutzwürdige Interessen des VN handelt, wovon auszugehen sein dürfte.

Obwohl die LVM sich seit längerer Zeit auch gegenüber der ‚vt‘-Redaktion als notorischer Antwortverweigerer zeigt, haben wir erneut LVM-Chef Dr. Mathias Kleuker mit den Sachverhalten konfrontiert und eine Stellungnahme abgefordert: ++ Aus welchen Ausführungen im BGH-Urteil (Az. IV ZR 165/12) entnimmt die LVM, dass sie nicht verpflichtet ist, Vertragsauflistungen, Schadenaufstellungen und Leistungsübersichten VN oder den von VN bevollmächtigten Versicherungsmaklern bereitzustellen?

++ Warum handelt es sich nach Auffassung der LVM bei Schadeninformationen zum Vertrag des VN um unternehmensinterne Daten? Wie vereinbart sich diese Auskunftsablehnung mit dem BGH-Urteil vom 15.06.2021 (Az. VI ZR 576/19)? Die lapidare, allerdings von uns erwartete, Antwort auf unsere Anfrage an Dr. Kleuker lautet: „Ich bitte um Verständnis, dass wir Ihre Anfrage vom 25.11. inhaltlich nicht beantworten.“ Vielleicht, weil man weiß oder erkannt hat, dass diese Informationsverweigerung gegen höchstrichterlicher Rechtsprechung verstößt?

Da erinnern wir an unseren Bericht über das BGH-Urteil zum Auskunftsanspruch der VN (vgl. ‚vt‘ 48/21): Denn der BGH hat mit Urteil vom 15.06.2021 (Az. VI ZR 576/19) weitreichende Auskunftsansprüche für Versicherungsnehmer nach Art. 15 DS-GVO bestätigt. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die eingangs genannten Fälle der Versicherungsmakler Brüggenthies, Gusek und Kirschner datieren alle nach diesem BGH-Urteil!

‚vt‘-Fazit: Es sagt viel über das Kundenverständnis der LVM aus, wenn man auch langjährigen Versicherungsnehmern, die immer treu und brav ihre Prämien gezahlt haben, so übel mitspielt. Da darf man sich schon wundern, dass die spitzfindigen LVM-Juristen, die sich diese (u. E. rechtlich nicht haltbaren) Musterformulierungen haben einfallen lassen, bis hin zum Vorstandsvorsitzenden Dr. Kleuker, morgens überhaupt noch in den Spiegel schauen können.

Doch wenn das Geschäftsmodell den Verbraucherschutz ignoriert und ein Verstoß gegen § 1a VVG vorliegt, dann hilft nur der Gerichtsgang (den Kunden meist scheuen, was der LVM bewusst sein dürfte) oder alternativ eine Beschwerde bei der BaFin. Kunden können und sollten sich daher bei der BaFin über die LVM beschweren.

Damit Sie Ihre Kunden dabei unterstützen können und diese Unterstützung Ihnen möglichst wenig Arbeit bereitet, haben wir eine Muster-Beschwerde entworfen. Das Musterschreiben können Sie in der ‚vt‘-Redaktion abfordern, auf den konkreten Fall anpassen und Ihrem Kunden zur Verfügung stellen. (Das BaFin-Beschwerdeschreiben kann hier heruntergeladen werden.)

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