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BaFin: Nichtbeachtung einer Vollmacht ist grundsätzlich ein Verstoß gegen § 1a VVG

Seit rund zweieinhalb Jahren landen immer wieder Fälle auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch, bei denen Versicherer gültigen Vollmachten ein Verfallsdatum andichten. Hakt ‚vt‘ dann bei den Vorständen nach, räumen in manchen Fällen die Versicherer eine interne Falschinterpretation ein und korrigieren den Fehler. Doch bei einigen Versicherern herrscht wenig Einsicht, die Ablehnung von unbefristeten und vom Vollmachtgeber nicht widerrufenen Vollmachten wiederholt sich mit teils abenteuerlichen Begründungen.

‚versicherungstip‘ hat das Problem nun an die Aufsichtsbehörde adressiert: Wenn Versicherer argumentieren, dass sie eine Vollmacht zum Wohle des Kunden ablehnen, weil bspw. ++ diese zu alt sei ++ Vollmachten älter als zwei Jahre nicht akzeptiert werden oder ++ nur Vollmachten mit Formulierungen des Versicherers wie auf einem beigefügten Formular berücksichtigt werden, so geht das aus mehreren Gründen komplett fehl. Denn Verbraucher geben mit der Vollmacht eine eindeutige Willenserklärung ab. Die unberechtigte Zurückweisung einer gültigen Vollmacht kann für den VN zu Nachteilen führen. Bspw. wenn dadurch eine angeforderte Unterlage nicht oder verspätet dem vom Verbraucher beauftragten und bevollmächtigten Versicherungsmakler zur Verfügung gestellt wird und durch die erst später mögliche Handlung des Maklers negative Folgen für den Kunden entstehen. Daher verstößt die Missachtung einer vom Kunden erteilten Vollmacht u. E. gegen § 1a VVG, „stets ehrlich, redlich und professionell“ im „bestmöglichen Interesse“ des VN zu handeln, u. a. beim „Mitwirken bei Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen“. Doch wie sieht die BaFin das? Wir haben das Problem Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht, geschildert und um Bewertung gebeten. Im Gegensatz zur ‚vt‘-Redaktion, die eine Zunahme der unberechtigten Ablehnung gültiger Vollmachten verzeichnet, sieht die BaFin „aktuell keine zunehmende Verbreitung der Missachtung gültiger Vollmachten durch Versicherer“, heißt es aus Bonn. Auch unsere Frage nach Verbraucherbeschwerden wird beantwortet: „Der BaFin liegen diesbezüglich lediglich vereinzelte Beschwerden vor.“

Da die BaFin nicht für Beschwerden der Versicherungsmakler zuständig ist – da hätte die Aufsicht gewiss inzwischen reichlich zu tun bekommen – sind beide Antworten nachvollziehbar und gut erklärbar. Meist kümmert sich der Versicherungsmakler um das schikanöse Verhalten der betreffenden Versicherer, beschwert sich beim Versicherer, legt die Sache der ‚vt‘-Redaktion vor oder holt sich eine aktuelle Vollmacht beim Kunden. Der Verbraucher bekommt wenig oder gar nichts davon mit. Einen Anlass zur Beschwerde kann er somit nur selten erkennen.

Doch hätte eine Beschwerde überhaupt Aussicht auf Erfolg? Verstößt nach Auffassung der BaFin die Nichtbeachtung einer unbefristeten und nicht widerrufenen Vollmacht gegen § 1a VVG? Die Antwort der Bonner lässt keinen Zweifel zu: „Nach Auffassung der BaFin verstößt die Nichtbeachtung einer unbefristeten, nicht widerrufenen und umfassenden Vollmacht grundsätzlich gegen § 1a VVG. Lediglich in Ausnahmefällen können wichtige Gründe in der Person des konkreten Versicherungsmaklers die Korrespondenz mit ihm für den Versicherer unzumutbar machen.“ Dazu verweist die Aufsicht auf „die diesbezüglichen Ausführungen des BGH unter Rn. 16 in seinem Urteil vom 29.05.2013 - IV ZR 165/12“. Der BGH vertritt unter Randnummer 16 die Auffassung, „wichtige Gründe in der Person des konkreten Maklers (könnten) die Korrespondenz mit ihm für den Versicherer unzumutbar machen“. Dabei führt der BGH als wichtigen Grund an, „wenn es sich bei dem eingeschalteten Makler um einen ehemals bei diesem Versicherer beschäftigten Ausschließlichkeitsvertreter handelt“. Denn dann sei es dem Versicherer „nicht zuzumuten, durch Zusammenarbeit mit ehemals eigenen Vertretern deren Geschäftstätigkeit zu seinem Nachteil zu fördern“. Abgesehen davon, dass es fragwürdig war und ist, warum der BGH in dem Urteil aus 2013 (mit Verweis auf ein 1992 ergangenes Urteil des OLG Bamberg) die Geschäftstätigkeit des Versicherers höher bewertet als den in der Vollmacht dokumentierten Verbraucherwillen, bezieht sich das Urteil ausschließlich auf die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit einer Korrespondenzpflicht. Wenn der ordnungsgemäß bevollmächtigte Versicherungsmakler eine Vertragsänderung oder Kündigung ausspricht, dann wäre dies u. E. auf jeden Fall zu bestätigen. Allenfalls, wenn der Fall eines früheren Vertreters vorliegt, könnte nach (bisheriger) BGH-Rechtsprechung die Korrespondenzpflicht entfallen, doch dann müsste die Bestätigung zumindest an den VN gehen. Wenn einige Versicherer regelmäßig rechtswidrig Vollmachten ignorieren, dann stellt sich uns die Frage, wann die BaFin die Versicherer über das Fehlverhalten aufklärt. Kann oder wird die (nach unserer Beobachtung zunehmende) Nichtbeachtung einer unbefristeten und nicht widerrufenen Vollmacht Thema eines BaFin-Rundschreibens an die Versicherer sein? Diese Frage haben wir Dr. Grund vorgelegt. „Ein BaFin-Rundschreiben o.Ä. ist in dieser Sache derzeit nicht geplant“, teilt die Aufsicht mit. Die Brisanz des Themas – Verstoß gegen § 1a VVG – ist gegeben, doch offensichtlich fehlt es an der Zahl der Verbraucherbeschwerden, die der BaFin die weite Verbreitung dieses Fehlverhaltens vor Augen führen.

‚vt‘-Fazit: ll Nutzen Sie die gute ‚vt‘-Recherche, wenn ein Versicherer Ihre gültige Vollmacht nicht akzeptieren will oder dieser ein Verfallsdatum andichtet: Nach Auffassung der BaFin verstößt die Nichtbeachtung einer unbefristeten, nicht widerrufenen und umfassenden Vollmacht grundsätzlich gegen § 1a VVG! ll Wenn trotz der vielen Fälle, die bisher auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch gelandet sind und trotz der durch unserer Umfrage zum Vollmacht-Verfallsdatum (vgl. Beilage zu ‚vt‘ 41/20) zu Tage geförderten Verbreitung der rechtswidrigen Vollmachts-Ablehnungen (vgl. Beilagen zu ‚vt‘ 06/21 und 07/21) bei der BaFin bisher wenige Verbraucherbeschwerden verzeichnet wurden, dann sollten Sie im eigenen und im Interesse aller Kollegen bei jedem Vorfall aktiv werden. Auch wenn das Arbeit bedeutet und die Einholung einer neuen Vollmacht mit aktuellem Datum oder die Verwendung eines vom Versicherer mitgelieferten Vollmachts-Musters einfacher erscheint. Die Schikane einiger Versicherer gegen Versicherungsmakler, hinter der auch immer die Gefahr eines Verbrauchernachteils steckt, kann nur ein Ende finden, wenn das Fehlverhalten angeprangert wird. Legen Sie uns weiterhin Ihre Fälle auf den Tisch und unterstützen Sie Ihre Kunden bei einer BaFin-Verbraucherbeschwerde. Genervte Kunden können und sollten sich bei der BaFin beschweren. Damit Sie Ihre Kunden dabei unterstützen können und diese Unterstützung Ihnen möglichst wenig Arbeit bereitet, haben wir eine Muster-Beschwerde entworfen. Das Musterschreiben können Sie in der ‚vt‘-Redaktion abfordern, auf den konkreten Fall anpassen und Ihrem Kunden zur Verfügung stellen.

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