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BdV Käse-Jury: Ideologische Werbe-Geschmackspolizei ohne Durchblick

Seit 2015 vergibt der Bund der Versicherten (BdV) jährlich den Negativpreis ‚Versicherungskäse des Jahres‘. ‚versicherungstip‘ entlarvt, dass die Nominierung und womögliche ‚Preisträgerschaft‘ eines Vorsorgeprodukts nichts mit dessen Qualität zu tun hat, sondern im ideologischen Kreuzzug des BdV gegen die private Altersvorsorge durch Versicherer und aufs Schild gehoben wird – zunächst ein kurzer Rückblick:

Am 27.02.2020 hat der BdV die für 2020 nominierten drei Kandidaten bekanntgegeben. Umgehend hatten sich die Nominierten  ++ BD24 Berlin Direkt Versicherung AG mit den Tarifen ‚CleverFly‘/,CleverFly365‘ und  ++ Ergo Krankenversicherung AG mit dem Tarif ‚Zahn-Ersatz-Sofort‘ geäußert, warum die per BdV-Pressemitteilung verbreiteten Nominierungsgründe äußerst fragwürdig sind.

Die ‚vt‘-Redaktion hatte sich mit dem dritten Nominierten – ‚MeinPlan Kids‘ von der Lebensversicherung von 1871 a. G. München (LV 1871) – befasst und titelte als Ergebnis der Recherche (vgl. ‚vt‘ 11/20): „Gebührt der größte Preisauszeichnungs-Käse dem Bund der Versicherten?“ Mit Fragezeichen deshalb versehen, weil wir dem die Presseinfo verantwortenden BdV-Chef Axel Kleinlein und der Käse-Jury-Chefin Edda Castelló einige Fragen zur möglichen Aufklärung vorgelegt hatten, hinsichtlich der Beantwortung aber vertröstet wurden.

Nach 14 Tagen hat Castelló auf unsere Anfrage geantwortet. Die Antworten haben wir auf den Prüfstand gestellt, ob sie die in der BdV-Pressemitteilung veröffentlichten Vorwürfe belegen: „Die LV 1871 lobt ihr Produkt als Sparlösung für Kinder aus. Als herkömmliche fondsgebundene Rentenversicherung sei sie fürs Sparen jedoch nicht geeignet. Durch mögliche Zusatzbausteine wie Berufsunfähigkeits- und Pflegeversicherung verknüpfe das Produkt zudem Risiken, die demnach besser getrennt voneinander abgesichert werden sollten (…) Preiswürdig fanden wir diese Versicherung allerdings vor allem wegen der enormen Kosten.“

Belege für diese Behauptungen ließen sich der Mitteilung nicht entnehmen, daher wollten wir wissen  ++ ob sich die „enormen Kosten“ auf den Nettotarif, den Provisionstarif, das Basisprodukt oder die Zusatzbausteine beziehen  ++ warum ‚MeinPlan Kids‘ nach Auffassung der Jury fürs Sparen nicht geeignet ist  ++ welchen Einfluss optional wählbare Zusatzbausteine bei der Bewertung des Kernproduktes haben  ++ welche herausragende negative Eigenschaft im Vergleich zu anderen vergleichbaren Produkten dazu führt, dass ‚MeinPlan Kids‘ für die Endauswahl nominiert wurde.

„Grundlage unserer Bewertung waren  ++ eine 14-seitige Berater-Information MEINPLAN SPARLÖSUNG FÜR KINDER  ++ eine 4-seitige ‚Leistungsübersicht‘ für Max Muster, 1–18 Jahre, monatliche Prämie 50 €, ARERO Fonds sowie eine 70-seitige ‚individuelle Information‘ einschließlich Versorgungsvorschlag, Widerrufsbelehrung, Glossar, Verbraucherinformationen, Hinweisen zu Steuerregelungen und Datenschutz, Schufa-Merkblatt und AGB  ++ eine 2-seitige Produktübersicht ‚FLOCKEN‘ und  ++ die unter www.lv1871.de/lv/kindervorsorge/abrufbare Information Kindervorsorge MeinPlan Kids“, informiert Castelló. Demnach hat der BdV seine Bewertung auf eine breite Dokumentenbasis gestützt.

Doch diese wurden fehlerhaft ausgewertet, wie die Antwort auf unsere Frage nach den behaupteten „enormen Kosten“ belegt: „In einer Beispielrechnung wird bei einem Eintrittsalter von 1 Jahr, einer Laufzeit von 17 Jahren, einer Anfangszahlung von 500 €, einer monatlichen Prämie von 50 € und einer angenommenen Wertentwicklung der Fonds von 6 % ein Endbetrag von 15.789 € genannt. Errechnet man (mit www.zinsen-berechnen.de) den Zinssatz, so ergibt sich ein Zinssatz von nur 4,192 % p. a. Die Differenz wird offenbar an Kosten einbehalten.

Anders berechnet: Legte man das Geld zu 6 % (wie bei der hier unterstellten Wertentwicklung) an, so hätte man nach 17 Jahren einen Betrag von 18.824 €. Verlust für den Anleger: 3.035 €. Wir erlauben uns, diese Kosten als ‚enorm‘ zu bezeichnen“, erläutert die Sprecherin der Käse-Jury.

Die mathematischen Berechnungen sind richtig, die Interpretationen der Käse-Jury aber katastrophal falsch: Auf der Homepage der LV 1871 ist ein Rechner hinterlegt, der nach Eingabe der genannten Parameter die Auszahlungshöhen für angenommene Wertentwicklungen von 3, 6 und 9 % anzeigt. Bekanntlich arbeiten Versicherer zumeist mit Vermittlern zusammen und diese erhalten bekanntlich eine Vergütung.

Von einem fairen Versicherer darf man erwarten, dass interessierte Kunden nicht mit einer Beispielrechnung geködert werden, die sich dann nach einer ausführlichen Beratung in den Vertragsinformationen als unhaltbar entpuppt. Die BdV-Käse-Jury hat tatsächlich – wie von ‚vt‘ von Anfang an vermutet (vgl. ‚vt‘ 11/20) – auf Basis eines Provisionstarifs die nominierungsmaßgebliche – falsche! – Erkenntnis gewonnen, die Versicherung beinhalte enorme Kosten.

Doch Beratungskosten und Produktkosten, hier für den Versicherungsmantel und die Fondsanlage, sind zwei paar Schuhe. Wir haben uns eine Modellrechnung auf Basis eines Nettotarifs mit den gleichen Parametern angeschaut. Da resultiert eine Ablaufleistung von 17.387 €. Das macht dann einen Zinssatz von 5,189 % und, in Fortsetzung der Milchmädchenrechnung der BdV-Käse-Jury, einen – angeblichen – Verlust von 1.437 €.

Milchmädchenrechnung deshalb, weil suggeriert wird, dass ein Anleger heutzutage eine Nettowertentwicklung von 6 % einfahren kann und dabei für die Anlage 17 Jahre lang keinerlei Kosten anfallen. Da empfehlen wir der Jury einen Blick auf die Festgeldkonditionen der Banken.

Warum ist ‚MeinPlan Kids‘ nach Auffassung der Jury fürs Sparen nicht geeignet? „Es handelt sich um eine fondsgebundene Rentenversicherung. Die Käse-Jury hält dieses Produkt grundsätzlich für ungeeignet zum Sparen. Wenn man per Fonds sparen will, also bereit ist, wegen höherer Renditechancen die Risiken des Fondssparens zu tragen, können wir keinen Grund erkennen, warum man dies mit einer fondsgebundenen Rentenversicherung machen soll anstatt durch den direkten Erwerb der Fonds zu machen“, erläutert Castelló u. a.

Das ist eine Sichtweise, die man haben kann, die man aber nicht teilen muss. Insbesondere liefert das keine Begründung, warum dieses Produkt nominiert wurde, wenn es um eine Jury-Meinung allgemein zur FRV geht.

Bei den Zusatzbausteinen lautet die Sichtweise der Jury so: „Es werden verschiedene Zusatzbausteine (BU, Pflege) angeboten. Die sind zwar ‚optional‘, aber da sie angeboten werden, muss man davon ausgehen, dass der Vertrieb dieser Bausteine auch gewollt ist. Die Verknüpfung der ‚Hauptversicherung‘ (Rentenversicherung = Sparvertrag) mit den genannten Bausteinen machen das Vertragswerk nicht nur noch intransparenter, sondern sind brandgefährlich.

Will der Versicherungsnehmer (oder seine Kinder oder seine Enkel) sich aus guten oder triftigen Gründen vom Sparvertrag lösen (Investition Ausbildung/berufliche Ausbildung, Immobilienerwerb, Schuldentilgung), so verliert er gleichzeitig den grundsätzlich sehr wichtigen BU-Versicherungsschutz, den er dann woanders – womöglich wegen Vorerkrankung gar nicht mehr oder nur teuer/mit Risikoausschluss bekommt.

Der Versicherungsschutz BU oder Pflege sollte – so die Auffassung der Jury – auf keinen Fall mit einem Sparvertrag verknüpft werden. Für den Verbraucher sind durch die Verknüpfung keinerlei Vorteile erkennbar.“

Wir teilen die Auffassung, dass eine elementare Absicherung wie BU über eine eigenständige Versicherung grundsätzlich sinnvoller ist. Aber es kann auch Ausnahmen geben, die im Individuellen liegen. Offenbar hat sich die Käse-Jury aber mit einer dogmatischen Sichtweise den Blick auf Details versperrt.

Bspw. wird mit der Option ‚Versorgerschutz‘ geregelt, dass mit dem Tod des Versorgers die Pflicht zur Beitragszahlung bis zum Ende der Versorgungsphase ruht und bei der BU-Option mit Pflegeschutz (für Kinder ab 0 Jahren; Absicherung des zu versorgenden Kindes im Pflegefall) hat die versicherte Person das Recht auf Abschluss einer selbständigen BU ohne erneute Gesundheitsprüfung.

„Als besonders ärgerlich und ‚käsewürdig‘ empfand die Jury den Umstand, dass hier in drastischer Weise mit einer sich anbiedernden Sprache (‚rocken‘, ‚Flocken‘) Eltern, Großeltern und das Umfeld von Kindern werblich angesprochen wird“, bezieht die Käse-Jury auch den Webeauftritt als Nominierungskriterium mit ein. Wenn eine Werbung irreführend ist, dann kann diese abgemahnt werden.

Ob die ‚Flocken‘-Werbung pfiffig oder langweilig ist, entscheiden die Umworbenen. Aber wenn die BdV-Käse-Jury sich nun auch noch als Werbe-Geschmackspolizei aufspielt, dann ist diese Preisverleihung der reinste Käse.

‚vt‘-Fazit: Gravierende handwerkliche Fehler und ideologische Sichtweisen sind keine Basis für eine glaubwürdige Preisverleihung. Damit liefert der Bund der Versicherten den größten Preisauszeichnungs-Käse ab.

Mit dieser Jury-Herangehensweise sollte die Käse-Preisverleihung in diesem Jahr ausgesetzt oder besser noch der Negativpreis des BdV eingestampft werden. Sollte der BdV seinen Kreuzzug gegen die private Altersvorsorge durch Versicherer mit der Hoffnung auf eine publicityträchtige Preisverleihung dennoch fortsetzen:

Nutzen Sie unserer Recherche und unseren entlarvenden Bericht, wenn Sie auf irritierte Kunden treffen!

 

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