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Berliner Erklärung 2.0: Wasser predigen und Wein trinken?

Im Februar 2018 initiierte der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW eine Poolinitiative, aus der sich die Berliner Erklärung 2.0 ergab. Die Unterzeichner der Erklärung bedauerten, dass staatliche Eingriffe in das Vergütungssystem erneut auf der Tagesordnung stehen und gaben sodann ein klares Bekenntnis für eine freiheitliche Wirtschaftsordnung. Die Teilnehmer unterstrichen die Unabhängigkeit der Versicherungsmakler von den Versicherungsgesellschaften und verwahrten sich gegen Bestrebungen, diese Unabhängigkeit anzutasten. Betont von den Unterzeichnern der Erklärung wird die Relevanz der Maklerschaft für den deutschen Versicherungsmarkt und die unabhängige Verbraucherberatung. In Nummer 2 und 3 appellieren die Unterzeichner der Erklärung an eine qualitativ hochwertige Verbraucherberatung durch Versicherungsmakler als Sachwalter ihrer Kunden und dass diese ausschließlich im Interesse der Kunden erfolge. Bis hierin lässt sich festhalten – alles berechtigt und alles richtig! Vorausgesetzt allerdings, die Unterzeichner halten sich an und verteidigen selbst auch in der Praxis ihre in Worte gefassten Werte und kommen ihrer Verantwortung gegenüber dem freien Versicherungsmakler gerade auch dann nach, wenn marktbedingte Einschläge die Eckpfeiler der Berliner Erklärung untergraben. Womit wir bei unserer jüngsten Aufdeckung sind, wonach die Basler Versicherungen ihrer Ausschließlichkeitsorganisation ein Umdeckerkonzept offeriert (vgl. zuletzt 'k-mi' 21/18), das folgende Vorgaben beinhaltet: Der (neue) Inhaber einer Basler Agentur gründet eine juristische Person als Geschäftsführender Gesellschafter bzw. über einen Dritten. Zeitlich begrenzt soll dieses Vehikel auf die Zeit der aktiven Umdeckung sein. Über die neu geschaffene Maklerschiene werden all die Verträge abgewickelt, die nicht direkt zur Basler umgedeckt werden (dürfen). Demgegenüber dürfen alle direkt umdeckbaren Verträge nicht im Maklermandat erwähnt werden. Das Maklergeschäft wird über die Fonds Finanz Maklerservice GmbH abgewickelt. Womit wir bei den Fragen an die Unterzeichner der Berliner Erklärung 2.0 sind:

Halten Sie es mit der Berliner Erklärung 2.0 für vereinbar, (1) wenn der Inhaber einer AO-Agentur (bzw. eine von ihm bestimmte dritte Person) eine juristische Person gründet und sich sodann zusätzlich (bzw. mittelbar) als Makler registrieren lässt, um fallweise Geschäft als AO-Agentur bzw. Makler zu generieren? (2) wenn in der Zusammenarbeit mit dem Kunden klar über den Maklerauftrag abgegrenzt wird, welche Verträge mandatiert und alle direkt umdeckbaren Verträge im Maklermandat nicht erwähnt werden dürfen? (3) wenn Betreuungsmandate eines Maklerpools in Maklermandate umgewandelt werden – dosiert eingereicht und Top-Kunden zuerst? Und (4) sofern Sie keine Vereinbarkeit der Berliner Erklärung 2.0 mit der in Fragen 1 bis 3 beschriebenen Vorgehensweise erkennen können, welche Konsequenzen hätte das aus Ihrer Sicht zur Folge – bezogen sowohl auf einen Versicherer bzw. einen Maklerpool, der dieses Modell praktiziert, als auch bezogen auf eine(n) AO-Agentur/Neu-Makler?

Rechtsanwalt Norman Wirth, Geschäftsführer AfW, antwortet stellvertretend auch für die Mitunterzeichner der Berliner Erklärung 2.0 zu Frage (1): "Bei Personenidentität der Geschäftsführung ist das eine manchmal diskutierte Konstruktion. Ansonsten (bei fehlender Personenidentität in der Geschäftsführung) ist es klar zulässig und damit hinzunehmen, dass eine Agentur und ein Maklerbetrieb gleiche Inhaber haben." Karsten Dümmler, Vorstandsvorsitzender Netfonds AG, pflichtet dem bei: "Ja, das halten wir immer dann für vereinbar, wenn für den Kunden klar erkennbar ist, wer und im Rahmen welcher Erlaubnis und im Rahmen welcher Firma, die jeweilige Leistung erbringt. Grundsätzlich gehen wir vom Menschenbild des mündigen Verbrauchers aus und in vielen Fällen kann dieselbe Person ohne rechtliche und moralische Bedenken als Vertreter eines Unternehmens bzw. Versicherung tätig sein und bestimmte Produkte bzw. Versicherungen dieses Unternehmens vermitteln, bei anderen Produkten bzw. Versicherungen aber als Makler fungieren und dann die Produkte anderer Unternehmen bzw. Versicherungen vermitteln." In der Theorie mag das Vermittlergeschäft eindeutig abgrenzbar zwischen AO-Agentur und Makler – auch im Auge des Kunden – sein. Doch wenn das Geschäftsfeld klar darauf abzielt, ein Teil des Geschäftes zwingend über die Agentur laufen zu lassen, dann ist das übrig bleibende Maklergeschäft reine Augenwischerei.

Entsprechend kritischer sieht Dr. Sebastian Grabmaier, Vorstandsvorsitzender Jung, DMS & Cie., die Praxistauglichkeit dieses Ge-schäftsmodells: "Allerdings haben die Aufsichtsbehörden die von Ihnen gestellte Frage wiederholt thematisiert, leider mit teils unterschiedlichen Ergebnissen. Im wesentlichen wird auf die Personenidentität abgestellt, weil eine Person entweder als Makler auf Seiten des Kunden stehen kann, oder als Mehrfachagent für ein Versicherungsunternehmen auftreten kann. Beides geht nicht. Knifflig wird es bei der Einschaltung juristischer Personen (etwa einer GmbH) bezüglich der Geschäftsführerstellung, wenn beispielsweise die GmbH im rechtlichen Sinne zwar eine andere Person darstellt, die handelnde Person einerseits als Handelsvertreter, andererseits als Geschäftsführer eines Maklers aber identisch ist. Von der Aufsicht wird dies beanstandet. Entscheidend im Zivilrecht, also z. B. was die Haftung angeht, ist in solchen Konstellationen wohl, wie der Kunde den Marktauftritt wahrnimmt. Je nach dem gilt dann Makler- bzw. Handelsvertreterrecht." Während sich die weiteren Fragen für Rechtsanwalt Wirth nicht erschließen, hält Netfonds-Chef Dümmler hierzu fest: "Hier geht es offenbar um Umdeckungen von Beständen durch Makler über Maklerpools. Die Berliner Erklärung spricht sich für Makler als Sachwalter der Interessen ihrer Kunden aus. Umdeckungen, nur um die eigene Provision zu optimieren, sind sicher nicht im Kundeninteresse. Umschlüsselungen in dem vom Makler betreuten Bestand sind wiederum notwendig, damit der Makler in den Informationsfluss durch den Versicherer eingebunden ist. Im Einzelfall wird eine Überprüfung der bestehenden Verträge dann auch zu einer Umdeckung führen, weil inzwischen bessere Tarife bestehen oder die Bedarfssituation des Kunden eine andere ist. Aus Sicht eines Pools, also in diesem Fall einer technischen Plattform, ist es aber praktisch unmöglich zu unterscheiden, ob Neugeschäft aus welchem Grund (...) eingereicht wird." 

Dies mag für Netfonds so zutreffend sein, es geht aber wie uns Fonds Finanz gelehrt hat, auch anders. Nämlich dann, wenn AO-Agenturen aktiv ein Weg eingeräumt wird, um dort Umdeckungsgeschäft gerade im sensiblen LV- und Krankengeschäft möglichst unauffällig für die betroffenen Versicherer über die neu gegründete Makler-GmbH abzuwickeln. Dümmler weist auf eine Haftungsgefahrenlage hin: "Problematisch wird das Thema AO/Makler immer dann, wenn der Kunde nicht erkennen kann, unter welcher Prämisse die Vermittlung geschieht und dann evtl. auch für den Pool eine Maklerhaftung oder Anscheinshaftung entsteht. Das hat allerdings weniger mit der Berliner Erklärung zu tun als mit allgemeinen rechtlichen Erwägungen. In der Netfonds Gruppe legen wir daher im gegenseitigen Interesse großen Wert auf diese Unterscheidbarkeit und nehmen von  AO Agenturen kein Maklergeschäft an, wenn wir davon Kenntnis erlangen."

Am Zusammenhalt innerhalb des Kreises der Unterzeichner der Berliner Erklärung 2.0 will offenbar niemand nach außen hin rütteln. Entsprechend weisen die Antwortenden darauf hin, dass es ihnen um die Unabhängigkeit der Versicherungsmakler gegenüber den Versicherungsgesellschaften wie auch um deren Relevanz für den Versicherungsmarkt geht. Rechtsanwalt Wirth fasst zusammen: "Diese Erklärung war ein klares, starkes Statement – ein Signal, dass sich die Branchengrößen im Poolbereich gemeinsam gegen staatliche Eingriffe einsetzen werden. Nicht mehr (also keine Satzung, kein Kodex o. ä.) – aber erst recht auch nicht weniger. Insofern ist der Aufhänger jeder Ihrer Fragen ('halten Sie es mit der Berliner Erklärung 2.0 für vereinbar, dass (...) am von den Unterzeichnern beabsichtigten Sinngehalt der Erklärung vorbeigehend."

'k-mi'-Fazit: Für uns ist der eingeschränkte Blickwinkel des AfW in Bezug auf die Bedeutung der Berliner Erklärung jedoch zu kurz gedacht. Denn wenn die Versicherungswirtschaft (siehe Konzept der Basler Versicherungen in Kooperation mit Fonds Finanz, wo die AO-Agenturen ein Konstrukt erhalten, um nebenbei und ganz zielgerichtet noch als Versicherungsmakler agieren – womöglich noch begrenzt auf die Umdeckungsphase – zu können), so handelt es sich aus unserer Sicht dann um keine unabhängigen Makler mehr, sondern um gesteuerte Marionetten der Versicherungswirtschaft. Damit wird das Standing des Versicherungsmaklers gefährdet und man setzt einen ganzen Berufsstand wegen missbräuchlicher Gestaltung der Gefahr einer weiteren Regulierung aus, an dessen Ende wo-möglich nur noch die Versicherungsvertreter übrig bleiben, denen mit den Versicherungskonzernen eine starke Lobbygruppe den Rücken stärkt. Wenn es die Unterzeichner der Berliner Erklärung 2.0 mit ihrem Auftritt ernst meinen, sollten sie sich gegen verbrauchertäuschendes Verhalten klar und eindeutig öffentlich positionieren. Oder es gleich – aber dann auch ganz (Berliner Erklärung 2.0) – sein lassen.

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