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BGH fordert Auseinandersetzungsplan bei Fondsabwicklung

Trotz BaFin-Rückabwicklung muss ein (Anspar-)Anleger seine Einlage einzahlen, aber nur wenn der Liquidator den Bedarf nachweist. Auf diese Kurzformel lässt sich das BGH-Urteil (Az. II ZR 95/16) bringen, dessen Details nicht nur für Ansparfonds, sondern auch für eine Vielzahl von in der Abwicklung befindlichen (Schiffs-)Fonds wegweisend sein dürften. Zunächst lässt der BGH einem Ansparanleger trotz der von der BaFin angeordneten Liquidation des Fonds kaum eine Chance, seine noch nicht eingezahlten Raten generell nicht mehr erbringen zu müssen. Das greift aber nur, wenn das Geld auch benötigt wird, ggf. auch um die Forderungen der anderen Anleger auszugleichen. In seiner umfangreichen 35seitigen Begründung gibt der BGH einen Überblick zu einer Vielzahl von rechtlichen Aspekten, die weit über Ansparfonds hinausgehen, sondern alle in Liquidation befindlichen Fonds betreffen dürften. Zunächst zum konkreten Fall:

Zum 01.02.2009 trat ein Apotheker mit einer Zeichnungssumme von 120.000 € zzgl. 6 % Agio der MLR Beteiligungsgesellschaft 2, vor der wir (vgl. 'k-mi' PC 41/09) gewarnt hatten, bei. Der Gesamtbetrag sollte durch eine anfängliche Einmalzahlung von 37.200 € sowie weiteren monatlichen Raten von je 1.000 € erbracht werden. Mit Bescheid vom 06.10.2011 untersagte die BaFin jedoch den Fonds und verfügte gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 KWG die Abwicklung. Seitdem befindet sich der Fonds in Liquidation. Im Mai 2012 stellte der Anleger seine Ratenzahlungen ein, widerrief seine Beitritts- und Treuhandvertragserklärung und kündigte die Beteiligung aus wichtigem Grund im April 2014. Der eingesetzte Liquidator verklagte den Anleger auf Einzahlung der noch nicht gezahlten Monatsraten von insgesamt 52.000 € zzgl. Zinsen.

Dabei hat der Fonds sein aktives Geschäft längst weiterveräußert, außer den laufenden Kosten keine weiteren Verbindlichkeiten und zum Feststellungszeitpunkt Mitte 2015 ein Bankguthaben von 2,8 Mio. €. Trotz der Behauptung durch den Liquidator, die ausstehenden Einlagen würden u. a. zur Verfolgung von Haftungsansprüchen gegenüber der früheren Geschäftsführung benötigt, dürfte es im wesentlichen darum gehen, die Liquidationsmasse zu erhöhen und nach Abzug von Gebühren etc. den (hoffentlich möglichst großen) Rest am Ende per Ausgleichszahlung an die Anleger wieder auszuschütten. Ein Phänomen, dem sich auch viele Schiffsfonds-Anleger gegenübersehen dürften, wenn ihre Ausschüttungen rückgefordert werden. Obwohl der BGH natürlich auf den (individuellen) Gesellschaftsvertrag abstellen muss, sind hier viele Regelungen so branchentypisch, dass die Argumentation der Richter auch bei anderen Fonds greifen dürfte.

++ Zulässigkeit der Klage: Der Liquidator stützt seine Klage auf eigenen sowie von der Treuhandkommanditistin abgetretenen Anspruch. Dieser ist zulässig, da „die Klägerin diese Streitgegenstände jedoch nicht in (unzulässiger) alternativer, sondern in (zulässiger) eventueller Klagehäufung geltend gemacht und hinreichend klargestellt hat, dass sie ihr Begehren nur vorsorglich auf die Abtretung durch den Treuhandkommanditisten stützt, vorrangig aber ihren Anspruch aus eigenem Recht verfolgt“, so die BGH-Richter  ++ Status des Anlegers: Da sich der Anleger als Treugeber über die Treuhandkommanditistin am Fonds beteiligt hatte, war fraglich, ob der Liquidator direkte Ansprüche gegen den Anleger geltend machen darf. Aber aufgrund der (vergleichsweise üblichen) vertraglichen Bestimmungen und der Verzahnung von Gesellschafts- und Treuhandvertrag erlangt der Anleger nach Ansicht der Richter einen Quasi-Gesellschafterstatus, so dass der Liquidator den Treugeber/Anleger aus eigenem Anspruch verklagen kann.

++ Einlagehöhe: Trotz Rateneinzahlung ist die Höhe der Beteiligung des Anlegers zum jeweiligen Zeitpunkt nicht nur in Höhe seiner bereits geleisteten Zahlungen wirksam, sondern seine Einlageverpflichtung besteht in Höhe der kompletten Zeichnungssumme. „Mit der Zusatzvereinbarung wurde ihm hierfür nur eine Ratenzahlung in Form einer Stundung gewährt. Dabei handelt es sich lediglich um eine zeitliche Staffelung der Fälligkeit, die als solche nichts an dem Entstehen der gesamten Einlageverpflichtung im Zeichnungszeitpunkt ändert.“  ++ BaFin-Abwicklung: Dabei besteht diese Zahlungsverpflichtung trotz der von der BaFin angeordneten Abwicklung. „Die Einforderung der rückständigen Einlage stellt auch kein neues, werbendes Geschäft dar, das der Klägerin ab dem Zeitpunkt der sofort vollziehbaren Abwicklungsanordnung gemäß § 38 KWG, § 149 HGB grundsätzlich untersagt wäre. Es handelt sich lediglich um die Abwicklung der bereits bestehenden vertraglichen Vereinbarungen durch Einforderung bzw. Erfüllung der daraus resultierenden Leistungspflichten, die zudem gerade dem geänderten, der Abwicklungsanordnung entsprechenden, Gesellschaftszweck der Liquidation dienen soll.“  ++ Widerruf: Da die Einlageverpflichtung in voller Höhe zum Zeichnungszeitpunkt entstand, hilft dem Anleger auch der spätere Widerruf nicht. „Danach kann der widerrufende Gesellschafter keine Rückabwicklung seines Beitritts verlangen, sondern scheidet mit Zugang des Widerrufs ex nunc aus der Gesellschaft aus und hat einen Anspruch auf sein Auseinandersetzungsguthaben zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens seines Widerrufs.“ Daraus folgt „aber nicht auch der Wegfall seiner Einlageverpflichtung ex nunc. Vielmehr bleibt der Gesellschafter ebenso wie bei einer Kündigung wei­terhin zur Zahlung rückständiger, noch nicht erbrachter Einlageleistungen an die Gesellschaft verpflichtet.“ ++ Kündigung: Auch die spätere Kündigung aus wichtigem Grund greift nicht, da es „bei Auflösung der Gesellschaft vor der Anfechtung des Gesellschafters nicht mehr erforderlich ist, ihm das Ausscheiden durch außerordentliche Kündigung (…) zu ermöglichen. Darüber hinaus verbietet das Interesse an einer reibungslosen und zügigen Liquidation ein gesondertes Ausscheiden eines einzelnen Gesellschafters während des Auseinandersetzungsverfahrens.“

So weit, so schlecht. Unterm Strich muss der Ansparanleger für seine komplette Zeichnungssumme zzgl. Agio geradestehen, obwohl die Gesellschaft liquidiert wird, aber nur – und jetzt kommen wir zu den positiven Aspekten des Urteils – „wenn und soweit dies zur Durchführung der Abwicklung, d. h. für die Befriedigung der Gläubiger oder für liquidationszweckgemäße Tätigkeiten erforderlich ist“.

++ Einzug nur bei Bedarf: Dabei hat der Liquidator zwar große Freiheiten, ob und in welchem Umfang er Einlageforderungen gegenüber einzelnen Gesellschaftern gegenüber geltend macht, „Voraussetzung dafür bleibt jedoch, dass der jeweils eingeforderte Betrag für die Abwicklung erforderlich sein muss (…) Da der Einzug zu Abwicklungszwecken der Befriedigung der Drittgläubiger und der Finanzierung der Abwicklung dient, entfällt seine Berechtigung, soweit diese Zwecke gesichert sind. Nur solange der Einzug aufgrund der schlechten Liquiditätslage noch erforderlich ist, kann der Liquidator auch sein Ermessen hinsichtlich des Umfangs der Inanspruchnahme einzelner Gesellschafter ausüben. Dabei ist auch eine etwaige Verbesserung der Liquidität durch bereits eingezogene rückständige Einlagen anderer Gesellschafter berücksichtigungsfähig. Der Gleichbehandlungsgrundsatz steht dem nicht entgegen, da abschließend noch ein Ausgleich unter den Gesellschaftern durchzuführen ist.“  ++ Nachweis des Bedarfs: Zwar obliegt die Beweispflicht, dass der eingeforderte Betrag nicht benötigt wird, dem Gesellschafter, aber „der Liquidator hat jedoch die insoweit bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzustellen, soweit nur er dazu imstande ist; er hat im einzelnen darzulegen, wozu die eingeforderten Beträge im Rahmen der Abwicklung benötigt werden.“ Dabei werden die BGH-Richter noch konkreter, denn „die Einforderung rückständiger Einlagen zum Ausgleich unter den Gesellschaftern erfordert die Vorlage eines Auseinandersetzungsplans, der einen Passivsaldo des in Anspruch genommenen Gesellschafters ausweist.“ Da hierzu jedoch die erforderlichen Feststellungen fehlten, hat der BGH das Verfahren an das OLG Stuttgart zurückverwiesen.

'k-mi'-Fazit: Generell müssen Anleger ihre Zeichnungssumme leisten. Das gilt auch für Ansparanleger, selbst wenn die BaFin die Fondsabwicklung verfügt hat. Aber der BGH hat auch unmissverständlich klar gemacht, dass ein Liquidator bei der Fondsabwicklung nicht einfach pauschal von allen Anlegern die Einzahlung in voller Höhe verlangen kann, sondern ein entsprechender Bedarf vorhanden und dezidiert nachgewiesen werden muss. Dies dürfte u. E. auch für Ausschüttungsrückforderungen bspw. bei Schiffsfonds gelten und pauschale Ansprüche durch den Abwickler erschweren. Grundsätzlich bleibt jedoch die Beherzigung unserer Warnungen Ihr bester Schutz.

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