Die Prospekte von Schiffsbeteiligungen beschäftigen weiterhin die Gerichte. Der BGH hat aber aktuell wichtige Pflöcke eingeschlagen in einem Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG). U. a. ging es dort um die Angaben über den Chartermarkt sowie die Neubau- und Secondhand-Preise für Bulker in dem Prospekt des Schiffsfonds Conti MS Aragonit (Az. XI ZB 26/20). Beklagt in dem Musterverfahren waren die Anbieterin Conti Corona, die jetzt zur Offen-Gruppe gehört, sowie Reederin und Treuhänderin.
Die wichtigste Botschaft: Der BGH hat hier im Sinne von Anbietern und Vertrieben im Rahmen der Musterrechtsbeschwerde Klarheit geschaffen und wie zuvor das OLG München im Musterentscheid die Vorwürfe allesamt verworfen. Der aktuelle BGH-Beschluss hat damit u. E. Signalwirkung, und nimmt einer beliebten Rosinenpickerei den Wind aus den Segeln: Nämlich eine Haftung zu konstruieren, indem einzelne Prospektpassagen isoliert und gezielt aus dem Kontext gerissen werden, um sie dann als angeblich falsch zu brandmarken. Im eher volatilen Segment der Massengutfrachter gibt es für solche prozessualen Kniffe durchaus Angriffspunkte. Wie wir im Rahmen unserer 'k-mi'-Analysen immer wieder betonten ++ ist der "Bulkermarkt hingegen sehr volatil" (vgl. 'k-mi'-special 46/06) ++ "Interessenten sollten grundsätzlich die beim Bulkermarkt typischen Risiken und dessen hohe Volatilität berücksichtigen" (vgl. 'k-mi' 33/08) oder ++ "Der ohnehin sehr volatile Bulkermarkt (…)" (vgl. 'k-mi'-PC 05/11).
Hier nun ein paar Beispiele, wie die erfolglosen Bemühungen der Kläger im konkreten Fall aussahen, um zahlreiche Prospekt-Aussagen des Conti-Bulker-Fonds aus dem Jahr 2012 in dem Musterverfahren als falsch bzw. fehlerhaft zu entlarven: ++ Der Prospekt sei fehlerhaft, weil er die Markterwartungen für Bulker fehlerhaft darstelle, "da der Emissionsprospekt keinen Hinweis auf die bestehende und sich voraussichtlich weiter verschärfende Überkapazität auf dem Bulkermarkt enthalte" ++ Die Behauptung, dass die Bulkerschifffahrt "ein 'Wachstumsmarkt' sei, sei aufgrund der tatsächlichen Marktlage im Juli 2012 falsch" ++ Der Prospekt vermittle "den falschen Eindruck, das ISL habe für die Zukunft ein Kapazitätswachstum von 8,6 % p. a. prognostiziert". Zudem teile der Prospekt nicht mit, dass sich das prognostizierte Kapazitätswachstum der Bulker-Flotte von 8,6 % p. a. "aufgrund der Überkapazität auf den Bulkermarkt negativ auswirke" ++ Ferner stelle der Prospekt die Risiken der Beteiligung falsch dar, "da er weder auf den Preisverfall der Charterraten durch die Überkapazitäten auf dem Bulkermarkt (…) noch auf das konkrete erkennbare Risiko des Ausfalls des Charterers S. P. O. aufgrund der Tatsache, dass die vereinbarte 12jährige Charterrate erheblich über dem Marktniveau liege, hinweise" ++ Zudem fehle ein Hinweis darauf, dass die bestehende Überkapazität "auf dem Bulk-Carrier-Markt den Wert des Schiffes und damit den Verkaufspreis negativ beeinflusse."
So eine Auswahl der wichtigsten Vorwürfe, die belegen sollen, dass der Prospekt falsch sei. Das OLG hatte bereits mit Musterentscheid vom 13.10.2020 die diversen Feststellungsziele allesamt als unbegründet zurückgewiesen und für gegenstandslos erklärt. Der BGH sieht es genauso und bestätigt die Zurückweisung. Wichtig: Der BGH geht zunächst einmal auf die Maßstäbe ein, an denen ein Prospekt hinsichtlich Fehler zu beurteilen ist: Für die Frage, ob ein Prospekt nach den maßgeblichen Grundsätzen, die sich hier aus § 7 VermAnlG und § 2 VermVerkProspV ergeben, unrichtig oder unvollständig ist, "kommt es nicht allein auf die darin wiedergegebenen Einzeltatsachen an, sondern wesentlich auch darauf, welches Gesamtbild der Prospekt dem Anleger von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Hierbei sind solche Angaben wesentlich, die ein Anleger 'eher als nicht' bei seiner Anlegerentscheidung berücksichtigen würde". Abzustellen ist dabei auf die Kenntnisse und Erfahrungen "eines durchschnittlichen Anlegers, der als Adressat des Prospekts in Betracht kommt und der den Prospekt sorgfältig und eingehend liest".
Aus dem Conti-Prospekt lasse sich, so der BGH, nämlich klar entnehmen, dass dem Nachfragezuwachs durch die Marktentwicklung eine Flottenentwicklung mit Angebotszuwachs gegenübersteht: "Dem aufmerksamen Anleger erschließt sich bereits an dieser Stelle, dass der erwartete Nachfragezuwachs wegen des ebenfalls steigenden Angebots an Transportkapazität nicht zwingend mit einer Preissteigerung verbunden sein wird." Es kommt also auf den aufmerksamen Leser an, der solche elementaren Zusammenhänge verstehen kann! Auch der Vorwurf, dass der Prospekt den Preisverfall der Charterraten ausblende, sei gegenstandslos, so der BGH: Im Prospekt werde nämlich sehr wohl "erläutert, dass sich die Charterraten im Laufe des Jahres 2008 deutlich reduziert haben und nach einem zwischenzeitlichen Anstieg seit Oktober 2010 wiederum schwächer zeigten. Anhand der Graphik und der in dem Text mitgeteilten Zahlen erkennt der Anleger, dass das Charterratenniveau im Zeitpunkt der Prospektaufstellung schon seit einiger Zeit unter dem seit dem Jahre 2002 gebildeten Durchschnitt liegt und trotz erwarteter Steigerungen bis zum Jahr 2016 unter dem Durchschnitt bleiben wird." Zusammenfassend stellt der BGH zu den zahlreichen angeblichen Fehlern, die aber im Grunde nur um einen Sachverhalt kreisen, fest: "In der Gesamtschau klärt der Prospekt den Anleger in ausreichendem Maße darüber auf, dass der Nachfrage an Transportleistung ein hohes, weiter steigendes Angebot an Transportkapazität gegenübersteht und dieser Umstand das Preisniveau nicht nur vorübergehend belastet. Dem durchschnittlichen Leser erschließt sich auch von selbst, dass ein hoher Neubaubestand und ein trotz Verschrottung alter Schiffe erwartetes Flottenwachstum keine nur kurzfristigen Marktumstände sind, sondern zur Verschärfung der Marktverhältnisse beitragen können."
'k-mi'-Fazit: Der BGH stellt hier fest: Prospektfehler lassen sich nicht dadurch nachweisen oder konstruieren, indem man unterstellt, der Anleger als Prospektleser habe in der Mitte des Prospektes den ersten Teil schon wieder vergessen. Relevant ist die "Gesamtschau" und nicht isolierte Passagen sowie dass der Adressat eines Prospektes zwar ein durchschnittlicher Anleger ist, der aber den Prospekt sorgfältig und eingehend liest.
Als Abonnent finden Sie hier das BGH-Urteil als PDF.