Aktuelles

'Bi'-Interview mit Prof. Liane Buchholz, Präsidentin des SVWL

Vor dem Hintergrund der politischen Gemengelage in der Ukraine hat `Bank intern` ein tagesaktuelles Interview mit der Präsidentin des SVWL, Prof. Dr. Liane Buchholz, geführt.

'Bi'-Frage: Das erste Viertel des Jahres 2022 ist bald vorüber und die neue Bundesregierung ist über 100 Tage im Amt. Wie bewerten Sie wirtschaftlich das erste Quartal?

Prof. Buchholz: "Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den massiven Gegensanktionen des Westens wurden an aller erster Stelle die russische Währung und die russische Bonität getroffen. Der Ukraine-Krieg führt aber auch zu einer anhaltend hohen Inflation und dämpft die erwarteten Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes für dieses Jahr deutlich. Die Kapitalmärkte sind verunsichert und zeigen eine hohe Volatilität. Wir erleben also eine Gemengelage an Krisen, wie es sie in dieser Form seit vermutlich einem Jahrhundert nicht gegeben hat. Und auch ohne den Krieg in Europa möchte man schon jetzt im März sagen: „Was für ein Jahr!“. Die COVID-Pandemie ist noch nicht überwunden. Dazu verlaufen viele dynamische Entwicklungen und beschleunigen sich gegenseitig. Das fordert auch Organisationen wie die Sparkassen-Finanzgruppe massiv. Das erste Quartal dieses Jahres wird aber vor allem in die Geschichtsbücher als Beginn einer Zeitenwende eingehen. Nach vielen Jahren rückläufiger Militärausgaben und steigender Welthandelsumsätze dürfte durch die Ankündigungen der Bundesregierung dieser Trend sich umkehren".

'Bi' : Was hat sich im neuen Jahr besonders für die Kreditwirtschaft verändert?

Prof. Buchholz: "Der Kreditwirtschaft stehen in den wichtigsten Institutionen viele neue Ansprechpartner gegenüber. Seit Dezember hat Deutschland einen neuen Finanzminister, der natürlich auch die Spitzen in seinem Ministerium neu besetzt. Die Bundesbank erhielt im Januar einen neuen Präsidenten und damit Deutschland einen neuen Vertreter in entscheidenden Organisationen der Finanzwelt wie beispielsweise ein neues Mitglied im Rat der EZB, einen neuen Gouverneur beim Internationalen Währungsfonds oder ein neues Mitglied im Verwaltungsrat der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Und auch an der Spitze der KfW steht ein neuer Chef. In dieser Reihe von neuen Köpfen wirkt der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit Amtsantritt im August 2021 schon fast wie ein Veteran. Zudem ist die deutsche Bundesregierung auf den meisten Ministerposten erneuert und auf eine neue - auf Bundesebene bisher noch nie erprobte - parlamentarische Mehrheit gestützt. Zudem wurden in diesem Jahr neue und so hohe Kapitalanforderungen eingeführt, dass die Mindestkernkapitalquoten in den meisten Banken und Sparkassen erstmalig zweistellig werden. Das wird auf jeden Fall zu steigenden Kreditzinsen führen. Insgesamt betrachtet nehmen die Unsicherheiten zu und beeinflussen auch die Kreditwirtschaft. Planungssicherheit gibt es momentan kaum. Die Inflation ist zurückkehrt und zwar auf einem Niveau, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das Comeback der Inflation zwingt die Notenbanken grundsätzlich, die Geldpolitik neu auszurichten". 

'Bi': Wie gehen die Sparkassen in Ihrem Verband mit dieser Situation um?

Prof. Buchholz: "Wie alle Banken müssen auch wir Sparkassen mit dieser unübersichtlichen Situation souverän umgehen. Unsicherheit und sich dynamisch verändernde Rahmenbedingungen betreffen nicht nur uns, sondern vor allem unsere Kunden. In Zeiten der Unsicherheit sind wir noch intensiver gefragt und unsere Stärken der Kundennähe sowie der regionalen Verwurzelung werden zunehmend wichtiger. Als führende Hausbankengruppe von Millionen Privat- und Geschäftskunden sind die Sparkassen gefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die großen Konflikte der Weltpolitik nicht ungebremst auf die Realwirtschaft in der Region durchschlagen. Als Partner unserer Kunden ist es unsere Aufgabe, ihnen den notwendigen Schub für die Erholung nach der Corona-Pandemie zu geben und neue, globale Unsicherheiten wirtschaftlich, wo immer möglich, auszuklammern. Diese Mission gilt für jede Sparkasse mit ihren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genauso wie für Ihre Interessenvertreter in den Verbänden als Verantwortliche für die Arbeit an den passenden Rahmenbedingungen. Eins vorwegnehmend scheint klar: So wie sich die Rahmenbedingungen gravierend verändert haben, so verschieben sich auch die gestalterischen Arbeiten an Ihnen. Die Sparkassen haben in ihrem langen Bestehen viele Krisen und bewegte Zeiten gemeistert. Auch in den gegenwärtigen Verwerfungen können sich Kundinnen und Kundinnen auf uns verlassen."

Teilen Sie diese Neuigkeit in Ihrem Netzwerk