Aktuelles

BMF sieht „hypothetische Ausgangslage“ der Provisionsdeckel-Rechtsgutachten

Die FDP-Bundestagsfraktion, u. a. mit Bettina Stark-Watzinger, Frank Schäffler und Dr. Florian Toncar, hatte eine Kleine Anfrage zur „Vereinbarkeit eines Provisionsdeckels für die Vermittlung von Lebensversicherungen mit dem Grundgesetz und dem europäischen Recht“ (BT-DrS 19/8401 vom 14.03.2019) an die Bundesregierung gestellt (vgl. ‚vt‘ 13/19). Von den 20 Fragen nehmen insgesamt 11 Bezug auf die Rechtsgutachten von Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier und Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, die auf Veranlassung der Vermittler-Berufsverbände AfW und VOTUM sowie der von ‚vt‘ koordinierten Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) erstellt wurden (vgl. ‚vt‘ 07/19).

„Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Prof. Dr. Papier, dass ein Provisionsdeckel gegen Artikel 12 sowie Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) verstieße und somit verfassungswidrig sei“, wollten die FDP-Abgeordneten u. a. wissen. Wie der Antwort namens der Bundesregierung durch das BMF (BT-DrS 19/8852 vom 29.03.2019) zu entnehmen ist, wurden alle 11 Fragen zu den Rechtsgutachten wie folgt gemeinsam beantwortet:

„Beide Gutachten wurden erstellt, ohne dass ihnen ein konkreter Gesetzentwurf zugrunde lag. Sie nehmen deshalb zu einer unterstellten und vermuteten Ausgestaltung des Provisionsdeckels Stellung. Aufgrund dieser hypothetischen Ausgangslage kommen die Gutachter zu Ergebnissen, die die Bundesregierung gerade wegen des hypothetischen Charakters nicht kommentiert.“ Offenbar will das BMF die massiven verfassungsrechtlichen Bedenken ausblenden, denn von einer unterstellten Ausgestaltung des Provisionsdeckels kann keine Rede sein. So schreibt Prof. Papier zum Sachverhalt (Seite 5):

„Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass sich der deutsche Gesetzgeber entschließt, die Gesamtvergütung für die Vermittlung und Betreuung einer Lebensversicherung in Deutschland mit einem Provisionsdeckel zu versehen.“ Entsprechend dem BMF-Referentenentwurf gibt es einen ‚Gesamtprovisionsdeckel‘, der sich aus ‚Basisprovisionsdeckel‘ und ‚Qualitätsprovisionsdeckel‘ ergibt.

Lediglich die laufende Betreuung ist davon nicht umfasst, aber ebenfalls reglementiert (vgl. ‚vt‘ 14/19). Demnach beziehen sich die Ausführungen des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts nicht auf eine konkrete und damit unterstellte Ausgestaltung, sondern allgemein auf einen Provisionsdeckel, und einen solchen will das BMF eben einführen. Im Gespräch mit der ‚vt‘-Redaktion kritisiert der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler:

„Es ist bezeichnend, dass die Bundesregierung nicht auf die verfassungs- und europarechtlichen Fragen antwortet. Dabei sollte das BMF genau diese Punkte abschließend klären, bevor sich über den Rest streiten lässt. So oder so meine ich, dass der Provisionsdeckel den unterschiedlichen Vertriebswegen im Versicherungsvertrieb nicht ausreichend Rechnung trägt. Zwar lässt der Gesetzentwurf eine Erhöhung bei Qualitätsverbesserungen zu, jedoch ist dies ein bürokratisches Werk, das die Produkte indirekt teurer macht.“

Werfen wir noch einen Blick auf eine weitere Frage der FDP: „Lassen rückläufige Beschwerden von Verbrauchern über Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsmakler und marginale Beschwerdequoten (siehe: aktueller Tätigkeitsbericht des Ombudsmanns für Versicherungen) nach Auffassung der Bundesregierung dennoch darauf schließen, dass Fehlanreize durch zu hohe Vergütungen der Vermittler bestehen, die mit einem gesetzlichen Provisionsdeckel korrigiert werden können?“ Auf diese u. E. mehr als berechtigte Frage lautet die Antwort: „Der angeführte Tätigkeitsbericht des Ombudsmanns für Versicherungen trifft keine Aussage über ‚rückläufige Beschwerden von Verbrauchern über Versicherungsvermittler/-makler und marginale Beschwerdequoten‘.“

Zutreffend ist, dass der Ombudsmann keine konkrete „Aussage“ trifft, aber das behauptet die FDP auch nicht. Jedoch stehen im Tätigkeitsbericht statistische Fakten, aus denen sich klar ergibt (vgl. ‚vt‘ 06/19): ++ Die ohnehin niedrige Zahl der Verbraucherbeschwerden über Versicherungsvermittler beim Ombudsmann für Versicherungen ist nochmals zurückgegangen, nämlich von 297 (2017) auf 283 Beschwerdeanträge (2018) ++ Davon wurden zahlreiche Beschwerden als unzulässig abgewiesen, so dass 159 Beschwerden über Vermittler (2017) und lediglich 97 (2018) als zulässig beendet wurden.

++ Selbst wenn man unterstellt, dass sich alle als zulässig beendeten Verfahren nur auf Versicherungsmakler beziehen, dann beträgt die Beschwerdequote 0,2 %. Und wenn man die Anzahl der von Versicherungsmaklern vermittelten Verträge berücksichtigt, dann zeigt sich erst recht, wie marginal die Beschwerdequote ist.

Zu der (nach einer BaFin-Marktuntersuchung) von vielen Kreditinstituten zu Provisionshöchstsätzen von mindestens 50 % der Versicherungsprämie vermittelten Restschuldversicherung (vgl. ‚vt‘ 11/19) ergänzt Schäffler: „Ich habe für die FDP-Fraktion einen Antrag verfasst, der die möglichen Exzesse bei Restschuldversicherungen durch eine zeitliche Trennung zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrags und dem Versicherungsabschluss eindämmen würde. Eine solche ‚Abkühlungsphase‘ wäre ein viel besserer Weg, um die unseriösen Praktiken beim Verkauf von Restschuldversicherungen zu unterbinden.“

‚vt‘-Fazit: ++ Die Kleine Anfrage der FDP fördert zu Tage, wie sich Bundesregierung/BMF auch im Umgang mit fundierten Rechtsgutachten drehen und winden, um stur einen ideologischen Provisionsdeckel durchzuboxen. Ob die Sichtweise des BMF am Ende des Gesetzgebungsverfahrens auch die Sichtweise der Bundesregierung wird, oder aber Sachargumente sich durchsetzen, wird der parlamentarische Prozess erbringen.

++ Fakten, die gegen einen Provisionsdeckel sprechen, werden vom BMF weggeredet. Für die eigenen Behauptungen und Thesen, warum ein Provisionsdeckel notwendig und insbesondere verfassungs- und europarechtlich zulässig sein soll, bleibt das BMF aber jeden Beweis schuldig, so auch im aktuellen Referentenentwurf. Das BMF kann bisher nicht entkräften, ‚ins Blaue hinein‘ zu agieren. (Die Antwort kann hier heruntergeladen werden.)

Dieser Beitrag ist frei lesbar. Wenn Sie den 'direkten Draht' für das vertrauliche Gespräch mit Ihrem ‚versicherungstip‘-Chefredakteur nutzen, umfassend und zeitnah informiert und vollen Zugriff auf alle Print- und Digital-Leistungen von ‚versicherungstip‘ haben möchten: Sichern Sie sich umgehend die volle Leistungspalette  mit einem

'versicherungstip'-Abonnement.

Damit erhalten Sie

• wöchentlich die 'versicherungstip'-Ausgabe per Post

• dazu Spezial-Beilagen aus den Bereichen Beratung, Recht und Steuern

• vollen digitalen Zugriff auf alle Berichte in versicherungstip ab dem Erscheinungstag

• vollen digitalen Zugriff auf alle Service-Unterlagen (Urteile, Verordnungen, Gesetzentwürfe, Anwendungschreiben etc.)

• vollen digitalen Zugriff auf unsere Volltext-Suche in allen 'vt'-Veröffentlichungen seit 2002 für Ihre Recherche und

•  Sie können den 'direkten Draht' für das vertrauliche Gespräch mit Ihrem Chefredakteur nutzen.

Hier finden Sie weitere Informationen zum 'versicherungstip' und zur Leistungspalette.

Teilen Sie diese Neuigkeit in Ihrem Netzwerk