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BVK-Gutachten: Provisionsverbot für sich nicht als abhängig outende Versicherungsmakler

Am 29.082023 berichtete der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) über ein Gutachten, wonach die von der EU-Kommission vorgelegte EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment StrategyRIS) gar kein Provisionsverbot enthalte (vgl. ‚vt‘ 37/23). Nun liegt das im Auftrag des BVK von Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer, Europa-Universität Viadrina/Frankfurt (Oder), erstellte Gutachten vor. Prof. Brömmelmeyer liefert eine interessante Interpretation, worauf sich ‚Unabhängigkeit‘ bezieht, mit dem Ergebnis, dass die RIS kein zwingendes Provisionsverbot für Versicherungsmakler beinhalte.

Zudem entnehmen wir dem Gutachten einen vermutlichen Übersetzungsfehler in der deutschen RIS-Version, der u. E. durchaus Spannung verspricht. Doch zitieren wir zunächst die Empfehlung von Prof. Brömmelmeyer zum Artikel 30, Abs. 5b, IDD-Entwurf: „Der Versicherungsmakler braucht weder zu behaupten, dass er wie ein Arbeitnehmer persönlich abhängig sei, noch, dass er vertraglich bzw. wirtschaftlich von einem bestimmten Versicherer abhänge. Er muss lediglich angeben, dass die von ihm angebotene Beratung auf Provisionsbasis und deswegen ‚nicht unabhängig‘ erfolgt. Der Richtlinienvorschlag verlangt im Hinblick auf den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten sowohl auf Seiten des Versicherungsmaklers als auch auf Seiten der Kunden ein höheres Maß an Differenzierungsvermögen als bisher: Der Versicherungsmakler gibt an, dass er selbständig und ‚ungebunden‘ ist, so dass er auf der Basis eines repräsentativen Marktüberblicks im bestmöglichen Interesse des Kunden Versicherungsanlageprodukte auswählen und empfehlen kann. Er gibt gleichzeitig an, ob die von ihm angebotene Beratung ‚unabhängig‘ oder ‚nicht unabhängig‘ erfolgt, je nachdem, ob es sich im konkreten Einzelfall um eine Honorarberatung handelt (unabhängig) oder um eine Beratung auf Provisionsbasis (nicht unabhängig).“

Während die englischsprachige RIS-Originalfassung den „insurance intermediary“, der Kunden informiert, dass „that advice is given on an independent basis“, fokussiert, also eine Beratung die auf unabhängiger Basis erfolgt, stellt Prof. Brömmelmeyer mit Verweis auf den Gesamtkontext auf die Herkunft der Vergütung ab, die eine Beratung als ‚abhängig‘ oder ‚unabhängig‘ klassifiziert. Davon ausgehend stellt er zutreffend fest, dass dies Kunden und Versicherungsmaklern ein „höheres Maß an Differenzierungsvermögen“ abverlangt.

Ist das den Verbrauchern wirklich zuzumuten? Praxisfern erscheint uns der Informations-Ratschlag, dass der Versicherungsmakler sich als selbständig, ungebunden und im Interesse des Kunden arbeitend bewirbt, aber im gleichen Atemzug mitteilt, dass die Beratung nicht unabhängig erfolgt. Eine ‚Abhängigkeits-Erklärung‘ fordert die EU zwar nicht, der Brömmelmeyer-Info-Tipp könnte aber von der Hoffnung getragen sein, Rechtsunsicherheiten für den Versicherungsmakler zu reduzieren. Die Ungebunden-Abhängigkeits-Erläuterungen dürften für Verbraucher indes mehr als irritierend sein. Hört der Verbraucher dann überhaupt noch hin oder empfindet er dies als Rumgeeiere und zeigt dem Versicherungsmakler schon längst zumindest gedanklich den Vogel?

Interessant ist eine – von uns bisher übersehene – womöglich fehlerhafte Übersetzung in der deutschsprachigen EU-Fassung. Dort wird aus „that advice is given on an independent basis“ die Information, dass „die Beratung ungebunden erfolgt“. Wer also, wie es das gesetzliche Berufsbild des Versicherungsmaklers vorgibt, im Lager des Kunden steht und nicht an Versicherer gebunden ist, der darf keine Provision annehmen. In der amtlichen deutschen Version wird damit ein Provisionsverbot für Versicherungsmakler konstatiert.

Auch wenn Prof. Brömmelmeyer, vermutlich zutreffend, herleitet, dass es sich um einen Übersetzungsfehler handeln dürfte („richtig: unabhängig bzw. auf unabhängiger Basis“), sorgt die amtliche deutsche Übersetzung für weitere Rechtsunsicherheit. Rechtsexperten dürften bei der Auslegung, ob in Deutschland der deutsche Wortlaut gilt oder aber die anderslautende englische, unterschiedliche Auffassungen vertreten. Relevant ist insbesondere die Rechtsprechung, womit Artikel 30 Abs. 5b IDD-Entwurf ein weiteres Provisionsverbots-Risiko für Versicherungsmakler beinhaltet.

Doch selbst wenn die Übersetzung ‚ungebunden‘ geheilt werden sollte, bliebe eine Verbraucherverwirrung, die zum Nachteil der Versicherungsmakler würde: Der abhängige Ausschließlichkeitsvertreter darf Provisionen erhalten, ohne dem Kunden einen Vortrag halten zu müssen. Der Sachwalter des Kunden soll dem Kunden aber erklären, dass die Beratung doch nicht unabhängig erfolgt, damit er die Courtage erhalten darf.

Die Rechtsauffassung von Prof. Brömmelmeyer darf als äußerst umstritten bezeichnet werden. Der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e. V. hatte am 28.08.2023 ein rechtswissenschaftliches Gutachten von Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski präsentiert, das in der von der EU-Kommission geplanten Regelung ein Provisionsverbot für Versicherungsmakler erkennt und diesem Rechtswidrigkeit bescheinigt (vgl. ‚vt‘ 36/23). Nicht nur AfW und Prof. Schwintowski haben diese Auffassung:

„Ich stimme Prof. Schwintowski voll und ganz zu, der darin ein verbotswidriges Handeln der Kommission sieht. Zunächst hat der BGH ja in seinem Urteil festgeschrieben, dass der Versicherungsmakler unabhängig ist. Nun wird seitens der EU-Kommission versucht, dem dadurch entgegenzuwirken, dass – wenn der Versicherungsmakler sich als unabhängig gegenüber seinem Mandanten darstellt –, er keine Courtage mehr seitens der Versicherer annehmen darf, sondern nur noch ein durch den Mandanten zu zahlendes Honorar. Das ist m. E. gleichzusetzen mit einem Courtageverbot. Ich stimme Prof. Brömmelmeyer nicht zu, dass dieses kein Courtageverbot darstelle. Faktisch kann man es nicht anders beschreiben“, hofft Versicherungsmakler Wilfried E. Simon, Dozent für Versicherungsrecht und Mitglied im Rechtsausschuss des Berufsverbandes Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM), dass „der EU-Entwurf so nicht Gesetz wird“.

Im Auftrag des österreichischen Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten haben Prof. Dr. Thomas Jaeger und Dr. Cornelia Lanser, Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung der Universität Wien, ein Ergänzungs-Gutachten „zur unionsrechtlichen Beurteilung des Richtlinienentwurfs für ein ‚Provisionsverbot‘ für Versicherungsmakler anhand der EU-Grundfreiheiten und EU-Grundrechte“ erstellt. Dabei erkennen die Rechtswissenschaftler in den EU-Planungen ein „partielles Provisionsverbot“. Sie vertreten die Auffassung, dass „ein Provisionsverbot, das nur für Versicherungsmakler gelte, als unsachlich zu qualifizieren“ wäre, denn „Versicherungsmakler würden unsachlich gegenüber anderen Versicherungsvermittlern benachteiligt“.

Prof. Jaeger und Dr. Lanser kommen zudem zu folgenden Ergebnissen: „Das im Gesetzgebungsvorschlag der EU-Kommission vom 24.05.2023 normierte, partielle ‚Provisionsverbot‘ für die unabhängige Beratung und Vermittlung von Versicherungsanlegeprodukten widerspricht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit“ und „greift mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in die unionsrechtlich verbürgten Grundrechte der Berufsfreiheit, der unternehmerischen Freiheit und den Gleichbehandlungsgrundsatz ein.“

‚vt‘-Fazit: Das Brömmelmeyer-Gutachten liefert weitere Gründe für die Forderung, dass Artikel 30 Abs. 5b IDD-Entwurf gestrichen werden muss. Zunächst bleibt es diskussionswürdig, ob bei der Unabhängigkeits-Definition rechtssicher ausschließlich auf die Vergütungsherkunft abgestellt werden kann. Der Aspekt der berechtigten Verbrauchererwartung an die Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers und daraus resultierende Rechtsprechung sollte in Deutschland nicht voreilig unter den Tisch gekehrt werden.

Sollte ein Provisionsverbot ‚umgangen‘ werden können durch zusätzliche umständliche und Verbraucher verwirrende Informationen, dann ist das eine Wettbewerbsbenachteiligung für Versicherungsmakler und schädlich für Maklerversicherer. Zudem eröffnet die Übersetzung mit ‚ungebunden‘ weitere Spekulationen, die die Rechtsunsicherheit für Versicherungsmakler zusätzlich erhöhen.

Fest steht: Trifft den Versicherungsmakler am Ende das Provisionsverbot, dann sind die gebundenen Versicherungsvertreter vorläufig dennoch fein raus. Doch die geplante Auflage stellt selbst im günstigsten Fall einen Einstieg in ein gesetzliches Provisionsverbot dar. Da dies nicht der letzte Schritt, sondern der erste sein wird, gilt: Wehret den Anfängen! Das werden wir in Ihrem Interesse tun.

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