Die im Juli 2021 von der EZB beschlossene Idee eines Digitalen Euros (D€) als elektronischem Zwilling des Euro-Bargeldes ist vom Ansatz her schön und reizvoll: Der digitale Euro als eine digitale Form von Zentralbankgeld, das überall im Euro-Raum akzeptiert wird, höchste Datenschutzanforderungen an ein elektronisches Zahlungsmittel erfüllt, zudem kostengünstig und in europäischer Hand ist. Zunächst wurde zwei Jahre lang eine mögliche Ausgestaltung und Bereitstellung des Digitalen Euro untersucht und im November 2023 die zweijährige Vorbereitungsphase gestartet, die eigentlich mit der Einführung des digitalen Euros im November 2025 enden soll. Aber wie das mit schönen und hehren Ideen so ist, bei falscher Umsetzung birgt die Einführung eines Digitalen Euros reichlich existenzgefährdenden Sprengstoff für die Welt der Banken und Sparkassen. Kritisch sind hier vor allem: ++ die Anrechnung von Kundeneinlagen auf das Kernkapital der Kreditinstitute sowie ++ die Ausgestaltung des Zahlungsverkehrs. Denn Kern der bisherigen Vorschläge von EU Kommission und EZB ist, den Digitalen Euro nicht nur als Zahlungsmittel in Ergänzung zum Bargeld, sondern als zusätzliches Zahlverfahren neben dem bestehenden Zahlungsverkehr auszugestalten. Doch wie praxistauglich sind die bisherigen Ansätze?
Das wollte der BVR wissen und beauftragte bei der PaySys Consultancy GmbH eine umfangreiche Studie. Die auf Zahlungsverkehr, Finanzmärkte und Geldpolitik spezialisierten Experten rund um das Autorenteam Dr. Hugo Godschalk, Prof. Dr. Malte Krüger und Prof. Dr. Franz Seitz gehen darin u. a. den Fragen nach: ++ Welchen Mehrwert würde ein digitaler Euro, wie die europäische Notenbank ihn aktuell vorschlägt, für Handel und Verbraucher stiften? ++ Welche Konsequenzen hätte eine Umsetzung dieser Ideen für die verschiedenen Marktteilnehmer? ++ Wie praxistauglich sind die Vorschläge? ++ Gibt es Widersprüche oder bauen die Ideen konsistent aufeinander auf? ++ Decken die Vorschläge alle für eine Umsetzung zu klärenden Fragen ab?
Dabei kommt die wissenschaftliche Studie zu ernüchternden Ergebnissen. "Der digitale Euro in der bislang angedachten Ausgestaltung wäre eher ein Konkurrenzprodukt für existierende bargeldlose Zahlungsarten und weniger ein innovativer Ersatz für das herkömmliche Zentralbankprodukt Bargeld, dessen Nutzung derzeit rückläufig ist", so Prof. Dr. Krüger von der Technischen Hochschule Aschaffenburg. Dabei können die Autoren in ihrer Studie keinen Vorteil durch den Digitalen Euro erkennen: "Für die Konsumenten gibt es bereits zahlreiche Zahlungsmöglichkeiten insbesondere im eCommerce. Daher muss ein neues Produkt wie der D€ einen deutlichen Mehrwert bringen, um sich am Markt durchzusetzen. Ein erheblicher Mehrwert des D€ als Zahlungsmittel lässt sich jedoch bisher nicht erkennen.“ Zwar sei "grundsätzlich positiv aus Konsumentensicht, dass das D€-Konto keinen unmittelbaren Gebühren unterliegt. Sollten jedoch die PSP-Kosten für D€-Basisdienstleistungen von natürlichen Personen nicht voll durch die Inter-PSP-Einnahmen oder durch etwaige Einnahmen aus Sonderleistungen für D€-Konten gedeckt sein, ist damit zu rechnen, dass der Fehlbetrag bei der Festlegung der Gebühren für ein Girokonto (oder sonstige Bankdienstleistungen) berücksichtigt wird." Unterm Strich muss eben jemand die Arbeit bezahlen.
Zumal sich die Zahl der bislang am Zahlungsverkehr beteiligten Parteien von derzeit vier (Zahler, Zahlungsempfänger und deren jeweilige Payment Service Provider) laut Studie auf dann bis zu acht Beteiligte erhöht. Das würde Abwicklungsprozesse verkomplizieren und verlangsamen und sicher auch im Widerspruch zu niedrigeren Kosten und damit zur höheren Wettbewerbsfähigkeit Europas stehen. Ebenfalls gehen die Autoren davon aus, dass die technische Umstellung Handel und Marktpartner massiv fordern würde, da diese keinerlei Einflussnahme auf das Ob und Wann der Umstellung haben. Auch arbeiten die Autoren heraus, dass das angedachte Vergütungsmodell mit Obergrenzen unterhalb von Marktpreisen für eine Verdrängung effizienter europäischer Zahlungssysteme sorgen und damit die europäische Souveränität nachhaltig schwächen würde.
"Es sind derzeit noch viele Fragen offen und Widersprüche zwischen den einschlägigen Dokumenten des Eurosystems und dem Regulierungsvorschlag der EU-Kommission festzustellen. Offene Fragen gibt es insbesondere zur Ausgestaltung des Kompensationsmodells, der Regelung von Haftungsfragen, der Ausgestaltung des offline digitalen Euro, der Höhe der Haltelimits und der Gestaltung einer angedachten digitalen Euro-Karte. Kritisch zu sehen ist zudem die Fokussierung auf das Smartphone als Zahlungsmittel", zählt Prof. Dr. Krüger weitere kritische Punkte der derzeit vorgesehenen Ausgestaltung auf. Kein Wunder, dass BVR-Vorstandsmitglied Tanja Müller-Ziegler erläutert: "Wir setzen uns für einen digitalen Euro ein, der Verbrauchern und Unternehmen erkennbare Mehrwerte bietet. Die PaySys-Studie legt aber offen, dass die bisherigen Vorschläge des Eurosystems und der EU-Kommission, eine staatlich betriebene Parallelwelt zum bestehenden und bewährten privatwirtschaftlichen Zahlungsverkehrssystem zu schaffen, der falsche Weg sind." Deshalb fordert Müller-Ziegler weiter: "Im Mittelpunkt aller Überlegungen sollte der Nutzen für die Anwender liegen, einschließlich der Punkte Anonymität, Stabilität und Datenschutz. Auch in dieser Hinsicht sind viele Fragen offen. Die Bankpraxis muss bei der Konzeption eines Digitalen Euro deutlich stärker einbezogen werden; wir bieten hier weiterhin unsere intensive Mitarbeit an."
'Bi'-Fazit: Trotz bereits erkennbarer Webfehler im System treibt die EZB die Vorbereitung zum Digitalen Euro massiv voran. Auch wenn der ursprüngliche Zeitplan mit einer möglichen Einführung des Digitalen Euro zum November 2025 kaum zu halten sein dürfte, gilt hier ganz besonders: Gründlichkeit und Folgenabwägung gehen vor Schnelligkeit! Insbesondere müssen die mittelständischen Banken viel stärker einbezogen werden, denn sie sind am nächsten an der Praxis. 'Bank intern' hält Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden.