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Das OLG Karlsruhe erteilt ‚Spontane Anzeigepflicht‘-Mär eine schallende Ohrfeige

Wie ‚versicherungstip’ nach Teilnahme an der Verhandlung im Berufungsverfahren vom 15.03.2018 bereits berichtet hatte, ist „beim OLG Karlsruhe die spontane Anzeigepflicht vom Tisch“ (vgl. ‚vt’ 12/18). Mit Urteil vom 20.04. (Az.: 12 U 156/16) kommt der 12. Senat zu dem Ergebnis, dass das LG Heidelberg (Urteil vom 08.11.2016, Az.: 2 O 90/16) „rechtsfehlerhaft angenommen hat, der erforderliche Anfechtungsgrund ergebe sich daraus, dass es der Kläger bei Stellung des Versicherungsantrags unterlassen hat, die Beklagte auf die bei ihm diagnostizierte multiple Sklerose hinzuweisen“. Noch deutlicher nimmt das OLG in den Leitsätzen die spontane Anzeigepflicht aufs Korn:  ++ „Wenn der Versicherer im Rahmen der Antragstellung für eine Berufsunfähigkeitsversicherung erkennbar auf das Stellen bestimmter Gesundheitsfragen verzichtet, besteht keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, hierzu ungefragt Angaben zu machen; dies gilt auch dann, wenn die nicht erfragten Umstände erkennbar gefahrerheblich sind.“  ++ „Ist die nur einen Satz umfassende Gesundheitsfrage beschränkt auf Angaben zu einem Tumorleiden (Krebs), einer HIV-Infektion (positiver Aids-Test), einer psychischen Erkrankung oder einem Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), besteht keine Obliegenheit, auf eine bestehende Erkrankung an multipler Sklerose hinzuweisen.“  Das LG hatte die Auffassung vertreten (vgl. ‚vt’ 41/17), der VN habe „arglistig gefahrerhebliche Umstände, zu deren Offenbarung er nach Treu und Glauben verpflichtet war, verschwiegen“. Dieser anzeigepflichtige Umstand sei die MS, obwohl der Versicherer nach dieser Erkrankung nicht gefragt hatte. Der Heidelberger Mär einer grundsätzlichen spontanen Anzeigepflicht erteilt das OLG eine klare Absage. Auch BGH und andere OLGs statuieren keine grundsätzliche spontane Anzeigepflicht (vgl. ‚vt’ 44/17), sondern nur „in sehr restriktiv zu handhabenden Ausnahmefällen“ (BGH) oder wenn die Umstände „so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden kann“ (OLG Celle). Dennoch erhält der betroffene VN keine Leistung. Nach Überzeugung des 12. Senats war dem VN bei Antragsstellung bewusst, dass er bereits da seiner Berufstätigkeit nicht mehr ohne Einschränkung nachkommen konnte. Bei der Täuschung des Versicherers habe er arglistig gehandelt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

‚vt‘-Fazit: Die klare Absage des OLG Karlsruhe an eine grundsätzliche spontane Anzeigepflicht ist gut für Verbraucherschutz und Versicherungsmakler. Es ist zugleich ein Warnschuss an diejenigen Versicherer, die mit reduzierten Gesundheitsfragen den Umsatz ankurbeln wollen und im Schadenfall umso schärfer prüfen, in der Hoffnung, sich über die spontane Anzeigepflicht von der Leistungspflicht befreien zu können. Bedauerlich ist, dass der BGH keine Gelegenheit hat, sich hier zur spontanen Anzeigepflicht zu äußern. (Die Kurzfassung vom 04.05.2018 wurde ergänzt um die Inhalte des ausführlicheren Berichtes in der Printausgabe vom 08.05.2018; das Urteil des OLG Karlsruhe kann hier heruntergeladen werden.)

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