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Die Haftung des Versicherungsmaklers ist ein starkes Verbraucherschutz-Argument

Der Versicherungsmakler steht im Lager des Kunden. Der Versicherungsmakler ist Sachwalter des Mandanten. Der Versicherungsmakler schuldet dem Versicherungsnehmer die Beratung zu einem individuell passenden Versicherungsschutz. Dazu muss der Versicherungsmakler erst einmal eine Bedarfsanalyse durchführen und einen großen Marktüberblick haben.Ob BGH oder VVG, die Arbeit des Versicherungsmaklers ist kein Zuckerschlecken im rechtsfreien Raum, sie unterliegt klaren Vorgaben des Gesetzgebers und einschlägiger Rechtsprechung.

Insbesondere resultiert daraus eine Haftung. Die Haftungsgefahren mögen auf den ersten Blick unerfreulich sein. Doch genau diese besondere Rechtsstellung des Versicherungsmaklers, im Auftrag des Kunden tätig zu sein, für dessen passenden Versicherungsschutz verantwortlich zu sein und für die eigene Beratungsleistung in Haftung zu stehen, macht den Versicherungsmakler so wichtig für den Verbraucher. „Versicherungsmakler sind praktizierter Verbraucherschutz“, bringt es die Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) auf den Punkt. Darauf gilt es auch, in der Politik immer wieder hinzuweisen und zu untermauern.

Beleuchten wir daher nachfolgend ein Urteil, das einmal mehr zeigt, dass die Haftungsgefahr kein stumpfes Schwert ist: Eine selbstständige Augenoptikerin hatte bei der Pfefferminziaversicherung eine private Krankheits­kostenvollversicherung mit einer Zusatzversicherung für Sehhilfen sowie ambulante und stationäre Kur- und Sanatoriumsbehandlungen, Krankenhaustagegeld und Krankentagegeld sowie eine private Pflegepflichtversicherung.

Der vereinbarte Tarif sah ein Krankenhaustagegeld in Höhe von 50 € pro Tag und ein Krankentagegeld ab dem 29. Tag in Höhe von 100 € pro Tag vor. Im November 2018 fand ein Beratungsgespräch in den Büroräumen eines Versicherungsmaklers statt, an dem auch der Ehemann der Versicherten teilnahm. Womöglich wollte die Selbständige eine Versicherung mit einem günstigeren Beitrag, vielleicht hat sie sich aber auch über eine schleppende Leistungsabwicklung oder nicht nachvollziehbare Leistungsablehnung des bisherigen Versicherers geärgert.

Vieles in dem Ablauf des Beratungsgesprächs ist streitig. Jedenfalls wurde ein Antrag für einen neuen Versicherungsvertrag bei der Apfelsiniaversicherung vom Versicherungsmakler ausgefüllt und von der Kundin unterschrieben. Die Umdeckung war erfolgreich, der neue Versicherungsvertrag kam 2019 zustande.

Anfang 2021 meldete die Versicherungsnehmerin einen Leistungsfall. Das nahm der Versicherer zum Anlass, zu prüfen, ob die Kundin den vorvertraglichen Anzeigepflichten nachgekommen war. Nachdem sich dabei herausstellte, dass eine Vorerkrankung an einem Barett-Ösophagus nicht angegeben worden war, trat der Versicherer vom Versicherungsvertrag zurück. Die Vertragsauflösung konnte gegen Vereinbarung eines rückwirkenden Risikozuschlages in Höhe von monatlich fast 200 € rückgängig gemacht werden.

Zudem stellte sich heraus, dass beim neuen Versicherer weder Krankentagegeld noch Krankenhaustagegeld vereinbart war. Nach der ersten Instanz beim Landgericht Heidelberg (Urteil vom 09.09.2022, Az. 2 O 4/22) landete der Fall beim Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 07.03.2023, Az. 12 U 268/22). Auf die unterschiedlichen Sichtweisen der Versicherten und des Versicherungsmaklers wollen wir hier nicht eingehen, sondern kommen direkt zu den Kernpunkten des OLG-Urteils, insbesondere zu den Beratungspflichten und Inhalten der Beratungsdokumentation.

„Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Risiko passenden Versicherungsschutz zu besorgen. Wegen der umfassenden Pflichten des Versicherungsmaklers kann dieser für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (…) Empfiehlt der Versicherungsmakler – wie hier – den Wechsel einer Personenversicherung, hat er dem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung zu verschaffen“, bekräftigte der 12. Zivilsenat unter Verweis auf höchstrichterliche Urteile.

Wie immer in umstrittenen Fällen stellt sich die Frage der Beweismöglichkeit. Kann der Kunde einen Beratungsfehler belegen oder kann der Versicherungsmakler beweisen, dass er die geschuldete Beratung lieferte?

Auch dazu positionierten sich die Karlsruher Richter in den Entscheidungsgründen unmissverständlich: „Die Beratungs- bzw. Hinweispflichtverletzung hat grundsätzlich der Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen, wobei den Versicherungsmakler eine sekundäre Darlegungslast trifft (…) Allerdings kann die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers nach §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 62 VVG zu Beweiserleichterungen des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr führen (…) Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, so ist zugunsten des Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass der betreffende Hinweis nicht erteilt worden ist, der Versicherungsvermittler mithin pflichtwidrig gehandelt hat (…)“

Das OLG verurteilte den Versicherungsmakler, der VN bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalls das im früheren Tarif „bedingungsgemäß vereinbarte Krankenhaustagegeld in Höhe von 50 €/Tag für die Dauer eines bedingungsgemäßen Krankenhausaufenthaltes“ und das „bedingungsgemäß vereinbarte Krankentagegeld ab dem 29. Tag der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit in Höhe von 100 €/Tag zu zahlen“. Zudem wurde der Versicherungsmakler verurteilt, der VN „sämtlichen in der Vergangenheit entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen Schaden (…) aufgrund des durch die fehlerhafte Versicherungsmaklerberatung vom 21.11.2018 bedingten Wechsels vom Vertrag mit der“ Pfefferminziaversicherung zum Vertrag mit der Apfelsiniaversicherung „zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden“. Dies betrifft aber nicht die „Mehrkosten auf Grund des Risikozuschlags für Erkrankungen der Speiseröhre und Folgen“.

Wir wollen hier nicht spekulieren, ob der Versicherungsmakler eine gute Beratung ablieferte aber schlecht dokumentierte, ob er für die PKV-Beratung zu wenig Erfahrung hatte und daher eine schlechte Beratung ablieferte oder ob der Beratungsfehler in Kauf genommen wurde, damit der neue Monatsbeitrag niedriger war als der vorherige, damit es zur Umdeckung und damit einer Vergütung des Maklers kam.

Der Fall zeigt, wie wichtig die Dokumentation einer Beratung für Versicherungsmakler ist (und umgekehrt ebenso, dass Kunden eine Beratungsdoku lesen sollten bzw. keine Beratungsleistung unterschreiben sollten, die nicht erbracht wurde). Selbst wenn eine mündliche Beratung gut war, selbst wenn der Versicherungsmakler ordnungsgemäß auf einen niedrigeren Versicherungsschutz hingewiesen hat, wenn der beitragsgünstigere Tarif gewählt wird, dann begibt er sich ohne entsprechende Beratungsdokumentation in größte Haftungsgefahr.

Denn dann muss nicht der Kunde einen Beratungsfehler belegen, sondern der Versicherungsmakler beweisen, dass er die geschuldete Beratung lieferte. Aber der Nachweis, dass eine ordnungsgemäße Beratung doch stattgefunden hat, wird in der Praxis schwierig sein und häufig scheitern. Das Urteil zeigt insbesondere einmal mehr, wie hoch die Beratungspflichten des Versicherungsmaklers sind und welche Verbraucherschutzfunktion Versicherungsmakler mithin darstellen.

‚vt‘-Fazit: Über Versicherungsmaklern, die bei der Beratung und Vermittlung nicht das Wohl des Kunden im Fokus haben, sondern Produktverkauf auf Basis monetärer Anreize betreiben, wie das von sogenannten Verbraucherschützern gerne dargestellt wird, würde das Haftungs-Damoklesschwert schweben.

Das ist auch gut so, denn insbesondere, weil Versicherungsmakler Sachwalter des Kunden sein müssen und in dessen Lager zu stehen haben, macht sie so wertvoll für Verbraucher. Es zeigt, warum verbraucherorientierte Politiker gut daran tun, sich für den Erhalt der Versicherungsmakler einzusetzen. Wer ein Provisionsverbot für Versicherungsmakler fordert, handelt gegen den Verbraucherschutz.

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