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Ein regulatorischer BaFin-Provisionsrichtwert müsste mit BMF abgestimmt werden

Die von BMF und BaFin am 17.05.2022 bekannt gegebenen „neuen Grundsätze der Zusammenarbeit“ haben uns zur Frage geführt, ob die BaFin sich beim angekündigten Provisionsrichtwert mit dem BMF abstimmen muss (vgl. ‚vt‘ 21/22).

Eine ‚vt‘-Anfrage bei der Aufsicht bringt in Teilen Klarheit: „Zu Rechtsverordnungen, norm­interpretierenden Veröffentlichungen und Allgemeinverfügungen, soweit diese standardsetzenden Charakter haben, leitet BaFin rechtzeitig die Abstimmung mit BMF ein. Ein standardsetzender Charakter ist zu bejahen, wenn im Hinblick auf künftige Aufsichtsmaßnahmen der BaFin für einen oder mehrere Finanzsektoren zur Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben grundlegende Anforderungen an das Verhalten von Finanzmarktteilnehmern gestellt werden“, definiert Punkt 5 der Grundsätze der Zusammenarbeit die „nationale Regulierung und Standardsetzung durch BaFin“.

Nach den Aussagen des BaFin-Exekutivdirektors Dr. Frank Grund„Wir streben einen Provisionsrichtwert an“ (vgl. ‚vt‘ 20/22) sowie „Wenn der Deckel nicht kommt, werden wir im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes darauf hinwirken, Fehlanreize zu vermeiden“ (vgl. ‚vt‘ 47/18) – und so wie sich die Aufsicht bisher positionierte – „Die BaFin konsultiert ein Rundschreiben, um Aufsichtsstandards für eine angemessene Vertriebsvergütung bei Lebensversicherungsunternehmen zu etablieren“ (vgl. ‚vt‘ 11/22) – hat ein Provisionsrichtwert u. E. standardsetzenden Charakter und die BaFin müsste eng mit dem FDP-geführten BMF kooperieren.

Um für Sie Klarheit zu schaffen, haben wir die Aufsicht gefragt, ob es sich bei der diskutierten Einführung eines Provisionsrichtwertes um eine Verfügung mit standardsetzendem Charakter für den Markt handelt und ob dann das BMF entsprechend zu beteiligen ist.

„Eine Regulierung – unabhängig in welchem möglichen zukünftigen Bereich – würde eine standardsetzende Maßnahme für den Markt darstellen – siehe hierzu auch Punkt 5 der Grundsätze der Zusammenarbeit“, teilt die BaFin mit. Womit die ‚vt‘-Frage, ob der diskutierte Provisionsrichtwert darunterfällt, weder mit ja noch mit nein beantwortet ist. In einem nachgängigen Telefonat erläutert eine Sprecherin der BaFin, dass „die Details der finalen Ausgestaltung des Rundschreibens zur Vertriebsvergütung derzeit erarbeitet werden. Ziel ist es die Anforderungen durch die IDD – eine ohnehin bestehende Rechtslage – für den Aufsichtsalltag durch die Kommunikation unseres Verständnisses dieser Rechtslage zu konkretisieren.“

Auch diese Antwort ist kein klares ja oder nein auf unsere Frage und bedarf der Interpretation. Es ist auszuschließen, dass die Aufsicht lediglich eine niedliche, weil unverbindliche, Empfehlung ausspricht. Daher will die BaFin auf die Möglichkeit eines Rundschreibens zurückgreifen. „Mit einem Rundschreiben veröffentlicht die BaFin ihre Verwaltungspraxis oder Norminterpretation bzw. Gesetzesauslegung zu einem Themenkomplex“, erläutert die Aufsicht auf ihrer Website.

Faktisch ist es so, dass die Rundschreiben der BaFin für die beaufsichtigten Unternehmen eine verbindliche Wirkung haben und es unwahrscheinlich ist, dass Versicherer die dortigen Vorgaben nicht befolgen. Denn wer sich einem so verkündeten Provisionsrichtwert widersetzen würde, müsste mit unerfreulichen Nachfragen und Gesprächen mit der BaFin rechnen. Auch eine Selbstbindung der Aufsicht gegenüber den Versicherern ist ein scharfes Schwert. Daher fällt die Wirkung eines per Rundschreiben verkündeten Provisionsrichtwertes u. E. unter Punkt 5 der Grundsätze – es müsste also eine Abstimmung mit dem BMF erfolgen.

Doch weder die IDD noch der deutsche Gesetzgeber schreibt einen Provisionsdeckel vor, und schwere, in der Branche weit verbreitete Missstände, liegen auch nicht vor. Auch deshalb kann u. E. ein Provisionsrichtwert nur kommen, wenn der mit dem BMF abgestimmt ist. Da erinnern wir daran, dass die FDP sich gegen einen Provisionsdeckel ausgesprochen hat. Denn dieser stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Versicherungsunternehmer und der Versicherungsvermittler dar.

Zumal ein besser geeignetes Mittel zu bevorzugen wäre, und dazu passt unsere weitere Frage an die BaFin: Wenn ein Versicherer eine sittenwidrig hohe Provision zahlt, wäre das ein Beispiel für eine Einzelaufsichtsmaßnahme?  Könnte die BaFin im Rahmen der Missstandsaufsicht nach § 48a VAG entsprechend tätig werden? Die Antwort der Aufsicht: „Wird die BaFin im Rahmen der Missstandsaufsicht gegenüber einem Institut tätig, etwa auf Grundlage von § 48a VAG, entscheidet sie unabhängig und in eigener Verantwortung.”

‚vt‘-Fazit: Die öffentliche Diskussion zum Provisionsrichtwert hat die BaFin mit den Aussagen von Dr. Frank Grund selbst entfacht. Bei der angekündigten Konsultation des geplanten Rundschreibens werden wir uns gemeinsam mit der von ‚vt‘ koordinierten Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) für Verbraucher und Versicherungsmakler einsetzen.

 

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