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Gefährliches Spiel: BVK kreiert den abhängigen Versicherungsmakler

Während der AfWBundesverband Finanzdienstleistung e. V. am 28.08.2023 ein rechtswissenschaftliches Gutachten von Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski präsentierte, das dem von der EU-Kommission geplanten Provisionsverbot für Versicherungsmakler Rechtswidrigkeit bescheinigt (Versicherungsmakler Provisionsverbot), berichtet der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) am Folgetag in einer Pressemitteilung über ein Gutachten, wonach die von der EU-Kommission vorgelegte EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment StrategyRIS) gar kein Provisionsverbot enthalte. Erstellt habe das Gutachten Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer, Europa-Universität Viadrina/Frankfurt (Oder). Der BVK beruft sich darauf, aber er werde dies erst „in nächster Zeit“ veröffentlichen.

Vorab zitiert der BVK Prof. Dr. Brömmelmeyer so: „Der von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag für eine Kleinanlegerschutz-Richtlinie enthält kein Provisionsverbot für Versicherungsmakler/innen. Die Kommission hat sich vielmehr bewusst entschieden, den provisions- und courtagebasierten Vertrieb von Versicherungen auch weiterhin zuzulassen. Richtig ist, dass die Provision für die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten ausnahmsweise entfallen soll, wenn der Versicherungsvermittler eine Beratung auf unabhängiger Basis ankündigt. Der Versicherungsmakler müsste künftig also im provisionsbasierten Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten klarstellen, dass er zwar nicht persönlich von einem bestimmten Versicherer abhängig ist, dass die von ihm angebotene Dienstleistung aber ‚nicht unabhängig‘ erfolgt, weil er wirtschaftlich gesehen auf Provisionszahlungen angewiesen ist.“

BVK-Präsident Michael H. Heinz konstatiert: „Mit dieser wissenschaftlichen Expertise können wir sagen, dass die RIS Maklern nicht verbieten wird, gegen Courtage Versicherungsanlageprodukte zu vermitteln.“ Wir wünschten, der BVK und Prof. Brömmelmeyer hätten recht bzw. Politiker auf allen Ebenen und Richter würden diese Auffassung dauerhaft teilen. Solange das Brömmelmeyer-Gutachten noch nicht veröffentlicht und ausgewertet ist, fallen klare Aussagen dazu naturgemäß schwer. Allerdings hatten wir die hoffnungsvollen Thesen, die Dr. Nico Spiegel, Legal and Policy Officer in der EU-Kommission, im Juni vertrat, bereits mit fundierten Bedenken begleitet (Eine Entwarnung beim EU-Provisionsverbot für Versicherungsmakler geht fehl; vgl. ‚vt‘ 24/23):

Weder sei ein Provisionsverbot für Versicherungsmakler beabsichtigt gewesen noch habe man ein solches vorgesehen. Soweit Versicherungsmakler die Kunden über die Courtageherkunft informieren, dürften weiterhin Provisionen fließen, meinte Dr. Spiegel. Doch der für Artikel 30 IDD mit dem neuen Punkt 5b vorgesehene Regelungstext betrifft den „insurance intermediary“, der Kunden informiert, dass „that advice is given on an independent basis“.

Ein Versicherungsvermittler, der versicherungsbasierte Anlageprodukte vermittelt und den Kunden darüber informiert, dass die Beratung auf unabhängiger Basis erfolgt, darf keine Provisionen erhalten. In der EU-Klarstellung heißt es, ein solches Verbot sollte Versicherungsvermittler jedoch nicht daran hindern, eine Beratung anzubieten, für die sie Anreize erhalten können, sofern die Beratung nicht als ‚unabhängig‘ dargestellt wird und die Kleinanleger im Einklang mit den geltenden Transparenzanforderungen über die Anreize informiert werden.

Bei dem notwendigen Hinweis auf die Herkunft der Vergütung sehen wir eine Übereinstimmung zwischen BVK und der EU-Klarstellung. Aber wie man eine Beratung als Sachwalter des Kunden, als unabhängiger Versicherungsmakler, rechtskonform und Richter überzeugend darstellen will als „Dienstleistung“, die „nicht unabhängig erfolgt, weil“ der Versicherungsmakler „wirtschaftlich gesehen auf Provisionszahlungen angewiesen ist“, dürfte die Phantasie von sogenannten Verbraucherschützern und insbesondere Richtern überstrapazieren.

Das lässt sich jedenfalls auch nicht aus den Zitaten zu dem noch nicht veröffentlichten Brömmelmeyer-Gutachten entnehmen. Die vermeintlichen Klarstellungen von Dr. Spiegel waren bereits mehr verschwurbelt, als dass sie für den deutschen Versicherungsmakler Rechtssicherheit schaffen. So ist die vorgesehene IDD-Regelung Wasser auf den Mühlen sogenannter Verbraucherschützer und Provisionsverbotsforderer. Welche Parteien zum Zeitpunkt der Umsetzung in deutsches Recht in Deutschland am Ruder sind, steht in den Sternen. Bereits hier droht Gefahr. Insbesondere wird sich die Rechtsprechung nicht von Klarstellungsbemühungen oder den bisher bekannten Aussagen aus dem Brömmelmeyer-Gutachten beeindrucken lassen.

Auch hier droht Gefahr. Denn ein Versicherungsmakler ist qua Gesetz unabhängig von Versicherern: Es ist eine berechtigte Verbrauchererwartung, dass Versicherungsmakler für den Mandanten arbeiten, in dessen Interesse tätig und daher unabhängig von Versicherern sind. Mehr als fraglich ist auch, ob Versicherungsmakler ihren Mandanten zumuten können, neben dem Wust an auszuhändigenden Informationen nun auch noch zu erklären, dass man eigentlich nicht von einem Versicherer abhängig ist, aber bei der Dienstleistung – die doch eben als Sachwalter des Kunden unabhängig zu erbringen ist – dann doch aufgrund der Provisionszahlung abhängig ist. Abgesehen davon, dass wir das für ein fatales Signal in den Markt und ebenso inhaltlich für falsch halten: Wenn ein Kunde nach so einer verschwurbelten Erklärung dem Versicherungsmakler den Vogel zeigt, dann würde uns das nicht überraschen.

‚vt‘-Fazit: Ob das noch nicht veröffentlichte Gutachten überzeugende Argumentationen liefert? Geht die vorliegende BVK-Argumentation im Zuge der weiteren oder zukünftigen Gesetzgebung oder der Rechtsprechung in die Hose, dann sieht es so aus: Die gebundenen Versicherungsvertreter sind fein raus – für die gilt das Provisionsverbot nicht. Versicherungsmakler aber stürzen in den Existenzkampf und auch für Maklerversicherer ziehen stürmisch dunkle Wolken auf. Wir halten es daher für notwendig, den unheilschwangeren EU-Passus klar abzulehnen.

Der im deutschen Recht verankerte Versicherungsmakler ist Sachwalter des Kunden und muss unabhängig von Versicherern beraten und vermitteln. Diese berechtigte Verbrauchererwartung lässt sich mit verschwurbelten Argumentationen nicht korrumpieren. Insbesondere ist der Einstieg in ein gesetzliches Provisionsverbot nicht der letzte Schritt, sondern der erste Schritt. Den nächsten Schritt könnte sowohl der nationale Gesetzgeber machen als auch die EU. Einmal eingeführt, lässt sich das Rad schwerlich zurückdrehen. Daher gilt: Wehret den Anfängen! Das werden wir in Ihrem Interesse tun.

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