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IGVM räumt bei Portalen mit Pseudo-Tippgeber-Status auf (Teil 1 Allianz)

‚Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass‘, lautet offensichtlich das Motto von so manchem Vergleichsportal, sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser. Verbraucher vom Abschluss einer Versicherung überzeugen, aber die regulatorischen Anforderungen an Versicherungsvermittler nicht erfüllen wollen – indem behauptet wird, man sei ja nur Tippgeber.

Mit dieser Masche und dem zunehmenden Wildwuchs solcher Portale räumt die IGVM – Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler auf – zudem hat ein Versicherungsmakler ein wichtiges OLG-Urteil erstritten: Versicherungsvermittlung betreiben, ohne dafür eine Erlaubnis bzw. Registrierung zu besitzen – „das ist nicht nur unlauterer Wettbewerb, sondern ein gravierender Gesetzesverstoß“, sagt der IGVM-Vorstandsvorsitzende Wilfried E. Simon. „Manche scheinen nicht zu wissen, was sie da tun, andere halten trotz Aufklärung an dem widerrechtlichen Geschäftsmodell fest“, konstatiert Michael Otto, Geschäftsführer der Otto Assekuranzmakler KG und 1. Stv. Vorsitzender der IGVM.

Otto und Simon wissen, wovon sie sprechen: Nach den einschlägigen deutschen und europäischen Gesetzen ist es unerlaubte Versicherungsvermittlung, wenn keine Zulassung gemäß § 34d GewO vorliegt. „Als Verstoß galt es bereits vor Inkrafttreten der IDD-Richtlinie, erinnert Simon. So führt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 31.05.2018 (Az.: C-542/16) aus, dass schon die den Versicherungsabschluss betreffenden Vorbereitungsarbeiten unter den Begriff der Versicherungsvermittlung fallen.

Das gilt selbst dann, wenn der Vermittler nicht die Absicht haben sollte, einen Versicherungsvertrag abzuschließen. Das Urteil bezog sich auf die Rechtslage vor dem IDD-Umsetzungsgesetz. Durch das Gesetz erfolgte inzwischen die Erweiterung des Vermittlungsbegriffs ab 23.02.2018, um den Verbraucherschutz zu stärken. „Demnach ist auch Versicherungsvermittler (nach § 59 Abs. 1, Satz 3 VVG), wer eine Vertriebstätigkeit im Sinne von § 1a Abs. 2 VVG ausführt, ohne dass die Voraussetzungen der Absätze 2 oder 3 vorliegen“, erklärt Simon (vgl. ‚vt‘ 02/19).

Im Klartext heißt das: „Schon die Bereitstellung von Informationen zu Versicherungen auf einer Webseite sowie die Möglichkeit, mittelbar einen Versicherungsvertrag abschließen zu können (§ 34d Absatz 1 Satz. 4 GewO), begründet den Vermittlerstatus und geht über die Tippgeberfunktion hinaus“, erläutert der IGVM-Boss. Dies gelte auch für den Fall, dass der Nutzer zum Abschluss einer Versicherung auf eine andere Webseite weitergeleitet wird, deren Betreiber eine Zulassung besitzt.

Das sieht so mancher Portalbetreiber anders. Jedenfalls solange er nicht erwischt und eines Besseren belehrt wird. Offensichtlich weil das Geschäftsmodell lukrativer ist, wenn die regulatorischen Anforderungen an Vermittler nicht erfüllt werden, sondern der bequeme Tippgeberstatus vorgeschoben wird, will so manches Vergleichsportal zunächst von der Praxis nicht lassen und riskiert eine Klage. Womöglich erhalten sie dabei Unterstützung von ihren Abnehmern – großen Online-Vermittlern, die das Geschäft bei Versicherern einreichen.

Der springende Punkt: Eigentlich müssten diese Unternehmen darauf achten, mit wem sie zusammenarbeiten. Doch wie unsere Recherche erbringt, berufen sich auch bekannte Plattformen wie CHECK24 Vergleichsportal für Kfz-Versicherungen GmbH, Verivox Versicherungsvergleich GmbH und zwei zum Allianz Konzern gehörende Online-Makler auf den vermeintlichen Tippgeberstatus einreichender Vergleichsportale, um das Treiben als legal darzustellen. Aufschlussreich ist dann: Merken der vermeintliche Tippgeber und sein Abnehmer, dass man ihnen auf die Schliche gekommen ist, wird aus dem angeblichen Tippgeber plötzlich ein registrierter Versicherungsvermittler.

Dazu einige Beispiele:

++ Die Unternehmen Finanzen.de Vermittlungsgesellschaft für Verbraucherverträge GmbH und Finanzen.de Maklerservice GmbH mit der B2B Plattform finanzen.de sind Gesellschaften der Allianz Gruppe. Finanzen.de arbeitet mit dem Portal preisvergleich.de von der GET Sol 1 GmbH zusammen. Dem Impressum war nicht zu entnehmen, dass es sich um einen registrierten Versicherungsvermittler handelt, ebenso war keine Erstinfo zu finden.

Zu Beginn unserer Recherche war auch im Vermittlerregister keine Registrierung festzustellen. Dann war plötzlich dem Vermittlerregister zu entnehmen, dass Get Sol als gebundener Versicherungsvertreter tätig ist. Auf ‚vt‘-Anfrage informiert Get Sol-Geschäftsführer Dr. Christian Backmann, das Portal preisvergleich.de biete „in Kooperation mit Verivox und finanzen.de einen Vergleichsrechner für Versicherungen“ an. Man sei „lediglich ‚Tippgeber‘ für das Geschäft“. Obwohl man in der Vergangenheit angeblich alles legal betrieben hat, ändert man nach kritischen Nachfragen das ‚Geschäftsmodell‘:

Die Get Sol habe „im Rahmen der Fortentwicklung der Geschäftsfelder bei dem Gewerbeamt Leipzig die Gewerbeanmeldung zum 01.10.2019 durchführen lassen“. Aha. Vermutlich meint Backmann die Registrierung, denn ein Gewerbe hätte die Get Sol GmbH schon bei Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit anmelden müssen. Insbesondere: Gebundene Vertreter werden vom haftungsübernehmenden Unternehmen im Register eingetragen. Das kann Get Sol nicht selbst gemacht haben – doch wer der Patron ist, hat Backmann nicht verraten.

Dazu hatten wir auch Allianz Deutschland AG-Boss Dr. Klaus-Peter Röhler um Stellungnahme gebeten. „Ist Get Sol gebundener Versicherungsvertreter der Allianz?“ Auf diese Frage haben wir ebenso wenig eine Antwort bekommen wie auf unsere Frage: „Wie vereinbart sich nach Auffassung der Allianz die monatelange Zusammenarbeit der Allianz-Töchter finanzen.de mit preisvergleich.de, die u. E. Versicherungsvermittlung ohne die notwendige Erlaubnis betrieben hat, mit § 48 VAG?“

Schweigen im Walde auch auf die weitere ‚vt‘-Frage: „Obwohl Get Sol laut Vermittlerregister als gebundener Vertreter tätig ist, arbeiten die als Versicherungsmakler registrierten Allianz-Töchter finanzen.de mit Get Sol dergestalt zusammen, dass sie als Makler die von einem Vertreter vermittelten Verträge Versicherern einreichen. Aus Sicht des annehmenden Versicherers greift § 6 Abs. 6 VVG, obwohl der Vertrag von einem Vertreter vermittelt wurde. Wie vereinbart sich die Zusammenarbeit der Allianz-Töchter finanzen.de mit einem gebundenen Versicherungsvertreter mit VVG und VAG?“

Gelesen hat man unsere Fragen bei der Allianz offensichtlich aber schon: Wie ein aktueller Blick in das Vermittlerregister zeigt, ist Get Sol nun als Versicherungsmakler registriert! Eine rasante Entwicklung: Vom vermeintlichen Tippgeber, der u. E. illegaler Versicherungsvermittlung betrieb, über gebundener Versicherungsvertreter zum Versicherungsmakler. Immerhin wird nun auf der Website informiert: „Über die Allianz Strategic Investments S.à.r.l. besitzt die Allianz SE indirekt mehr als zehn Prozent der Stimmrechte und des Kapitals der“ finanzen.de-GmbHen.

++ Die Allianz-Töchter finanzen.de arbeiten auch mit dem Portal Tarifberichte.de, Verantwortlicher (zu Beginn unserer Recherche) BWM – Bundesweite Webseiten Manufaktur GmbH/Friedland. Verbraucher werden informiert u. a. über konkrete Versicherungen, welche Gefahren diese Abdecken und hilft Interessenten, „aus der Vielzahl an Anbietern den passenden Tarif zu finden“. Logisch – für so eine Beratung und Vermittlung reicht die Behauptung, man sei Tippgeber. Das Unternehmen war weder laut Vermittlerregister als Versicherungsvermittler registriert, noch wies das Impressum eine solche Registrierung aus.

Dr. Röhler, warum stellt Allianz nicht sicher, dass die Vorgaben des § 48 VAG eingehalten werden? Eine Antwort haben wir vom Allianz-Boss nicht bekommen. Aber der Betreiber von Tarifberichte.de heißt heute nicht nur Versicherungs- und Finanzwebseiten Lange UG/Friedland, sondern ist laut Impressum nun „Versicherungsvertreter mit Erlaubnis nach § 34d Absatz 1 Gewerbeordnung“.

Das Vermittlerregister sagt aber was anderes: Dort werden die Friedländer als Versicherungsmakler ausgewiesen. Soviel zu Transparenz, Wahrheit und Klarheit bei Geschäftspartnern der Allianz.

‚vt‘-Zwischenfazit: Nicht nur die Allianz-Töchter haben mit Vergleichsportalen zusammengearbeitet, die sich als Tippgeber bezeichnet, aber faktisch illegale Versicherungsvermittlung betrieben haben. Das gilt auch für Check24 und Verivox. Wie diese als Versicherungsmakler registrierten Portale die Tätigkeit ihrer angeblichen Tippgeber-Geschäftspartner bewertet haben und was daraus geworden ist, berichten wir in der ‚vt‘-Ausgabe der kommenden Woche.

Die Zeit der Pseudo-Tippgeber-Portale dürfte gezählt sein: Nach einem LG-Urteil liegt nun ein OLG-Urteil vor, dass Tacheles spricht. Eine Revision zum BGH wurde nicht zugelassen, die Frist für eine Nichtzulassungsbeschwerde läuft noch. Wir berichten demnächst in ‚vt‘ über aufschlussreiche Details.

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