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Illegale Versicherungsvermittlung: OLG liest Portal mit Check24-Anbindung die Leviten

Es gibt zahlreiche Portale, die Verbraucher vom Abschluss einer Versicherung überzeugen, aber als angeblicher Tippgeber die regulatorischen Anforderungen an Versicherungsvermittler nicht erfüllen wollen. Manche erkennen nach Aufklärung über die Rechtslage (vgl. ‚vt‘ 35/20), dass sie illegale Versicherungsvermittlung betreiben und ändern ihr Geschäftsmodell. Andere sind unbelehrbar und landen vor Gericht.

In einem prominenten Fall, in dem Check24 eine Rolle spielt, hat das Oberlandesgericht Dresden kürzlich ein Urteil gesprochen: Irgendwann hatte Michael Otto, Geschäftsführer der Otto Assekuranzmakler KG und 1. Stv. Vorsitzender der IGVM – Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler, die Faxen dick. Nachdem er erfolglos den Betreiber der Portale www.kfz-versicherungen.cc und www.kfz-versicherungsvergleich.de durch die Kanzlei Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaftgesellschaft mbH hatte abmahnen lassen, verklagte er den Betreiber der Internetpräsenzen auf Unterlassung.

Das Landgericht Leipzig erkannte den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch und untersagte dem Betreiber mit Urteil vom 29.11.2019 (Az. 1 HK O 1349/19), „im geschäftlichen Verkehr eine Tätigkeit als Versicherungsvermittler durchzuführen, ohne hierfür eine behördliche Erlaubnis der zuständigen IHK nach § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO zu haben“. Das LG wertete „die Zurverfügungstellung eines Vergleichsrechners, (...), die Bereitstellung von allgemeinen Informationen und Tipps sowie einen Ratgeber über Kfz-Haftpflichtversicherungen und die Möglichkeit, über die Seite einen konkreten Versicherungsvertrag zu schließen (…)“, nicht als Tippgebertätigkeit, sondern als Vermittlungstätigkeit.

Der Betreiber der Portale ist uns nicht als große Nummer bekannt, so dass wir angesichts des klaren und u. E. auch richtigen Urteils eine Berufung nicht zwingend erwartet hätten. Allerdings muss man auch wissen, dass, so konstatiert das LG, „der Beklagte als Affiliate-Partner der Check24-Unternehmensgruppe die Websites“ betreibt. So kam es wie es doch kommen musste – Berufung wurde eingelegt.

Aber auch dort kam es, wie es u. E. aufgrund der klaren Rechtslage und höchstinstanzlicher Rechtsprechung kommen musste: Das OLG Dresden wies mit Urteil vom 28.07.2020 (Az. 14 U 140/20) die Berufung zurück und ließ die Revision nicht zu! Wohl keineswegs überraschend spielte eine knapp sieben Jahre alte Entscheidung des Bundesgerichtshofs in den Urteilsgründen eine große Rolle.

Der BGH hatte mit Urteil vom 28.11.2013 (Az. I ZR 7/13) mit der ‚Tippgeber-Entscheidung‘ klar bestätigt: Der Versicherungsvertrieb der Tchibo Direct GmbH war illegal (vgl. ‚vt‘ 49/13)! Damit hatte der BGH nach altem Recht (IMD-Richtlinie) die Tippgeber-Argumentation von Tchibo vom Tisch gefegt. Auf der Tchibo-Homepage waren u. a. klassische Versicherungen offeriert worden, ohne dass hierfür eine gesetzliche Genehmigung vorlag.

Der Kaffeeröster hatte sich selbst nur als Tippgeber betrachtet und als solcher von einer Genehmigungspflicht befreit gesehen. Dem BGH gingen die Tchibo-Aktivitäten für einen reinen Tippgeber zu weit, da nicht nur Kontaktdetails weitergegeben, sondern Kunden die Möglichkeiten zu einem Online-Abschluss für konkrete Produkte offeriert wurden. Das BGH-Urteil fußt auf der im September 2008 begonnenen Recherche und Initiative der ‚vt’-Redaktion zum Kampf für die Einhaltung der Regeln des fairen Wettbewerbs.

Schauen wir uns einige OLG-Wertungen im konkreten Fall an: Bei der Erlaubnispflicht nach GewO „handelt es sich um eine Vorschrift, die im Sinne von § 3a UWG dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln (…) Sie bezweckt (...) auch die Verbesserung des Verbraucherschutzes (…) Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung von § 34d Abs 1 Satz 1 GewO ist der Begriff der Versicherungsvermittlung im Interesse eines hohen Verbraucherschutzniveaus nicht eng zu bestimmen.“

Den Pseudo-Tippgeber-Auftritt der Internetpräsenzen würdigt das OLG so: „Der Beklagte vermittelt auf den von ihm betriebenen Internetseiten gewerbsmäßig ohne die erforderliche Erlaubnis den Abschluss von Versicherungsverträgen. Nach dem objektiven Erscheinungsbild ist sein Verhalten darauf gerichtet, einen konkreten Versicherungsantrag erkennbar direkt von seiner Website auf Grund von Angaben, die ein Versicherungsnehmer über seine Website eingibt, stellen zu können.“

Das OLG wies die Berufung zurück und sah „für eine Zulassung der Revision (…) keine Veranlassung“. Insbesondere, weil „die entscheidungserheblichen rechtlichen Probleme“ durch das Tchibo-Urteil „eine Klärung gefunden“ haben. Die Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde lief am 03.09.2020 ab, bis Redaktionsschluss hatte der BGH keine Beschwerde im System. Allenfalls wenn per Briefpost die Beschwerde eingelegt wurde, kann sich daran noch etwas ändern – rund 14 Tage nach Posteingang ist eine Beschwerde spätestens im System.

Damit ist für uns das Kapitel des Kfz-Vergleichsportal-Betreibers aber nicht beendet. Denn der hat keine direkten Anbindungen an Versicherer, sondern nutzt und bedient das Portal ‚Tarifcheck.de‘. Dessen Betreiber ist die in Wentorf bei Hamburg ansässige TARIF CHECK24 GmbH. Auf der Homepage wird im Impressum dargelegt, wie man Geld verdient: 

„Für jeden erfolgreichen Vertragsabschluss erhält Tarifcheck.de eine Provision von dem Produktanbieter. Tarifcheck.de stellt damit für die Anbieter im Vergleich zu anderen teuren Marketingaktivitäten einen kostengünstigeren Vertriebsweg dar.“ Provision? Vertriebsweg? Wer würde da an Versicherungsvermittlung denken?

Tarifcheck und dessen Betreiber jedenfalls nicht, und das wird extra betont: „Die TARIF CHECK24 GmbH ist kein Versicherungsmakler / Versicherungsvermittler.“ Ein Blick ins Vermittlerregister belegt: Keine Registrierung! Gleichwohl ist auf der Website eine Erstinformation „nach § 11 VersicherungsvermittlungsverordnungVersVermV veröffentlicht. Dort wird über nicht gegebene Beteiligungen von und an Versicherungsunternehmen sowie die Versicherungsombudsmänner informiert. Fehlanzeige aber bei Vermittlerstatus und Registrierungsnummer!

Kein Vermittler, dennoch Erstinfo – mit falscher Paragraphennennung, seit Ende 2018 ist das § 15 VersVermV – und die Erstinfo ist dann nicht gesetzeskonform: Kann man so viel falsch machen oder werden Verbraucher vorsätzlich in die Irre geführt?

Wir sind damit immer noch nicht auf dem Boden des Sumpfes angekommen. Unsere Recherche treibt uns zum Handelsregister. Wir können einem Eintrag aus 2013 entnehmen: „Es besteht ein Gewinnabführungsvertrag vom 09.11.2009 mit der Check24 Vergleichsportal GmbH.“ In einem weiteren Eintrag aus 2014 heißt es, es bestehe „ein Beherrschungsvertrag mit der Check24 Vergleichsportal GmbH.“

Wir erinnern an unsere Aufdeckungen bei ‚Tarifbereiche.de‘ (vgl. ‚vt‘ 36/20): Auf die ‚vt‘-Anfrage an Dr. Oliver Bohr, Geschäftsführer der Check24 Vergleichsportal für Kfz-Versicherungen GmbH, zur rechtlichen Regelung, wonach es zulässig sei, dass Check24 mit einem Portal zusammenarbeitet, das unerlaubte Versicherungsvermittlung betreibt, vertraten seinerzeit die Münchener die Auffassung, „die Tätigkeiten von ‚Tarifbereiche.de‘“ würden „keine Versicherungsvermittlung im Sinne des VVG oder der GewO“ darstellen. Vielmehr handele „es sich bei ‚Tarifberichte.de‘ um einen ‚Tippgeber‘“.

Doch nach unseren kritischen Fragen war der Betreiber von ‚Tarifberichte.de‘ plötzlich als Versicherungsmakler registriert! Hält die Check24-Gruppe so lange wie möglich bei den Geschäftspartnern und eigenen Tochter-Unternehmen am kostengünstigeren Pseudo-Tippgeber-Status fest, bis der Druck zu groß wird?

Im Zuge unserer Recherche ‚stolpern‘ wir auch noch über eine TARIF CHECK24 Service GmbH, die wie TARIF CHECK24 GmbH in Wentorf zu Hause ist und deren GF ebenfalls Jan Schust heißt. Aus der Neueintragung im Handelsregister vom 15.04.2020 ergibt sich, dass ein Beherrschungsvertrag und ein Gewinnabführungsvertrag mit der TARIF CHECK24 GmbH besteht. Als Gegenstand des Unternehmens wird u. a. aufgeführt: „Der Vergleich und die Vermittlung von Versicherungen aller Art (…).“ Tatsächlich ist diese Service GmbH im Vermittlerregister als Versicherungsmakler registriert. Also alles in Ordnung?

Mitnichten! Bloß weil die ansonsten wohl tätigkeitslose Service GmbH als Versicherungsmakler registriert wird, heilt das die u. E. illegale Versicherungsvermittlung der beherrschenden Schwestergesellschaft nicht. Laut OLG Dresden müsste der Betreiber der Portale ‚www.kfz-versicherungen.cc‘ und ‚www.kfz-versicherungsvergleich.de‘ eine Erlaubnis haben.

Hat er aber nicht, daher illegaler Versicherungsvertrieb. Abnehmer ist augenscheinlich ‚Tarifcheck.de‘ von der zum Check24-Konzern gehörenden TARIF CHECK24 GmbH – Erlaubnis Pustekuchen. Wann kümmern sich die zuständigen Aufsichten um diesen Wildwuchs der illegalen Versicherungsvermittlung und Annahme des Geschäfts?

‚vt‘-Fazit: Ob der Allianz-Konzern über ‚finanzen.de‘, Verivox mit ‚Preisvergleich.de‘ oder Check24 im Zusammenhang mit dem nun verurteilten Betreiber der ‚kfz-versicherungsvergleich‘-Portale, um nur einige Beispiele zu nennen: An der Front finden sich meist kleine Fische, mit im Hintergrund bleibenden mächtigen Strippenziehern.

Nicht nur mit Blick auf die BaFin sollten Versicherer bei großen Portalen genauer hinschauen, ob das zugeführte Geschäft legal vermittelt wurde oder unerlaubte Versicherungsvermittlung vorliegt. Und die zuständigen IHKen und Gewerbeaufsichtsämter sollten nun Hinweisen, wie von der IGVM oder hier zu lesen, intensiv nachgehen. Sie haben das BGH-Urteil und nun auch das aktuelle Urteil des OLG Dresden im Rücken. Der Sumpf sollte endlich trockengelegt werden.

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