Über den bisherigen Maklervorstand der Ergo, Stephan Schinnenburg, ergießen sich momentan Kübel mit Dreck. Rückendeckung von seinem bisherigen Arbeitgeber erhält er dabei nicht, im Gegenteil: „Ergo und Stephan Schinnenburg haben entschieden, sich mit sofortiger Wirkung einvernehmlich zu trennen“, ist dem Ergo-Maklerportal seit dem 18.01.2018 zu entnehmen. Das kam holterdiepolter im Zuge einer Recherche des ,manager magazins‘ (,mm‘), und „einvernehmlich“ darf hier als die übliche Floskel gelten. „Ergo trennt sich von Vertriebsvorstand Schinnenburg“, bringt es ,Versicherungswirtschaftheute‘ (22.01.) wohl treffend auf den Punkt. In einer ,mm‘-Online-Vorabmeldung (19.01.) wurde über Vorwürfe gegen Schinnenburg berichtet. Doch die aufmerksamkeitsstarke Veröffentlichung diente der Bewerbung des vollständigen Artikels in der ,mm‘-Print-Ausgabe Februar. „Den kompletten mm-Report zu Ergo finden Sie im neuen manager magazin“, heißt es am Ende des Online-Auszugs. Kernthema des Reports ist nicht Schinnenburg, sondern der Sanierungsfall Ergo mit Vorstandschef Markus Rieß. Das haben wir uns genauer angeschaut, doch zunächst ein Blick zurück: Der aufgrund seiner früheren Tätigkeiten bei vielen Versicherungsmaklern bekannte Schinnenburg war seit April 2014 Vorstand der Ergo Beratung und Vertrieb AG und seit Juli 2016 Vorstand bei der Ergo Lebensversicherung AG und der DKV Deutsche Krankenversicherung AG, zudem hatte man ihn gerade erst zum 01.01.2018 in den Vorstand der Ergo Vorsorge Lebensversicherung AG berufen. Sind Rieß und Co. jahrelang vermeintlich schlimmste Verfehlungen des für die Betreuung der Makler verantwortlichen Vorstands, dessen Vertrag 2016 um fünf Jahre verlängert wurde, entgangen? Das löst zwei Fragen aus: Stimmen die Vorwürfe überhaupt, und wenn ja, wie schlimm sind die Verfehlungen?
Wie ,mm‘ berichtet, soll Schinnenburg „seine Direktoren aufgefordert haben, ihm Kollegen zu nennen, die sich entweder negativ über die Vertriebsziele geäußert hätten oder als unterdurchschnittlich erfolgreich aufgefallen seien“. Im übertragenen Sinne wolle er diese „an den Türrahmen nageln und dort so lange hängen lassen, bis sie stänken“, schreibt ,mm‘ und weist darauf hin, dazu lägen eidesstattliche Versicherungen vor. Beteuerungen zur Richtigkeit einer Erklärung kann man nicht einfach wegwischen. Es soll aber auch schon Meineide gegeben haben. Schinnenburg, so berichtet ,mm‘ mit Verweis auf Unterlagen zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, habe zudem gedroht, „keine Gefangenen zu machen“ und „jeden zu erschießen“, den er dabei erwische, Vertriebsziele infrage zu stellen.
Einen autoritären Führungsstil, einen harschen Mitarbeiter-Umgang mit fragwürdigen Sprüchen muss man nicht gutheißen. Ist das aber ein Skandal, bei dem ein Kopf rollen muss, oder hätte ein Gespräch oder notfalls eine arbeitsrechtliche Maßnahme genügt, um dies zukünftig zu unterbinden? Herbert Frommes Versicherungsmonitor ordnet die erhobenen Vorwürfe jedenfalls so ein, dass diese „bei anderen Unternehmen möglicherweise als Kavaliersdelikt durchgegangen wären“. Hellhörig werden wir bei den „arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen“. Denn die könnten darauf hindeuten, dass nicht aktuelle, sondern Ex-Mitarbeiter der Ergo dem ,mm‘ Papiere zugespielt haben, dass es sich dabei womöglich im Zuge der Sanierung und des Personalabbaus um von Schinnenburg entlassene Führungskräfte handelt und hier womöglich ein Racheakt Haupttriebfeder ist. Ob alle Vorwürfe stimmen, sehen wir nicht in Stein gemeißelt. Zudem dürfte Frommes „Kavaliersdelikt“-Hinweis „bei anderen Unternehmen“ durchaus treffen. Eben bei anderen Unternehmen, nicht bei der Ergo: Wenn man die Negativschlagzeilen der Münchner Rück-Tochter in den letzten Jahren betrachtet, hauptsächlich seit im September 2015 Rieß das Ruder bei der ERGO Group AG übernommen hat, könnte jede weitere ein Stolperstein für ihn werden. Zwar liegen die Altlasten nicht in seiner Verantwortung. Doch obwohl bereits viele Vorstände gegangen (worden) sind, bleiben nachhaltige Verbesserungen bisher Mangelware. Insbesondere fallen die für die gesamte Branche schädlichen Planungen des Verkaufs der LV-Bestände an ggf. fremdländische, renditeorientierte Investoren (vgl. u. a. ‚vt‘ 49/17) in seine Ägide.
‚vt‘-Fazit: Rieß steht bei der angeschlagenen Ergo unter Druck. Mit dem Schinnenburg-Rauswurf zeigt er sich handlungsstark und entscheidungsfreudig. Ein willkommener (Neben-)Effekt ist dabei die Ablenkung vom ,mm‘-Report. Doch der ist informativ und lesenswert: Ob zum „Mangel an konkurrenzfähigen Policen“, zur „Lichtjahre“ entfernten „reibungslos funktionierende IT“ oder warum „Rieß ein Scheitern ernsthaft einkalkulieren muss“. Der eigentliche Skandal könnten also nicht womöglich getätigte Aussagen von Schinnenburg sein, sondern dass und warum er zu einem Bauernopfer wurde. Für Verbesserungen des Ergo-Service im Maklerbereich ist diese Personalie nicht hilfreich.