Nach einem Urteil des Kammergerichts Berlin vom 27.03.2024 (Az. 26 MK 1/21 – nicht rechtskräftig) bedarf es des ausdrücklichen Einverständnisses des Kunden, damit ein Geldinstitut seine Gebühren für Girokonten rechtssicher erhöhen kann. Dem Fall liegt eine Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen die Berliner Sparkasse zugrunde, dem sich rund 1.200 betroffene Kunden angeschlossen haben. Das Gericht erklärte die einseitigen Gebührenerhöhungen der Sparkasse bis zum Jahr 2018 für unwirksam. Eine Entscheidung, die dem vzbv möglicherweise nicht ausreicht und der wie auch die Sparkasse Berlin das Revisionsverfahren in Betracht zieht. Die Verbraucherschützer möchten einen noch längeren Schadensrückgriff erstreiten. Beispielhaft stammt eine einseitige Gebührenerhöhung der Berliner Sparkasse aus dem Jahr 2016, als einem Kunden sein "Girokonto Comfort" auf "Giro Pauschal" für zusätzliche 3 €/Monat einseitig umgestellt wurde. Ein ähnliches Klageverfahren hat der vzbv gegen die Sparkasse KölnBonn angestrengt, das derzeit allerdings ruht, bis das Gerichtsverfahren mit der Berliner Sparkasse rechtskräftig entschieden ist. Dies zeigt auch die eigentliche bundesweite Brisanz für Banken und Sparkassen auf, denn insgesamt könnten noch sehr hohe Schadenssummen aufgrund der vermutlich millionenfachen Einzelfälle eingeklagt werden.
Seit der bahnbrechenden Bundesgerichtshofs-Entscheidung (Urteil vom 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20) sind bekanntlich Gebührenerhöhungen bei Banken nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung der Kunden möglich. Laut einer aktuellen Umfrage des Vergleichsportals Verivox hat bislang etwa jeder zehnte Betroffene einen Rückerstattungsanspruch geltend gemacht, während die Kontogebühren zwischen 2018–2021 um durchschnittlich 40 % angehoben worden sein sollen. Als Gründe für ihre Zurückhaltung nennen Kunden laut der Befragung, dass sie ++ das BGH-Urteil nicht kennen (43%) ++ einen zu hohen Aufwand befürchten ++ Unsicherheit haben, ob die Entscheidung auf die eigene Situation zutrifft, oder auch die ++ juristische Auseinandersetzung scheuen bzw. ++ negative Konsequenzen für die Geschäftsbeziehung zu ihrer Bank erwarten.
Natürlich haben die Verbraucherschütze bei ihren Klagen allein die Kundensicht im Auge, während die Institute vor kaum lösbaren Herausforderungen stehen. Denn wie soll bei davonlaufender Inflation die Kostendeckung für das Bereitstellen der Kundenkonten unbürokratisch für alle Beteiligten erreicht werden, wenn zuvor jede einzelne Kundenzustimmung teils sehr langwierig eingeholt werden muss – mit oftmals ungewissem Ausgang? Und wird die Zustimmung seitens des Kunden zur Vertragsanpassung irgendwann verweigert, wie groß ist dann der Aufschrei, sollte das Geldinstitut zum letzten, aber eigentlich legitimen Mittel der Kontokündigung greifen? Ende des vergangenen Jahres hat das von FDP-Politiker Marco Buschmann geführte Bundesjustizministerium (BMJ) einen Regelungsvorschlag in die Ressortabstimmung gebracht hat, um Fiktionsklauseln künftig zuzulassen. Hierbei handelt es sich um Klauseln, die eine tatsächlich nicht vorliegende Zustimmung der Kunden fingieren, sofern ihnen nicht ausdrücklich widersprochen wird. Damit solche Klauseln jedoch rechtssicher sind und im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung stehen, muss die Reichweite der auf diesem Wege wirksam werdenden Vertragsänderungen begrenzt bleiben. Das heißt, eine Gebührenerhöhung soll via Zustimmungsfiktion zwar statthaft sein, während eine Umgestaltung des zugrunde liegenden Vertrages nicht zulässig wäre.
Bis Rechtsklarheit in diese leidige Problematik kommt, kann es also noch dauern. Bis dahin ist weiter mit einer hohen Schlagzahl des vzbv zu rechnen, der Kontoinhaber für Sammelklageverfahren zu gewinnen versucht und dabei Rückenwind mit der aktuellen Kammergerichtsentscheidung verspürt. Dabei bedient man sich auch des Anspruchs auf eine Entgeltaufstellung nach § 10 Zahlungskontengesetz (ZKG), damit Kunden eine Übersicht bei der eigenen Bank über Gebührenerhöhungen in der Vergangenheit erhalten. Doch bekanntlich können solche Auskunftsersuchen eine erhöhte Bearbeitungszeit mit sich bringen, schließlich gilt es bei aller Bürokratie auch das Tagesgeschäft noch am Laufen zu halten. Insbesondere dann, wenn den Kunden nebenbei postalisch ein Wust an Vertragspapier-Bergen, alle Nachhaltigkeitsambitionen des Gesetzgebers auf den Kopf stellend, zugeführt werden müssen, um dem Reporting und den gesetzten Rechtsrahmen irgendwie noch gerecht zu werden.
'Bi'-Fazit: Geldinstitute übernehmen mit dem Bereitstellen von Konten eine wichtige Aufgabe für die Daseinsvorsorge. Diese ist jedoch nur zu leisten, wenn notwendige Gebührenerhöhungen auch ohne unverhältnismäßig hohen Aufwand umgesetzt werden können. Umso wichtiger ist es, dass seitens des BMJ schnellstens eine lösungsorientierte Gesetzesanpassung beim ZKG vorangetrieben wird, die wieder für Praktikabilität auf Institutsseite sowie Rechtsklarheit und Sicherheit für alle Beteiligten sorgt.