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Lässt die EU-Kommission beim Provisionsverbot auf hinterhältigem Weg nicht locker?

Am 27.04. hatte EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness bei einer Rede im Rahmen des Eurofi High-Level-Seminars in Stockholm angekündigt, dass es kein generelles Provisionsverbot für Anlageprodukte geben werde, jedenfalls vorerst nicht (vgl. ‚vt‘ 18/23).

Entsprechend der aktuellen Planung wollte die EU-Kommission am 24.05.2023 ihre im Rahmen der europäischen Kleinanlegerstrategie geplanten Maßnahmen bekanntgeben. Doch am 08.05. überraschte ein 100seitiger Entwurf „Proposal for a Directiv of the european Parliament an of the Council“ zur EU Retail Investment Strategy. Nach der Vorgeschichte einem Treppenwitz gleichkommend findet sich dort auf Seite 89 die Regelung für einen neuen Artikel 30 Absatz 8 IDD, Bezug nehmend auf versicherungsbasierte Anlageprodukte – insurance-based investment products (Übersetzung, Original englisch):

„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein Versicherungsvermittler, der den Kunden darüber informiert, dass die Beratung auf unabhängiger Basis erfolgt, (…) keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre oder nichtmonetäre Vorteile annehmen und einbehalten darf, die von einem Dritten oder einer Person, die im Namen eines Dritten handelt, im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung für Kunden gezahlt oder gewährt werden.“

Ausgerechnet Versicherungsmakler, die im Lager des Kunden stehen, auf ein breites Produktspektrum zugreifen können, dem Kunden bedarfsgerechte Versicherungsprodukte schulden und für ihre Tätigkeit in Haftung genommen werden können, werden u. a. im Bereich der Fondspolicen mit einem Provisionsverbot belegt!

Wir haben die Finanzkommissarin gefragt,

++ wie sich ein Provisionsverbot für unabhängige, beratende Versicherungsvermittler mit der Ankündigung, es werde kein generelles Provisionsverbot geben, vereinbart

++ warum es ein Provisionsverbot für unabhängige Versicherungsvermittler geben soll, während ein generelles Provisionsverbot für Finanzanlagenvermittler nicht mehr vorgesehen ist

++ wie es sich mit dem Verbraucherschutz vereinbart, wenn das Geschäftsmodell der von Bürgerinnen und Bürgern gerne genutzten Versicherungsmakler durch ein Provisionsverbot massiv beeinträchtigt wird

++ wie sie die Folgen der Wettbewerbsungleichheit zwischen Versicherungsmaklern und Versicherungsvertretern sowie zwischen AO-Versicherern und Maklerversicherern einschätzt

++ wie sie die Folgen hinsichtlich Produktinnovationen auf dem deutschen Markt sowie Verbraucherschutz bewertet.

Sobald uns Antworten vorliegen, informieren wir Sie. Im Gespräch mit der ‚vt‘-Redaktion kritisiert CDU-Finanzexperten MdB Dr. Carsten Brodesser: „Nicht zuletzt durch den öffentlichen Druck hat die EU-Kommissarin McGuinness das geplante EU-Provisionsverbot erst einmal von der Tagesordnung genommen, ohne aber ihre Verbots-Intention grundsätzlich aufzugeben. Wenn nun tatsächlich ein Verbot für ungebundene Berater / Versicherungsmakler vorgeschlagen würde, dann wäre das nicht nur ein merkwürdiges Verständnis von unabhängiger und kundenorientierter Beratung. Es würde auch zeigen, dass man weiter bei den Brüsseler Vorschlägen wachsam bleiben muss.“

Die Regelung in dem Entwurf belegt, dass die EU-Kommission ein problematisches Verständnis vom Wert der Beratung hat und davon, wie man mit unterschiedlichen Marktgegebenheiten der EU-Mitgliedsländer umgehen sollte. Zugleich gibt es Rätsel auf, warum am 08.05. ein Entwurf bekannt wird, obwohl die EU-Kommission doch erst am 24.05. ihre geplanten Regelungen veröffentlichen will? Warum, von wem und mit welcher Absicht wurde diese Version durchgestochen? Diese 100 Seiten mit komplexen Regelungen und Verweisen werden ja weder in wenigen Tagen verfasst noch in wenigen Tagen überarbeitet.

Dass die EU-Kommission diesen Anschlag auf Versicherungsmakler, Maklerversicherer und nicht zuletzt deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher, die bewusst und gerne Versicherungsmakler mandatieren, plante, lässt sich dem Entwurf entnehmen. Aber ob diese Regelung drinbleiben, geändert oder gestrichen werden sollte, ist unklar. Eine Antwort der EU-Kommissarin könnte Klarheit bringen. Vielleicht wurde der Entwurf noch zur rechten Zeit geleakt.

‚vt‘-Fazit: ++ Sollte die Ankündigung der EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness,  es werde kein generelles Provisionsverbot für Anlageprodukte geben, spitzfindig bedeuten, dass es sehr wohl ein Provisionsverbot für versicherungsbasierte Anlageprodukte geben soll, wenn die Beratung und Vermittlung durch Versicherungsmakler bzw. unabhängige Vermittler erfolgt, dann wäre das hinterhältig. Es wäre ein Paradebeispiel, wie Politiker jegliche Glaubwürdigkeit verspielen. Welches Vertrauen könnte man dann noch in McGuinness haben?

++ Die umstrittene Regelung wäre nicht ‚nur‘ ein Provisionsverbot für Versicherungsmakler bei versicherungsbasierten Anlageprodukten, sondern zugleich eine Wettbewerbsungleichheit zwischen Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern und auf Produktebene auch zwischen AO-Versicherern und Maklerversicherern. Damit würden gravierende Nachteile für Verbraucher einhergehen.

Gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV) werden wir auf diese Probleme aufmerksam machen und uns für die Belange der Versicherungsmakler und Verbraucher einsetzen.

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