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Nach ,vt'-Intervention: Allianz PKV zahlt über 5.000 Euro an Beiträgen zurück

Bei privat Versicherten ist es keine Seltenheit, dass deren Kinder auch in der PKV versichert werden. Die privatversicherten Kinder haben dann meist bis zum Ende der Schullaufbahn über einen Elternteil ihren Versicherungsschutz. Mit Beginn einer Ausbildung, eines Studiums oder eines Freiwilligendienstes steht erneut eine Entscheidung dazu an, welche KV gewählt werden kann oder muss.

Wird eine GKV gewählt, stellt diese eine Mitgliedschaftsbescheinigung aus. Genügt dann die Übersendung dieser Bescheinigung an den privaten Versicherer, quasi als Willenserklärung, dass die PKV-Versicherung beendet werden soll? Was bei dem einen Versicherer ausreicht, genügt der Allianz Private Krankenversicherungs-AG (APKV) nicht.

Diese Erfahrung musste ein Unternehmer aus Hessen machen. Nicht nur das: Die Allianz buchte munter weiterhin die Beiträge vom Geschäftskonto ab. Doch bei der Reklamation hält die Allianz die Ohren steif, die zu viel eingezogenen Beiträge in Höhe von über 5.000 € werden nicht zurückerstattet. Der Freiberufler will rechtliche Schritte einleiten, aber zunächst landet der Fall auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch.

Schauen wir uns chronologisch den genauen Ablauf in diesem Fall an: Aufgrund eines Studiums wechselte die Tochter des Versicherungsnehmers in eine gesetzliche Krankenkasse. Die Mitgliedsbescheinigung bestätigt, dass die zukünftige Studentin „ab dem 01.03.2021 bei uns als kranken- und pflegeversicherungspflichtiges Mitglied versichert ist“. Als Grundlage dafür werden § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V und § 20 Abs. 1 Nr. 9 SGB XI genannt. Die Bescheinigung geht Mitte Januar an die APKV, diese bestätigt am 27.01.2021 den Erhalt: „Ihre Tochter wird zum 01.03.2021 ein kranken- und pflegeversicherungspflichtiges Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse.“

Die Münchner fragen zudem, ob auf eine Anwartschaftsversicherung umgestellt werden soll. „Für uns war damit bestätigt, dass die Versicherung meiner Tochter zum 28.02.2021 beendet wird“, war für den Geschäftsmann somit alles geregelt. An einer Anwartschaft bestand kein Interesse. „Meine ältere Tochter war ebenfalls privat versichert. Bei ihr gab es nach Zusendung der Versicherungsbestätigung der gesetzlichen Kasse keine Probleme und die Versicherung wurde umgehend zum Stichtag beendet“, weiß der Selbstständige über die Erfahrung mit einer anderen PKV zu berichten.

Aufgrund der Änderung des gesetzlichen Beitragszuschlags erhält der VN im August 2022 einen neuen Versicherungsschein von der Allianz. Dort sind weiterhin die Beiträge für seine längst gekündigte Tochter aufgeführt. Eine Kontrolle zeigt, dass die APKV tatsächlich seit eineinhalb Jahren weiterhin die Beiträge monatlich in voller Höhe abgebucht hat. Die Beiträge werden von einem der Geschäftskonten abgebucht und diese werden vom Controlling überwacht, allerdings lag dort die Info zum Ausscheiden der Tochter nicht vor und dem Freiberufler waren die fortgeführten Abbuchungen entgangen.

Höflich reklamiert er am 15.08.2022 die fehlerhaften Abbuchungen. Er weist auf die von der APKV bestätigte Übermittlung der GKV-Mitgliedsbescheinigung hin und bittet um Rücküberweisung der irrtümlich eingezogenen Beiträge. Die Sachlage scheint klar und als langjähriger Kunde geht der VN davon aus, dass die APKV ihren Fehler zügig korrigiert. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Die APKV zahlt die Beiträge nicht zurück. „Mündlich wurde mir mitgeteilt, dass eine Willensbekundung der Tochter gefehlt hätte“, berichtet uns der Unternehmer zu einem Telefonat am 23.08. Obwohl Vater und Tochter überzeugt sind, dass die Kündigung aufgrund der Mitteilung zur GKV-Mitgliedsbescheinigung bestandskräftig wurde, erhält die APKV nun noch eine Willenserklärung der Tochter zur Vertragsbeendigung. Mit Schreiben vom 25.08. reklamiert der Allianz-Kunde nochmals und fordert die Rückerstattung.

Am 30.08. bestätigen die Münchner die Beendigung des gekündigten Vertragsteils für die Tochter. Allerdings nicht wie erwartet rückwirkend zum 28.02.2021, sondern erst zum 30.08.2022. Eine Rückerstattung der unrechtmäßig eingezogenen Beiträge erfolgt nicht! Die Akte fällt der ,vt’-Redaktion auf den Tisch.

Wir haken umgehend bei der APKV-Vorstandsvorsitzenden Nina Klingspor nach: ++ Warum hat die APKV den die Tochter betreffenden Vertragsteil trotz Übermittlung der GKV-Mitgliedschaftsbescheinigung nicht zum 28.02.2021 beendet?  ++ Bei der Tochter ist zum 01.03.2021 eine Versicherungspflicht in der GKV eingetreten. Auf Basis welcher rechtlichen Grundlagen ist es aus Sicht der APKV zulässig, dennoch eine Krankenvollversicherung zu erhalten?  ++ Auf Basis welcher rechtlichen Grundlage erstattet die APKV die von März 2021 bis August 2022 eingezogenen Beiträge nicht zurück?

Statt einer Antwort erhalten wir von der APKV die Mitteilung, um Auskunft geben zu dürfen, benötige man „eine Schweigeentbindungserklärung von der Tochter“. Da wir keine Namen in der Anfrage genannt, sondern den Fall anonymisiert dargelegt und lediglich die Versicherungsscheinnummer zur internen Zuordnung angegeben hatten, wollen wir von der APKV wissen, worin die konkreten rechtlichen Hinderungsgründe für eine Beantwortung der Fragen bei Nennung der Versicherungsscheinnummer zu einer ungenannten versicherten Person bestehen.

Obendrein sind auch keine persönlichen und erst recht keine Gesundheitsdaten erforderlich. Im Gegenteil, die Fragen zu den Rechtsfolgen einer GKV-Mitgliedschaftsbescheinigung sind losgelöst vom konkreten Fall beantwortbar – und sei es, dass man einen Fehler einräumt. „Wir dürfen grundsätzlich nur Auskunft geben, wenn uns Versicherte vom Schweigen entbinden. Da sind die Vorschriften und der Datenschutz eindeutig“, teilt die APKV mit. Diese angeblich eindeutigen Vorschriften benennt der Versicherer allerdings nicht konkret.

Dass es Regelungen zum Datenschutz gibt, ist der ‚vt‘-Redaktion bekannt. Aber warum sollten die im vorlie­genden Fall greifen? Wenn „die Vorschriften und der Datenschutz eindeutig“ sein sollen, dann kann die APKV doch auch bestimmt das konkrete Gesetz und den konkreten Paragraphen nennen, der im vorliegenden Fall eine Auskunft verbietet. Oder liegt eine Arbeitsanweisung vor, die von Allianz-Mitarbeitern unreflektiert angewandt wird? Die angeblich so eindeutigen Vorschriften teilt die Allianz jedenfalls trotz erneuter Bitte nicht mit.

Stattdessen erfahren wir, „in diesem speziellen Fall“ benötige die APKV „sogar eine Schweigeentbindung von Vater und Tochter (Versicherungsnehmer und versicherte Person)“. Belassen wir es an der Stelle mit der Schweigepflichtentbindungsthematik und wenden uns der APKV-Antwort zu, nachdem von VN und VP Entbindungserklärungen vorgelegt wurden: „Leider reicht grundsätzlich nur das Zusenden der GKV-Mitgliedschaftsbescheinigung durch ein Elternteil zur Beendigung der PKV einer volljährigen versicherten Person nicht aus.

Wir brauchen neben einer GKV-Mitgliedschaftsbescheinigung auch eine schriftliche Kündigung: Wir müssen wissen, ob der Vertrag gekündigt oder eine Anwartschaftsversicherung weitergeführt werden soll. Mit einer Anwartschaftsversicherung unterbrechen Sie nur die Versicherungsleistungen Ihrer PKV – können diese aber zu einem späteren Zeitpunkt ohne erneute Risikoprüfung wieder aufleben lassen. Würden wir ohne Klärung eine Versicherung einfach beenden, wären die Vorteile der Anwartschaftsversicherung für die Versicherte verloren. Als Volljährige ist eine Versicherte nicht mehr ohne weiteres durch ein Elternteil vertretbar und muss deshalb die Kündigung schriftlich bestätigen.“

Dazu haben wir aber drei deutliche Einwände: ++ Durch die Aktivität der volljährigen VP wurde von der GKV eine für die PKV bestimmte Bescheinigung für das „kranken- und pflegeversicherungspflichtige Mitglied in der gesetzlichen Krankenkasse“ erstellt. Bereits da wurde die Volljährige nicht mehr durch ein Elternteil vertreten  ++ Wenn die APKV die Auffassung vertritt, dass eine GKV-Mitgliedschaftsbescheinigung zur Vertragsbeendigung nicht ausreiche, sondern eine schriftliche Kündigung benötigt wird, dann hätte die Allianz die VP anschreiben, darüber informieren und ggf. nacharbeiten müssen  ++ Auf den APKV-Hinweis zu einer möglichen Anwartschaft erfolgte keine Reaktion. Soweit es für die Allianz unklar gewesen sein sollte, was das bedeutet, hätte sie die VP anschreiben und aufklären können.

Es hat zwar lange gedauert, aber nach der Anfrage der ‚vt‘-Redaktion an die Vorstandsvorsitzende Klingspor erkennt nun auch die APKV: „In diesem konkreten Fall haben wir leider an unsere Versicherten etwas missverständlich kommuniziert. Wir hatten zwar schriftlich gefragt, ob der Vertrag gekündigt werden solle oder eine Anwartschaftsversicherung gewünscht sei. Wir hatten aber nicht ausreichend klar beschrieben, welche weiteren Unterlagen wir für die Beendigung brauchen.

Das entspricht nicht unseren Erwartungen an uns selbst. Wir werden die Beiträge bis März 2021 zurückzahlen.“ Der hessische Unternehmer bedankt sich bei der ‚vt‘-Redaktion für die „Hilfe in der Sache“ und bestätigt, dass die Beiträge „in Höhe von 5.171,40 € vollumfänglich gutgeschrieben und bereits überwiesen wurden“.

‚vt‘-Fazit: ++ Fehler können passieren. Dass Beiträge trotz Übermittlung der GKV-Mitgliedschaftsbescheinigung weiterhin munter abgebucht werden, ist aber befremdlich. Da gehört es u. E. zum Pflichtenkatalog eines Sachbearbeiters, bei evtl. bestehenden Unklarheiten die Angelegenheit ggf. per Wiedervorlage zu klären. Die Abbuchungen einfach weiterlaufen zu lassen, zeugt nicht von sorgfältiger Bearbeitung.

++ Noch viel schlimmer sind die Reaktionen der Allianz auf die Beschwerde und die Rückforderungen des Kunden. Spätestens hier hätte es einer gründlichen Prüfung bedurft mit der Erkenntnis, die sich nun erst im Zuge der ‚vt‘-Recherche einstellte. Eine Kündigungsbestätigung zum 30.08.2022 auszusprechen, lässt eher auf eine schlampige, statt auf eine rechtlich saubere Bearbeitung schließen.

  ++ Wenn es bei der Schadenregulierung, Ihren Vergütungsansprüchen oder anderen Sachverhalten mit Versicherern oder Pools klemmen sollte, können Sie gerne Ihre ‚vt‘-Redaktion einschalten.

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