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PICCOR/PICAM: Anleger per Geldkarussell verschaukelt

Im 340 Mio. €-Anlageskandal der Berliner Picam erweist sich deren ehemaliger Vertriebschef Thomas Entzeroth nach Erkenntnissen des ermittelnden Landeskriminalamtes Berlin als der alles lenkende Player eines offensichtlichen Schneeballsystems, in dessen Zusammenhang die Staatsanwaltschaft Berlin gegen sieben Beschuldigte wegen bandenmäßigen Betruges ermittelt (vgl. 'k-mi' 09/18). Es ist zu befürchten, dass die von der Piccox Securitisation S.A. als Nachfolgeprodukt für die Vermögensverwaltung durch die Piccor AG/Baar angebotene Inhaberschuldverschreibung wertlos ist. Denn der Zweckgesellschaft Soparfi, nach deren Gewinn sich die Rückzahlung der Inhaberschuldverschreibungen berechnet, wurde nahezu das gesamte Kapital, das ihr zugeführt wurde, wieder entzogen und damit nicht zu Gunsten der Soparfi angelegt. Ursprünglich sollte sich bei Picam das Anlegergeld mittels eines softwaregestützten Dax-Futures jährlich um die 20 % mehren – was laut diverser Performance-Bestätigungen des Berliner Wirtschaftsprüfers Dipl.-Kfm. M. Eschenbach funktioniert haben soll. Bis heute gibt es jedoch keine Erkenntnisse darüber, ob ein derartiges Trading tatsächlich irgendwo innerhalb des Picam-Verbundes stattfand. Nachdem die Schweizer Aufsicht FINMA Anfang 2017 die Piccor, die als Vermögensverwalter für Picam fungierte, auf ihre Warnliste setzte, zauberte das Team um Entzeroth eine Anleihe aus dem Hut, deren Wertpapierabrechnungen die Schnigge Wertpapierhandelsbank SG vornahm – auf Briefbögen der PiccoxSA. Was dort im Hintergrund ablief, vermutet der Düsseldorfer Bank- und Kapitalmarktrechtsexperte Martin Wolters, mzs Rechtsanwälte, so:

"Es wurden Inhaberschuldverschreibungen in Höhe von über 126 Mio. € gezeichnet. Auf die mit der Zeichnung eingegangenen Zahlungsverpflichtungen wurden ca. 21 Mio. € von Neuanlegern direkt auf das Einzahlungskonto beim Bankhaus Neelmeyer gezahlt. Der Rest von ca. 105 Mio. € kam in mehreren Tranchen von dem Treuhandkonto, das der Wirtschaftsprüfer Eschenbach für die Piccor AG führte. Die erste Zahlung von rund 28 Mio. €  leistete Eschenbach aus dem Verkaufserlös der DZ-Bank Nullcouponanleihen, die er  zur Absicherung der Rückzahlungsansprüche der Altkunden der Piccor AG gehalten hatte, die damals die 'Secure-Variante' gewählt hatten.“ Alle eingehenden Zahlungen wurden nach Erkenntnissen von Wolters an die Soparfi weitergeleitet. Stephan Blohm, Verwaltungsrat sowohl bei Piccox als auch bei der Schnigge Wertpapierhandelsbank, überwies die von der Piccox Securitisation S.A. an die Soparfi weitergeleiteten Zahlungen wieder zurück auf das Treuhandkonto des Berliner Wirtschaftsprüfers. "Eschenbach schickte das Geld so lange im Kreis, bis an die  Piccox Securitisation alle oder im Wesentlichen alle ausstehenden Einzahlungen geleistet waren. Er entnahm aber auch Teilbeträge für die Auszahlung quengelnder Altkunden und weiterer Zwecke, während das Geld im Kreis zirkulierte. Bei der Soparfi verblieb, soweit ersichtlich, gar nichts. Deswegen kann man nicht mit einer Rückzahlung auf die Inhaberschuldverschreibungen rechnen“, so Rechtsanwalt Wolters.

Gegenüber dem 'Handelsblatt' wehrt sich ein namentlich nicht in Erscheinung tretender Beschuldigter in diesem Verfahren dagegen, die Picam-Akteure hätten als Bande zusammengearbeitet: "Thomas E. hat die Leute mit Geld angelockt und ein System der Abhängigkeit erzeugt.“ Was jedoch keineswegs bedeutet, dass die weiteren Strippenzieher nicht tatkräftig mitgemischt hätten. Allen voran Wirtschaftsprüfer Eschenbach jonglierte das Geld der Investoren in abseits gelegene Taschen, wie Rechtsanwalt Wolters ermitteln konnte: Über das Treuhandkonto des Wirtschaftsprüfers wanderten Anlegergelder in Höhe von über 338 Mio. €. Am 05.02.2018 belief sich das Guthaben auf knapp über 0,106 Mio. €: "Die Gelder wurden folglich bis auf diesen Restbetrag weitergeleitet. Damit ist aber nicht gesagt, dass sie auftragsgemäß (gemäß den Aufträgen der Anleger) weitergeleitet wurden“, stellt Wolters fest. Stattdessen leistete Eschenbach Zahlungen vom Treuhandkonto  ++ an die spanische Salbapi SL, hinter der Enzenroth steht  ++ in Höhe von 0,07 Mio. € an die schweizerische Finbox Consulting AG (12.06.2017 )  ++ in Höhe von 0,275 Mio. € an die rbg Bauträger GmbH, die von Enzenroth gesteuert wird (17.08.2017)  ++ eingehend zum 31.05.2017 in Höhe von 28,278 Mio. € an die Piccox Securitisation S. A. auf deren Konto beim Bankhaus Neelmeyer  ++ in Höhe von knapp 2,256 Mio. € auf sein eigenes Geschäftskonto für angebliche Vergütungsforderungen. Höchst pikant bei Eschenbach ist, dass dieser über Jahre hinweg die hohen zweistelligem 'Top-Performance'-Zahlen beim Piccor-Systemhandel bestätigte. Auf 'k-mi'-Anfrage bezogen auf die Korrektheit dieser Testate erhielten wir am 17.05.2016 von Eschenbach die Antwort: "Über Ihre an mich direkt gerichtete Anfrage bin ich etwas überrascht, da Sie (…) wissen, dass Wirtschaftsprüfer verpflichtet sind und somit Aussagen gegenüber Dritten über (mögliche) Mandatsverhältnisse und deren Inhalt verboten sind.“ Dessen Zurückhaltung bei der Klärung der wundersamen Renditen könnte aller-dings auch noch an ganz anderen Beweggründen gelegen haben:

Wolters weist darauf hin, dass Eschenbach für mehrere Jahre in Folge neue Anlagebestätigungen erteilt habe. Der Wirtschaftsprüfer behauptet, die Gesellschaften, auf die sich die Anlagenbestätigungen beziehen, seien ehemals seine Mandanten gewesen: "So steht es auch in der Anlagebestätigung, die auf den 06.06.2015 datiert ist und Anlageergebnisse einschließlich des Jahres 2014 ausweist. Bereits in der Anlagebestätigung vom 30.06.2014 für den Zeitraum bis einschließlich 2013 hieß es, Eschenbach sei ehemaliger Berater einer Aktiengesellschaft. Wenn aber dessen Beratungsmandat bereits am 30.06.2014 beendet war, kann dieser keine Informationen über deren Anlageergebnis für das gesamte Jahr 2014 in rechtmäßiger Weise erlangt haben. Die Anlagebestätigungen sind fiktiv“, stellt Wolters fest. Eschenbach dürfte damit die Leistungsbescheinigungen in kollusivem Zusammenwirken mit Entzenroth erstellt haben, wohl um andere Anleger zu täuschen und zum Abschluss einer Geldanlage zu animieren.

'k-mi'-Fazit: Die Wahrscheinlichkeit für geschädigte Picam-Anleger, dass sich deren Gelder noch in zweckgebundenen Anlagen befinden, dürfte gegen Null tendieren. Damit bestünde allerdings auch die Chance, dass das Kapital der Investoren nicht an der Börse verzockt wurde, stattdessen in größerem Umfang anderweitig geparkt ist. Die spannende Frage dabei lautet: Gelingt es den Kriminalbeamten, die Zugriffswege ausfindig zu machen? Höchst verwunderlich bei dem Kriminalfall ist, weshalb die Picam-Akteure offensichtlich bis heute in aller Freiheit agieren und möglicherweise zum Nachteil der Geschädigten noch vorhandene Vermögenswerte unsichtbar werden lassen könnten.

 

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