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softfair-Deal: Mogelt der Fonds Finanz-Chef mit „finale Freigabe“ durch Kartellamt?

Wozu soll ein Bundeskartellamt eine „finale Freigabe“ erteilen, wenn notwendige Daten für die Anmeldung eines Zusammenschlusses noch gar nicht vorliegen? Ab welcher Höhe könnte ein Kaufpreis, der über dem bewerteten Unternehmenspreis liegt, als Veruntreuung von Versichertengeldern geahndet werden?

Wir haben rund um den Deal zur softfair GmbH bedenkliche Merkwürdigkeiten aufgedeckt: Anfang 2017 gründeten Markus Kiener und Norbert Porazik, Gesellschafter und Geschäftsführer der Fonds Finanz Maklerservice GmbH, die Finanzsoft GmbH. Die übernahm am 28.04.2017 alle Anteile des Software-Anbieters softfair (vgl. ‚vt‘ 20/17). Gerade einmal zwei Jahre später wollen Kiener und Porazik softfair weitgehend loswerden. Bereits seit Mai 2019 verfolgen die Fonds Finanz-Geschäftsführer das Ziel, softfair in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, um dann knapp 100 % der Anteile kleinteilig in Höhe von je 1 % an möglichst viele Versicherungs-, Vertriebs- und Poolgesellschaften zu veräußern (vgl. ‚vt‘ 21/19).

Schnell machte eine Summe von 50 Mio. € die Runde, die in 100 Anteile aufgeteilt werden sollen, was dem Vernehmen nach gut das Dreifache des damaligen softfair-Kaufpreises sein soll. Ein solch immenser Kaufpreis-Aufschlag bedarf einer guten Investment-Story, geklappert wurde jedenfalls reichlich. Wie wir nun in einem im September 2019 von Porazik ‚procontra‘ gegeben Interview nachlesen, antwortete der auf die Frage, wie sein Plan vorangehe, softfair in eine AG umzuwandeln:

„Unser Plan geht sehr gut voran. Wir warten derzeit auf die finale Freigabe des Kartellamts, der Datenraum mit allen verkaufsrelevanten Dokumenten ist bereits fertiggestellt.“ Das verdient Beachtung. Denn was sollte das Bundeskartellamt (BKartA) zu diesem Zeitpunkt freigeben? Die Umwandlung einer Tochter-GmbH in eine AG stellt jedenfalls einen konzerninternen Vorgang dar, der nicht der Fusionskontrolle unterliegt und daher auch keiner Freigabe durch das BKartA bedarf – das bestätigt das BKartA auf ‚vt‘-Anfrage.

Und nach § 39 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sind Zusammenschlüsse vor dem Vollzug beim BKartA anzumelden, die Anmeldung muss über jedes beteiligte Unternehmen diverse Angaben enthalten. Da zu diesem Zeitpunkt die Anteilskäufer nicht feststanden, konnten auch keine Angaben geliefert, mithin auch keine Freigabe erteilt werden.

Doch wir wollen nicht spekulieren und haben daher den Fonds Finanz-Chef u. a. um Stellungnahme gebeten, warum das Kartellamt frühzeitig um eine Freigabe ersucht, was angemeldet wurde und ob eine Freigabe erfolgte.

Porazik wird wissen, warum er auch nach fast zwei Wochen keine Antwort gegeben hat. Vielleicht sollte die Branche mit „finale Freigabe“ beeindruckt werden, da nimmt man es halt mit der Wortwahl nicht so genau. Möglicherweise meinte er eine kartellrechtliche (Erst-)Einschätzung nach § 1 GWB, was allerdings keine „finale Freigabe“ für einen Zusammenschluss bedeutet und Porazik nicht darin hinderte, bereits frühzeitig mit potentiellen Anteilskäufern zu sprechen:

„Bislang stünden alle angesprochenen Gesellschaften der Initiative ‚äußerst positiv gegenüber‘“, berichtet ‚procontra‘ (20.05.2019) und zitiert den Fonds Finanz-Chef. Wie wir vom Bundeskartellamt erfahren, hat die Kiener und Porazik gehörende Finanzsoft GmbH „im vergangenen Jahr ihr Vorhaben beim Bundeskartellamt vorgestellt, dass sie beabsichtigt, unter ihrem Dach eine Softfair Holding AG zu gründen, an der sich nachfolgend zahlreiche Versicherungsunternehmen, Versicherungspools, Versicherungsvertriebsunternehmen sowie FinTech- und InsureTech-Unternehmen mit jeweils geringem Anteil in der auch von Ihnen beschriebenen Höhe beteiligen sollen, und um eine kartellrechtliche Einschätzung gebeten“.

Wie auch immer, eine Einschätzung ist keine finale Freigabe für einen Zusammenschluss.

Berichte mit positiven Botschaften wie einer vermeintlichen „finalen Freigabe“ könnten verdecken, dass softfair seit der Übernahme schwer Federn lassen musste. Denn wie von uns beim Kauf bereits prognostiziert (vgl. ‚vt‘ 20/17), trat ein kräftiger Kundenverlust ein, u. a. kündigte Swiss Life Select den Vertrag mit softfair zum 31.12.2019. Da stellt sich die Frage, was die in dem seit 11.11.2019 geöffneten Datenraum hinterlegten Daten aussagen, wenn die Ergebnisse von Kündigungen im Wesentlichen finanziell wohl erst 2020 voll negativ zuschlagen.

Doch rechtzeitig hat Porazik in einem weiteren Interview mit ‚procontra‘ eine neue Story in die Welt gesetzt. „Wir wollten mit softfair das Amazon der deutschen Versicherungswirtschaft werden“, so Porazik im November, warum sich die Fonds Finanz-Poolchefs den Amazon-Traum – trotz der Kundenverluste – nun mit Gold belegen lassen wollen. Wenn die am Markt zu hörenden Zahlen mit 12–15 Mio. € ursprünglicher Kaufpreis, die nun zu 50 Mio. € Verkaufspreis werden sollen, in etwa stimmen, dann wäre das mehr als das Drei- bis Vierfache und ein 1-%-Anteil bedeutet eine Investition von 500.000 €.

Da Versicherungsvorstände gehalten sind, Versichertengelder in werthaltige Investments zu stecken und nicht die Träume von Pool-Chefs zu vergolden, kommt es bei einer Entscheidung für eine Beteiligung darauf an, was softfair heute wirklich wert ist. Wenn softfair mit rund 15 Mio. € fair bewertet wäre, dann könnte ein aus Versicherer-Sicht strategischer Zuschlag zwar einen (geringfügig) darüber liegenden Kaufpreis rechtfertigen, gewiss aber keinen mehrfach so hohen Preis.

Ein (Anteils-)Preis, der über der Unternehmensbewertung liegt, löst nicht nur Abschreibungsbedarf aus, er wäre u. E. auch unter dem Aspekt der Veruntreuung von Versichertengeldern zu prüfen. Sicher schauen sich auch BaFin-Mitarbeiter schon mal Videos an. Mit den Aussagen in dem Video-Interview könnte Porazik sich und seinem Partner Kiener einen Bärendienst erwiesen haben.

‚vt‘-Fazit: ++ Aus den Kündigungen diverser Lizenzinhaber schließen wir, dass Kiener und Porazik sich verzockt haben. Andere Vorteile des softfair-Besitzes scheinen diese Verluste nicht aufzuwiegen, im Gegenteil, die Bedenken und Kritik der Versicher liegen wie Blei in den Büchern der Fonds Finanz-Chefs. Daran ändern auch die aus dem Hut gezauberten Investment-Stories nichts.

++ Grundsätzlich halten wir es aber für gut und richtig, wenn softfair viele Versicherer, Pools und Vertriebe als Anteilseigner ohne einen Hauptgesellschafter hat und somit zu einer wichtigen Marktlösung mit Vergleichsprogrammen und TAA-Prozess (Prozess für Tarifierung, Angebot und Antrag) in Hand der Versicherer wird.

++ Rücken die Fonds Finanz-Chefs nicht von ihren (Phantasie-)Preisvorstellungen ab, dürfte die Initiative, eine Vielzahl an Anteilseignern zu gewinnen, scheitern.

 

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