Der Swiss Life-Strukturvertrieb tecis Finanzdienstleistungen AG/Hamburg, registriert als Versicherungsvertreter mit Erlaubnis, bindet Verkäufer unter den Regeln des Handelsvertreters (§§ 84, 92 HGB) ans Unternehmen. Dabei sei die Frage erlaubt, wo hier eigentlich der selbstständige Gewerbetreibende ist, der „im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“, so wie es im Handelsgesetzbuch definiert ist.
Im tecis-Vertriebspartnervertrag hebt das Unternehmen unter Punkt 7.2 zunächst auch darauf ab: „tecis wird bei der Erteilung von Vorgaben, Richtlinien und Weisungen der selbstständigen Stellung des Vertriebspartners Rechnung tragen.“ Doch im unmittelbar folgenden Vertragssatz wird eingeschränkt: „Der Vertriebspartner ist verpflichtet, Weisungen und Geschäftsanweisungen, die ihm von tecis oder einem Vertriebspartner, dem er zugeordnet ist, übermittelt werden, Folge zu leisten, unabhängig davon, ob diese allgemein oder für den Einzelfall von tecis erteilt werden.“
Dennoch soll der tecis-Verkäufer, der Geschäftsanweisungen zu befolgen hat, im Kundengespräch herausstellen, dass er „unabhängig vergleichen“ kann, um Einsparpotenziale beim Kunden zu erzielen. Auf den möglichen Kundeneinwand ‚Willst Du mir was verkaufen?‘, soll der Strukki nach ‚vt‘ vorliegender tecis-„Einwandbehandlung“ mit dem Argument kontern: „Alle sechs Monate machen wir knapp 50 Testberatungen bei Banken, Versicherungen und anderen Instituten. Immer wieder stellen wir im direkten Vergleich fest, wie teuer die meisten Produkte draußen auf dem Markt sind und wie viel man über einen unabhängigen Vergleich mit allen Gesellschaften auf dem Markt einsparen kann.“
Diese Aussage gilt es gründlicher zu beleuchten: Wer diese angeblichen unabhängigen Tests bei wem im halbjährlichen Turnus durchführt und zu welchen Ergebnissen diese führten bzw. wo die Ergebnisse eingesehen werden können, um die Glaubwürdigkeit solcher Behauptungen überprüfen zu können – auf unsere Fragen haben wir von Swiss Life keine Antworten erhalten. Sie erinnern sich, in ‚vt‘ 27/23 („tecis: Täuschen Swiss-Life-Verkäufer mit TÜV-Prüfung?“) hatten wir interne Schulungsdokumente enthüllt mit einem propagierten Finanz-TÜV mit Siegel des TÜV Süd. Dumm für tecis, dass auf unsere Nachfrage hin der TÜV Süd über diese Dinge allerdings gar keine Kenntnis hatte.
Könnte es sein, dass es sich bei den angeblichen 50 Testberatungen bei der Konkurrenz um bloße Fake-Informationen aus dem Hause Swiss Life handelt, um sich selbst aufs Schild zu heben? Und wenn dem so ist: Was wäre, wenn dadurch möglicherweise tausende von angesprochenen gutgläubigen Verbrauchern auf ein falsches Gleis, sprich in die Arme von tecis-Verkäufern gelenkt werden in der Annahme, hier vollkommen unabhängig beraten zu werden? Schließlich soll es ja einen „unabhängigen Vergleich mit allen Gesellschaften auf dem Markt“ geben.
Es mag schon sein, dass tecis Marktvergleiche durchführt bzw. für die eigene Produktauswahl heranzieht. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass auch der einzelne Verkäufer „unabhängig“ und frei im Markt die besten bzw. individuell passendsten Produkte für seine Kunden herauspicken kann, so wie es die Aufgabe eines im Lager des Kunden stehenden Versicherungsmaklers ist. Denn laut Vertriebspartnervertrag (Vertragspunkt 5.1) darf der tecis-Strukki lediglich die „freigegebenen Produkte der Partnergesellschaften“ vermitteln. Und ob diese in der Regel besser oder günstiger für Verbraucher sind als die von qualifizierten Versicherungsmaklern angebotenen Produkte, steht auf einem ganz anderen ungewissen Blatt. Zweifel sind mehr als berechtigt.
Kommen wir auf den selbstständigen tecis-Handelsvertreter zurück. Dieser unterliegt während der Vertragslaufzeit einem „absoluten Wettbewerbsverbot“ (Punkt 12.1). Knifflig wird es, wenn der Vertrag einmal gekündigt wird und dem „Vertriebspartner ein Anspruch auf Provisionsvorschuss nicht mehr zusteht“ (Vertragspunkt 19.8). Für die meisten Verkäufer kann dadurch die Abschiedszeit bis zum Erreichen des Vertragsendes eine liquiditätsseitig ziemlich schwierige Zeit werden.
Doch das ist längst nicht alles: Laut Vertragspunkt 24.6 ist der tecis-Verkäufer nach Ausspruch der Kündigung „verpflichtet, tecis mitzuteilen, ob er nach Beendigung des Vertragsverhältnisses beabsichtigt, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden“. Mit welchem Recht glaubt tecis, diese Information von ihren (selbstständigen?) Vertretern erhalten zu dürfen?
Was einem tecis-Verkäufer droht, sofern er sich nicht an diese Regelung hält, entnehmen wir dem Vertragspunkt 24.7. Dort behält tecis sich vor, die Systemzugänge des Vertriebspartners zu sperren, „wenn der begründete Verdacht besteht, dass das System durch den Vertriebspartner missbraucht wird oder in anderer Weise die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber tecis verletzt werden“. Als eine solche Vertragsverletzung benennt tecis, „wenn der Vertriebspartner seiner Informationspflicht hinsichtlich einer nachvertraglichen Konkurrenztätigkeit nicht nachkommt“.
Was ist einem tecis-Vermittler an dieser Stelle zu raten? Ehrlichkeit siegt, kann ein schlechter Ratgeber sein. Denn legt der Verkäufer gegenüber tecis offen, dass es ihn zur Konkurrenz zieht, könnte tecis ihm sofort den Arbeitsstecker ziehen, weil der Strukturvertrieb alle möglichen Geschäftsgefahren daraus ableitet. Dass dies nicht unwahrscheinlich ist, dafür spricht allein schon die Existenz dieser vertraglichen Regelungen. Doch verheimlicht der Handelsvertreter seine Marktzukunft, läuft er später Gefahr, sobald tecis von der neuen Tätigkeit erfährt, dass ihm nachträglich die Hölle wegen Vertragsverletzungen heiß gemacht wird, sofern sich Spuren einer vorzeitigen Vertragsanbahnung finden lassen.
Da die heutige Vertriebswelt gläsern genug ist, türmen sich hier Gefahren auf, die möglicherweise wechselwillige Strukkis aus Angst vor Verdienstausfällen länger an tecis binden lässt, als es ihnen lieb sein mag. Ist genau dies etwa seitens der Swiss Life-Tochter vertragsseitig so beabsichtigt? Zu den mit dieser Regelung verknüpften Folgen erhielten wir auf Nachfrage seitens Swiss Life keine Auskunft.
‚vt‘-Fazit: Kokettieren mit ‚Unabhängigkeit‘, möglicherweise Täuschung mit TÜV-Siegel und behaupteten Testberatungen: Aus Verbraucherschutzsicht ist das alles andere als vertrauenserweckend. Gerne können Sie unsere Recherche und den Bericht nutzen, wenn Ihre Mandanten von solchen Vertrieben angesprochen werden oder diese Ihnen bei potentiellen Neukunden unterkommen.
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