Aktuelles

Vermögensanlagen: Untergräbt BaFin die Akquisition von Neukunden?

Die BaFin feilt aktuell weiter an der Umsetzung von MiFID II. In den Blickpunkt kommen nun die Vermögensanlagen, also Nachrangdarlehen, Direktinvestments und Sonstige. Hierzu hat die Aufsicht nun eine Konsultation für ein "Auslegungsschreiben zur Bestimmung der Anlegergruppe ('Zielmarkt') in Verkaufspros­pekten und in Vermögensanlagen-Informationsblättern nach dem Vermögensanlagengesetz gestartet. Konkret geht es darum, wie Anbieter – und mittelbar auch Vertriebe – Anlegerzielgruppen für Vermögensanlagen definieren sollen. In dem Entwurf des Auslegungsschreibens gibt die BaFin Angaben zur Bestimmung des Zielmarktes vor, die "der Verkaufsprospekt und das VIB enthalten müssen, um die gesetzlichen Mindestanforderungen an den Inhalt zu erfüllen“. Der jetzige Aufschlag der BaFin erfolgt in Fortführung der ESMA-Konsultation für Leitlinien zur Zielmarktbestimmung für Finanzprodukte generell, an der auch die durch 'k-mi' koordinierte Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner (BMI) teilgenommen hat ('k-mi' 03 und 23/17). Dass der Zielmarkt auch im VIB bzw. Vermögensanlagen-Informationsblatt beschrieben werden muss, geht zudem auf das unlängst verabschiedetete Gesetzespaket zur EU-Prospektverordnung zurück (vgl. 'k-mi' 23/18).

Während die ESMA grundsätzlich mit fünf Kategorien zur Zielmarktbestimmung operiert, reichen der BaFin hier vier Angaben: Bei der ersten Angabe geht es um die l Kundenkategorie. Hier reicht die Angabe "der Kundenkategorien Privatkunden, professionelle Kunden oder geeignete Gegenpartei gem. §§ 67, 68 WpHG“. Die zweite Angabe beschreibt den l Anlagehorizont bzw. die voraussichtliche Laufzeit: Hier ist laut BaFin eine Aufteilung in die Gruppen "kurzfristig, mittelfristig, langfristig“ möglich. Wird eine solche Einteilung gewählt, hat diese "kohärent zur konkreten Jahresangabe der Laufzeit zu erfolgen“. Als Vorgabe dienen die Kriterien der ESMA: kurzfristig (kürzer als drei Jahre), mittelfristig (mindestens drei Jahre), langfristig (länger als sechs Jahre). Auch dies dürfte noch relativ unproblematisch vonstattengehen: Typische Direktinvestments haben in der Regel eine mittelfristige Laufzeit von 3–6 Jahren, Nachrangdarlehen meist eine mittel- bis langfristige Laufzeit bzw. einen entsprechenden Anlagehorizont, Crowdinvestments ggf. einen kurzfristigen Anlagehorizont von unter drei Jahren.

Bei der dritten Angabe zum Zielmarkt geht es laut der geplanten BaFin-Vorgaben um die l Verlusttragfähigkeit. Hier muss eine Prozentangabe genannt werden, "die den Verlust beziffert, den der Anleger maximal tragen können muss und bereit sein muss zu tragen“. Laut BaFin dürfte diese in der Regel 100 % des Gesamtbetrags sein (Totalverlust), da das maximale Risiko angegeben werden muss. Auch sofern "weitere Leistungsverpflichtungen“ bestehen, sollen diese hier aufgeführt werden. Nachschussverpflichtungen gehören eigentlich nicht dazu, da eine Nachschusspflicht im Anwendungsbereich des VermAnlG nicht zulässig ist. Inwiefern jedoch z. B. mögliche Standgebühren bei Container-Direktinvestments hierunter fallen könnten, wird aktuell kontrovers diskutiert (vgl. 'k-mi'-Special 30/18).

Weitaus kniffliger wird die Zielmarktbestimmung für Vermögensanlagen, wenn es um die vierte Angabe geht, nämlich die l Kenntnisse und/oder Erfahrungen der Kunden. Hierzu schreibt die BaFin: "Eine Angabe zu den Kenntnissen und/oder Erfahrungen des Anlegers im Bereich Vermögensanlagen ist erforderlich. Eine Abstufung der Kenntnisse und/oder Erfahrungen ist nicht notwendig. Kenntnisse bzw. Erfahrungen können alternativ vorliegen. Ausreichend ist eine konkrete Angabe, die sich auf das Produkt, hier Vermögensanlagen, bezieht. Zu erwarten ist daher eine Angabe, dass der Anleger Kenntnisse und/oder Erfahrungen im Bereich von Vermögensanlagen haben muss. Fehlende oder nur geringe Erfahrungen mit Vermögensanlagen können durch umfassende Kenntnisse von Vermögensanlagen ausgeglichen werden.“

Der Knackpunkt hierbei, soweit bisher ersichtlich: Als geeignete Zielgruppe für Vermögensanlagen kommen für die BaFin in Anlehnung an die ESMA-Vorgaben offenbar nur Anleger in Frage, die Erfahrungen mit Vermögensanlagen haben. Liegen ausreichende Erfahrungen nicht vor, können diese durch "umfassende Kenntnisse von Vermögensanlagen ausgeglichen werden“. So weit, so gut. Die zentrale Problemstellung ist aber hierbei: Wie kann künftig die Akquisition von Neukunden überhaupt MiFID II-kompatibel erfolgen? Die Abfrage von Erfahrungen des Anlegers in diesem Bereich ist relativ trivial und erfolgt heute bereits im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nach § 16 FinVermV. Liegen keine Erfahrungen vor, kommt es demnach auf die Kenntnisse an! Wie aber kann man haftungssicher feststellen, dass ein Anleger alternativ statt Erfahrungen über "umfassende Kenntnisse“ in diesem Bereich verfügt? Letztendlich wird dem Vertrieb aufgebürdet, festzustellen, ob "umfassende Kenntnisse“ vorliegen. Nach unserer Auffassung geht die BaFin mit der Forderung nach "umfassenden Kenntnissen“ sogar über die Vorgaben und Fallbeispiele der ESMA-Leitlinien hinaus, in denen i. d. R. nur grundlegende ("basic capital markets knowledge“) anstatt 'umfassende' Kenntnisse gefordert werden.

Die haftungsrelevante Ausforschung der Kunden nach ihren Kenntnissen und Erfahrungen und damit der Abgleich, ob eine Zielmarktbestimmung einer konkreten Vermögensanlage überhaupt zutreffend ist, wird dem Vertrieb und den Anbietern von der BaFin zudem nicht abgenommen. Die BaFin hält – wie üblich – fest, dass sie für nichts haftet bzw. im Prinzip (wie schon beim Fall P&R) alles ohne Gewähr ist: "Eine inhaltliche Prüfung der Angaben im Verkaufsprospekt erfolgt dagegen nicht. Mithin prüft die BaFin nicht, ob die angebotene Vermögensanlage tatsächlich für die im Verkaufsprospekt dargelegte Anlegergruppe geeignet ist.“

'k-mi'-Fazit: Erfahrungen von Kunden mit bestimmten Produkten sind noch relativ einfach zu erfassen. Die BaFin muss jedoch dringend präzisieren, was sie unter ausreichenden Kenntnissen versteht. Von Neukunden zudem "umfassende“ Kenntnisse zu erwarten, ist u. E. ebenso praxisfremd wie über die ESMA-Vorgaben hinausgeschossen. Ansonsten wäre eine solche BaFin-Verwaltungspraxis nicht zuletzt ein Hemmschuh für Produktinnovationen und ein eklatanter Widerspruch zum Portfolioprinzip: Gerade für – im Bereich Vermögensanlagen unerfahrene – Kunden, die bspw. überwiegend Rentenfonds im Portfolio haben, kann es sinnvoll sein, dies mit Vermögensanlagen und Sachwerten zu diversifizieren. Das aktuelle BaFin-Auslegungsschreiben in seiner jetzigen Form würde dieser Grundregel (nicht alle Eier in einen Korb) nur unnötig Steine in den Weg legen. Die von 'k-mi' koordinierte Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner (BMI) wird sich dafür einsetzen, diese Widersprüche und Haftungsrisiken für den Vertrieb aus den Weg zu räumen. 

Teilen Sie diese Neuigkeit in Ihrem Netzwerk