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Volks- und Raiffeisenbanken machen den Weg (in die Zukunft) frei

Bei der Präsentation des sehr erfolgreichen, kumulierten Jahresergebnisses für 2024 der 672 Volksbanken und Raiffeisenbanken, der Sparda-Banken und der PSD Banken (vgl. 'Bi' 12/25) machte Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), auch direkt deutlich, der genossenschaftliche Sektor werde sich veränderten Rahmenbedingungen und Marktsituationen sowie Kundenerwartungen konsequent anpassen: "Wir können und dürfen uns auf den Erfolgen der Vergangenheit nicht ausruhen. Wir wollen moderne, leistungsfähige Bankdienstleistungen bieten. Wir wollen gleichzeitig für die Menschen, die vielen Selbstständigen, die kleinen Betriebe und die mittelständischen Unternehmen in den Regionen ein Hort der Stabilität und Verlässlichkeit sein. Dafür müssen wir uns als genossenschaftliche Gruppe kontinuierlich weiterentwickeln. Wir dürfen nicht in Selbstzufriedenheit stehen bleiben, sondern müssen uns jeden Tag fragen, wo wir besser werden können. Wir haben deshalb für 2025 und die nächsten Jahre eine volle Agenda", kündigte Kolak an. Dazu identifizierte sie die vier strategischen Schwerpunktthemen:  ++ Mitglieder und Talente  ++ Digitalisierung und Künstliche Intelligenz  ++ Nachhaltigkeit  ++ Stabilität und Sicherheit.

++ Seit dem Höchststand der Mitgliederzahl mit 18.560.028 im Jahr 2018 sank die Zahl Jahr um Jahr bis auf nunmehr 17.643.092 Ende 2024 um 916.936 – trotz der Wachstumszahlen in allen anderen Bereichen. "Wir können uns einen schleichenden Rückgang der Mitgliederzahlen vor dem Hintergrund der Demografie nicht erlauben. Sonst haben wir in zehn bis 15 Jahren ein existenzielles Problem", so Kolak und ergänzt: "Ich habe mir dieses Thema auch als Präsidentin ganz oben auf die Agenda geschrieben. Meine Botschaft ist: Der Genossenschaftsgedanke ist gerade in diesen Zeiten hoch modern. Das wird auch dadurch untermauert, dass die UN das 'Internationale Jahr der Genossenschaften‘ ausgerufen hat.“ Zur Ansprache junger Mitglieder und Mitarbeiter hat der BVR mit Neonblau den genossenschaftlichen ThinkTank der GenZ ins Leben gerufen, der an entsprechenden Lösungen arbeitet. 

++ Beim zweiten Schwerpunktthema, dem Banking der Zukunft, liegt der Fokus auf den Themen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Die starken Wachstumszahlen von Direktbanken und anderen digitalen Angreifern im Bereich Geldanlange will der BVR hier mit gleichwertigen digitalen Angeboten und zusätzlich einer starken persönlichen Präsenz in den Regionen kontern  ++ Beim etwas in den Hintergrund getretenen Thema Nachhaltigkeit geht der BVR vom Festhalten an den Klimazielen in Berlin und Brüssel mitsamt einer zentralen Bedeutung des Finanzsektors bei der Transformation aus, fordert aber auch mehr Pragmatismus und weniger Regulierung im Detail ein.

++ Breiten Raum nahm das vierte Schwerpunktthema, der Stabilität und Sicherheit des genossenschaftlichen Sektors, ein. Dazu ordnete Kolak erst einmal die insbesondere in manchen Medien hochgepushten jüngsten Problemfälle ein: "Die Anzahl der Präventionsbanken ist in den vergangenen zehn Jahren stabil geblieben – sie ist es auch im Moment. Und nur die wenigsten Präventionsbanken landen in der Sanierung. Die Anzahl der Sanierungsbanken wiederum ist im historischen Vergleich niedrig. Das gilt übrigens auch im Verhältnis zur heute geringeren Zahl der Genossenschaftsbanken." Sie räumt jedoch auch ein: "Zur Wahrheit gehört: Einige Sanierungsfälle von 2024, über die ausführlich berichtet wurde, sind keine gewöhnlichen Fälle. Das hängt mit den Ursachen für die Schieflagen zusammen. Einige Verantwortliche sind viel zu hohe Risiken eingegangen. Und sie haben nicht darauf geachtet, dass Kontrollsysteme ausreichend angewandt werden. Sie wissen, dass wir die Größenordnung von Sanierungen nicht beziffern. Aber es ist offensichtlich, dass die Fälle für unsere Solidargemeinschaft teurer werden könnten als Sanierungen in anderen Jahren. Mir ist wichtig zu betonen: Unsere Sicherungseinrichtung könnte auch deutlich höhere Volumina ohne Schwierigkeiten bewältigen. Aber das macht die Sache nicht besser."

Deshalb plant der BVR die Weiterentwicklung von Institutssicherung, Statuten und Sicherungseinrichtung. Weitere Details zu den dafür vorgesehenen sechs Themenblöcken mit über 40 Einzelmaßnahmen, stellt BVR-Vorstand Daniel Quinten vor. Dazu gehört  ++ die Effizienzsteigerung der Gremien der Sicherungseinrichtung. Bei den regionalen Sanierungsausschüssen, dem zentralen Sanierungsausschuss und dem BVR-Verwaltungsrat sollen Aufgaben, Zuständigkeiten und Prozesse überprüft werden  ++ Banken, die überzogene Risikoprofile haben und kritische Geschäftsmodelle entwickeln, sollen deutlich stärker in die Pflicht genommen werden. Dazu gehört auch die kritische Begleitung von Banken, die bundesweit agieren und/oder in völlig neue Geschäftsmodelle expandieren, jedoch – so zumindest laut BVR – ohne die Selbstständigkeit der Institute anzutasten. Das wird sicher nicht nur mit Blick auf die VR Bank Bad Salzungen Schmalkalden oder die Meine Bank – Raiffeisenbank im Hochtaunus in der Praxis ein schwieriger Spagat werden.

++ Die Auditqualität soll stärker an die Anforderungen der Institutssicherung insbesondere im Hinblick auf die Erwartungen an die Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung in einer Genossenschaftsbank sowie an die der Institutssicherung ausgerichtet werden. Hier lässt die VoBa Düsseldorf Neuss grüßen  ++ Zudem soll mit Investitionen in ein effizientes und effektives Monitoring die Sicherheitseinrichtung weiter gestärkt werden und  ++ die Sicherungseinrichtung, die Prüfungsverbände und die DZ BANK sollen als zentrale Akteure für die Institutssicherung enger zusammenarbeiten sowie ++ die bestehende Eskalationshierarchie in der Institutssicherung weiter geschärft und transparenter gestaltet werden. Auf dem Weg zu 'Geno Next Level' "haben wir einen klaren Plan sowohl inhaltlich als auch mit Blick auf die Zeit. Wir werden die Institutssicherung, die Statuten und die Sicherungseinrichtung wirksam verändern und voranbringen. Wir sind in einem intensiven Dialog mit unseren Mitgliedern, um sie von der Notwendigkeit von Veränderungen als auch von den entsprechenden Maßnahmen zu überzeugen", erläutert Quentin.

Neben dem Plan die eigene Organisation zu stärken und nach vorne zu bringen, spielten natürlich auch die 'große Politik' und die Regulatorik eine Rolle. "Mit der im Februar vorgelegten Omnibus-Verordnung für Erleichterungen in der Nachhaltigkeitsregulierung ist die EU-Kommission einen ersten Schritt gegangen, überbordende Bürokratie endlich entschlossen abzubauen – aber das kann nur ein Anfang sein. Denn die Regulierungsanforderungen sind zuletzt stetig gestiegen, etwa mit der EU-Eigenmittelverordnung CRR III oder der EU-Richtlinie zur digitalen operativen Resilienz im Finanzsektor DORA und den korrespondierenden hunderten Regulierungsstandards der EBA und der ESMA. Sie enthalten gerade für kleinere Institute teils überbordende Anforderungen. Wir begrüßen, dass diese Problematik auch von der deutschen Politik und Bankenaufsicht zunehmend erkannt und aufgegriffen wird. So enthält die Aufsichtsmitteilung der BaFin vom November 2024 lange von uns eingeforderte und dringend notwendige Erleichterungen beim Risikomanagement für kleine Banken", fasst Quentin die Entwicklung zusammen und fordert abschließend endlich ein eigenes Regelwerk speziell für kleinere und mittlere Institute statt des in der EU vorliegenden Single Rule Book.

Heikel sieht die BVR-Spitze auch den Vorstoß der EU-Kommission zur europäischen Datenwirtschaft FiDA (Financial Data Access Regulation). "Mit ihm würden vor allem zusätzliche bürokratische Anforderungen eingeführt werden, die den Finanzplatz Europa im globalen Wettbewerb herausfordern und die angestrebte Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der EU-Finanzindustrie eher beeinträchtigen", so BVR-Vorständin Tanja Müller-Ziegler. Die aktuell beschlossene riesige Ausweitung der Staatsverschuldung sieht BVR-Präsidentin Kolak kritisch: "Es ist zwar richtig, die staatlichen Finanzierungsspielräume kurzfristig zu erhöhen. Aber die Schulden massiv hochzufahren, ohne gleichzeitig über notwendige Einsparungen und tiefgreifende Strukturreformen zu sprechen, ist brandgefährlich." Die passenden Anregungen liefert Kolak gleich mit: "Drei Themen sollten aus unserer Sicht ganz oben auf der Agenda stehen, um unseren Standort dauerhaft zu stärken: Erstens: Vorfahrt für die privaten Investitionen. Dazu gehören Steuererleichterungen für den Mittelstand, niedrigere Energiepreise und deutlich stärkere Arbeitsanreize. Zweitens brauchen wir einen drastischen Bürokratie-Rückbau in Deutschland und in der Europäischen Union. Die Zeit der kleinteiligen Regulierung muss vorbei sein. Wir brauchen keinen steuernden Staat. Wir brauchen ordnungspolitische Leitplanken. Und drittens: Eine entschlossene Agenda für ein starkes Europa."

'Bi'-Fazit: Die Genossenschaftsbanken ruhen sich nicht auf ihren Ergebnissen aus, sondern nehmen mit ihren vier Schwerpunktthemen die Zukunft fest in den Blick. Dazu gehört auch die notwendige Weiterentwicklung der Stabilität und Sicherheit innerhalb der eigenen Gruppe. Aber, so wie bei der großen Politik die (ausschließliche) Vorgabe ordnungspolitischer Leitplanken gefordert wird, so muss die Freiheit der Institute gewahrt bleiben, vor Ort über die Ausrichtung ihrer Geschäftstätigkeit selbst zu entscheiden. Ebenso sollte die Institutsgröße auch bei den Anforderungen beachtet werden, damit der Aufwand auch für kleinere und mittlere Institute verkraftbar ist.

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